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Dieser Transporter wird in wenigen Minuten zum Wohnmobil

Ein Berliner Start-up baut Module, mit denen sich Kastenwagen zu Campervans umrüsten lassen. In Sachsen kann die Technik nur an einem Ort getestet werden.

Von Andreas Rentsch
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Schiebung: Autoverkäufer Thomas Biskop drückt das rund 500 Kilo schwere Campingmodul in Position. Nun muss es nur noch verzurrt werden.
Schiebung: Autoverkäufer Thomas Biskop drückt das rund 500 Kilo schwere Campingmodul in Position. Nun muss es nur noch verzurrt werden. © kairospress

Nachdem er das obligatorische Foto vom Moritzburger Schloss gemacht hat, tritt der ältere Motorradfahrer neugierig näher. „Was ist denn das Schönes?“, will er wissen. „Ein Wohnmobil?“

Tatsächlich ist der weiße Transporter auf den ersten Blick nicht als Campingbus zu identifizieren. Erst wenn Thomas Biskop und sein Kollege die Hecktüren öffnen, den graublauen Kasten herausziehen und auf Rollen fixieren, zeigt sich, was in dem VW Crafter steckt: eine quaderförmige Wohnkabine mit Liegeflächen für zwei Personen, ausklappbarem Hubtisch, Spüle, Gaskocher, 32-Liter-Kompressorkühlbox, Außendusche, mobilem Stromspeicher sowie Frisch- und Abwassertanks. Eben alles, was man für einen kurzen Campingurlaub so braucht.

Biskops Arbeitgeber, ein VW-Händler in Radeberg, verkauft seit Kurzem solche Module exklusiv in Sachsen. Dafür ist er eine Partnerschaft mit dem Berliner Start-up Plugvan eingegangen. Die Kernidee der 2018 gegründeten Firma besteht darin, leere Kastenwagen mehrfach zu nutzen. Vom ersten Prototyp eines Moduls bis zum Verkaufsstart seien knapp zwei Jahre vergangen, sagt Plugvan-Mitgründer Florian Fey. Die Module kann man bald unter anderem auch in Radeberg mieten – pro Tag für knapp 50 Euro. Hauptzielgruppe seien Besitzer und Mieter von Kleintransportern, also Handwerker und Gewerbetreibende, so Fey. Ein Kaufmodul kostet in der Basisversion 12.990 Euro brutto, voll ausgestattet mindestens 16.990 Euro.

Waschtag: Auch eine Außendusche gehört zur Ausstattung des Plugvan-Moduls.
Waschtag: Auch eine Außendusche gehört zur Ausstattung des Plugvan-Moduls. © kairospress
Essenausgabe: Platz sparende kleine Küche mit Spüle und Gaskartuschenkocher.
Essenausgabe: Platz sparende kleine Küche mit Spüle und Gaskartuschenkocher. © kairospress
Spielwiese: Je nach Fahrzeugtyp wird das zwei Meter lange Bett 1,55 bis 1,75 Meter breit.
Spielwiese: Je nach Fahrzeugtyp wird das zwei Meter lange Bett 1,55 bis 1,75 Meter breit. © kairospress
Lückenschluss: Hinter der Fahrerkabine bleibt Stauraum – zum Beispiel für ein Badmodul.
Lückenschluss: Hinter der Fahrerkabine bleibt Stauraum – zum Beispiel für ein Badmodul. © kairospress

Grundsätzlich ist die Box so konstruiert, dass sie in jeden gängigen Dreieinhalbtonner à la Ford Transit, Mercedes Sprinter und Fiat Ducato passt. Sobald das 1,28 Meter breite Modul auf der Ladefläche befestigt ist, können die Seitenwände noch ein Stück nach außen geschoben werden, damit der Platz zwischen den Radhäusern optimal ausgenutzt wird. Dazu lässt sich das mit einem Zeltbalg versehene Hubdach nach oben drücken, was die Stehhöhe auf 1,96 Meter wachsen lässt. Interessant ist außerdem, dass zwischen dem Wohnmodul und der Fahrerkabine noch ein gewisser Stauraum bleibt. Hier können zum Beispiel kleinere Fahrräder geparkt werden. Platz wäre aber auch für ein autarkes Badmodul mit herausnehmbarer Trockentoilette, das als Zubehör bestellt werden kann. Plugvan biete ein „spannendes, so noch nie gesehenes Konzept“, resümierte kürzlich das Fachmagazin Promobil. „Bleibt abzuwarten, wie es beim Endkunden ankommt.“

