Im Gewerbegebiet von Kurort Hartha steht ein Haus, das keine Eigenschaften besitzt, abgesehen von seiner unerbittlichen Sachlichkeit: rechte Winkel, lange Kanten, glatte Wände. Kein Ornament lockert die Fassade, kein Farbtupfer fängt den Blick. Es ist der perfekte Ort, um nicht aufzufallen - eine betonierte Tarnkappe.
Diese Tarnkappe hat der Kraftwerk Tubes GmbH bisher gut gepasst. Seit etwa zwei Jahren nutzt die Firma die architektonische Skulptur "Dresden", erdacht von Künstler-Architekt Gerhard Merz, als Bürogebäude und Produktionsort. Martin Pentenrieder, Unternehmens-Stratege bei Kraftwerk, sagt, man habe sich bislang in einer Art "Stealth-Phase" befunden. Stealth heißt im Englischen so viel wie Heimlichkeit. "Wir wollten nicht, dass alle Welt weiß, dass es uns gibt."

Nun will die Firma ihre Scheu ablegen um zu zeigen, dass ihr Produkt die Welt retten kann, zumindest ein bisschen. Mehr als 25 Millionen Euro sind inzwischen in die Entwicklung geflossen, sagt Sascha Kühn, promovierter Werkstoff-Ingenieur und Kraftwerks Mastermind. Die Firma ist kein Start-up mehr, trägt sich bereits durch die Umsätze. Den Technologievorsprung zur Konkurrenz schätzt Kühn auf etwa vier Jahre.
Ein Röllchen macht den Strom
Kraftwerk baut Brennstoffzellen. Statt plattenartig geschichteter Klötze kommen hier jedoch kleine Röhrchen, etwa fünf Zentimeter lang und drei Millimeter dick, aus der Fabrikation. Die Elektroden und ihre halbdurchlässige Trennschicht, das Elektrolyt, vereinigen sich in diesen kleinen Rollen, den Tubes. Und diese Tubes machen aus Gas und Luft Strom, an praktisch jedem Ort, ob im Auto, in Fluggeräten oder - zum Handy laden - in der Reisetasche.

Die Tubes entstehen in der Werkhalle des Merz-Baus. Dass es so etwas hinter den bunkerartig kleinen Fenstervierecken überhaupt gibt, erweist sich erst auf der Kehrseite des Kubus, die beinahe komplett verglast ist. "Dresden" war schon bei seiner Errichtung 1997 als Industriebau gedacht. Ein Beton-Unternehmen sollte einziehen. Der Plan zerschlug sich. Gut für Kraftwerk. Man habe den Standort von Anfang an als ideal empfunden, heißt es.
Landluft vermindert den Ausschuss
"Clean Room" - Reinraum - steht an der Hallentür. Besucher müssen einen Kittel überziehen, über breite Klebestreifen laufen, die jedes Krümel von den Schuhsohlen ziehen, und dann die Sohlen auch noch in Folie einschweißen lassen. Sauberkeit muss sein, sagt Sascha Kühn, "damit wir uns nichts einfangen". Ein Staubkorn kann genügen, um die Nanobeschichtung der Tubes unbrauchbar zu machen. Das kommt selten vor. "Unsere Ausschussquote ist sehr gering."

Das liegt nicht nur an den Reinlichkeitsbestimmungen. Es liegt, da ist Kraftwerk-Chef Kühn sicher, auch an der sauberen Luft, hier, am Tharandter Wald, wo es keine staubschleudernde Industrie gibt. Auch keine Megastraßen und Trambahnen, die mit ihren Vibrationen die Apparate stören. Im Grünen zu sein, fördere nicht zuletzt das Image der Firma als Clean-Tec-Unternehmen. "Hier arbeiten Leute, die die Zukunft verändern wollen."
Keine Technik von der Stange
Die Halle, mehr als fünfhundert Quadratmeter groß, ist vollgestellt mit Technik. Viel Edelstahl, viel Glas, viel undurchschaubares Agieren nie gesehener Maschinen. Hier ist nichts von der Stange, sagt Sascha Kühn, alles selbst entwickelt. Er deutet auf einen Roboterarm, der mit eckigen Bewegungen frisch produzierte Tubes an ein System aus Lasersensoren und Kameras weiterreicht. Qualitätskontrolle. „Sowas kostet eine viertel Million.“

Für Leute ohne Durchblick werden die Produktionsschritte in kleinen Vitrinen präsentiert. Darunter auch die Ausgangsstoffe: Nickel- und Keramikpulver. Zusammen mit Bindemitteln wird daraus ein Granulat gemacht, das in die Spritzgussmaschine kommt. Ein Viererpack Tubes-Rohlinge ist das Ergebnis.
Spiel der Ionen produziert Energie
Im Spezialofen verschmelzen die keramischen und die metallischen Bestandteile der rohen Tubes zu einen neuen Werkstoff, einem richtigen Bauteil. Danach folgen in ultrareinen Labors die Beschichtungen: die transparent glänzende Elektrolytschicht und die mattschwarze Kathodenschicht. "Was dann raus kommt", sagt Doktor Kühn, "ist hundert Prozent einsetzbar."

Die Vorgänge, die in der Brennstoffzelle der Kraftwerker Energie erzeugen, sind äußerst komplex. Es geht um Moleküle, die in Ionen zerlegt werden, die wiederum miteinander reagieren. Der Strom fällt als Nebenprodukt einer chemischen Reaktion an. Der Vorteil der Tubes: Sie brauchen nicht unbedingt Wasserstoff, um zu arbeiten.
Nach Insolvenz glückt der Neustart
Tubes können auch mit Erdgas, mit Autogas, ja selbst mit dem Gas von Campingkochern betrieben werden. Die praktisch weltweite Verfügbarkeit dieser Treibstoffe lässt die Kraftwerker hoffen, ihr Produkt werde den Antrieb von Elektro-Autos revolutionieren. Stratege Martin Pentenrieder rechnet vor, dass ein Tubes-Wagen mit zwanzig Kilo Gas im Tank über tausend Kilometer Reichweite besitzen würde. Und das bei Autogaspreisen von um die 60 Cent je Kilo.

Laut Pentenrieder liefert die Firma ihre Brennstoffzellen bereits an zehn namhafte Automarken. Vor allem in den USA und in Fernost sei man sehr aktiv. Tubes-Lieferungen gibt es aber auch für den Drohnen-Hersteller Sky-Watch in Dänemark. Und auch den Plan, einen Stromerzeuger für die Hosentasche auf den Markt zu bringen, verfolgt Kraftwerk weiter.
Mit diesem Plan war das Unternehmen, damals noch eZelleron geheißen, schon einmal gescheitert. Als es den Brennstoffzellenlader 2015 unter dem Namen "Kraftwerk" vorstellte, überzog die Düsseldorfer Elektropop-Band Kraftwerk die Firma mit Markenrechtsklagen. Sascha Kühn nennt den Rechtsstreit als Hauptgrund dafür, dass Investoren absprangen und die Firma schließlich pleite ging.
Doch mit frischem Geld aus Amerika und neuen Partnern ist Sascha Kühn die Rückkehr geglückt. "Wir sind schnell wieder aufgestanden." Heute hat die Firma fünfzig Mitarbeiter, davon 41 in Kurort Hartha. Auch wenn die Fahrzeugindustrie momentan schwächelt: Am Standort will Kühn festhalten, am Merz-Bau insbesondere. Wie Architekt Merz sieht auch er sich als Perfektionist. "Ich bin extrem gern hier."
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