Schematische Darstellung: Neben diesem Wohn- gibt es auch noch ein Werkstattmodul.
Schematische Darstellung: Neben diesem Wohn- gibt es auch noch ein Werkstattmodul. © Plugvan

Gewisses Frustrationspotenzial birgt womöglich das Versprechen des Herstellers, der Ein- oder Ausbau des Wohnmoduls sei innerhalb von fünf Minuten erledigt. Beim Fototermin in Moritzburg hantieren die Mitarbeiter des Radeberger Autohauses jedenfalls dreimal so lange mit Ratsche und Nuss. „Wir haben das Modul aber auch erst seit 14 Tagen“, räumt Thomas Biskop ein.

Tatsächlich sei das Handling des zehn Zentner schweren Moduls reine Übungssache, sagt Florian Fey. Für unrealistisch hält der 45-Jährige die Fünf-Minuten-Frist trotzdem nicht. „Unser Geschäftsführer Jörg Kortmann hat es auf einer Messe mal in unter drei Minuten geschafft.“ Wohl unter perfekten Bedingungen. Dazu zählt vor allem ein möglichst glatter, ebener Untergrund, aber auch die Verwendung eines Akkuschraubers bei der Montage des Fahrwerks.

Rechtlich gelten die rollenden Multitalente weiterhin als Nutzfahrzeuge. „Es ist keine Umschreibung zum Wohnmobil nötig, aber auch nicht möglich“, sagt Fey. „Das Modul ist als Ladung anzusehen, da es keine feste Verbindung zur Karosserie gibt.“ Die Ladungssicherung habe man sich von der Sachverständigenorganisation Dekra zertifizieren lassen. Selbst für Handwerker, die unter der Woche mit einer Ladefläche voller Werkzeug durchs Land fahren, haben er und seine Kollegen eine Lösung gefunden: ein Werkstattmodul, genauso groß und identisch zu handhaben.

Die Ebicos-Campingbox von Start-up-Unternehmer Marcel Graf wurde zuerst für VW-Busse des Typs T5 und T6 konzipiert.
Die Ebicos-Campingbox von Start-up-Unternehmer Marcel Graf wurde zuerst für VW-Busse des Typs T5 und T6 konzipiert. © Ebicos/Marcel Graf
Der Mini-Wohnanhänger der Leipziger Firma Kleox gehört zur Kategorie der sogenannten Teardrop-Caravans. Der "Tränentropfen" beschreibt die Form einer bestimmten Kategorie dieser Vehikel.
Der Mini-Wohnanhänger der Leipziger Firma Kleox gehört zur Kategorie der sogenannten Teardrop-Caravans. Der "Tränentropfen" beschreibt die Form einer bestimmten Kategorie dieser Vehikel. © Kleox

Auch anderswo in der Branche arbeiten Gründer an cleveren Zwei-in-eins-Lösungen. So baut beispielsweise das in der Oberlausitz ansässige Start-up Ebicos ebenfalls eine Campingbox, die sich schnell aus- und einbauen lässt. Ihr Grundmodul kostet knapp 4.000 Euro. Die Leipziger Firma Kleox hat sich etwas anderes ausgedacht: Ihr „rollendes Zelt“ namens Shelter taugt als spartanische Schlafstatt für Kletterer, Angler oder Open-Air-Besucher, lässt sich aber genauso gut für kleinere Umzüge oder Baumarkttransporte nutzen. Zudem kann der 4.900 Euro teure und nur 210 Kilo schwere Trailer von Kleinwagen gezogen werden. „Wer jetzt bestellt, kann frühestens Mitte Juni ein Exemplar bekommen“, sagt Firmenchef Holger Schack. Seine potenzielle Kundschaft habe er im Übrigen falsch eingeschätzt, sagt der 54-Jährige, der selber passionierter Camper ist. Viele der Interessenten seien schon älter – und schwärmten nach dem Probeliegen von einem Gefühl „wie früher im Klappfix“.

Auch Thomas Biskop aus Radeberg berichtet von positivem Feedback. „Alle, die sich das bei uns angesehen haben, sind begeistert von der Variabilität des Konzepts. Und trotzdem hat man das Gefühl, ein vollwertiges Wohnmobil zu haben.“