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Wie der SUV-Trend den Mangel an Seltenen Erden verschärft

Immer elektrischer, immer größer: Die Autobranche braucht Kobalt, Nickel und andere Stoffe für ihre Akkus, doch viele wie die Seltenen Erden sind knapp. Ein Trend verschärft das Problem.

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Der SUV an der Stromsäule. Der Trend zu immer größeren und leistungsstärkeren E-Autos verschärft das Problem seltener Materialien.
Der SUV an der Stromsäule. Der Trend zu immer größeren und leistungsstärkeren E-Autos verschärft das Problem seltener Materialien. © Honda/dpa-tmn (Symbolfoto)

Berlin. Das Auto, das in China das Publikum verzückt, sieht gedrungen aus, fast wie ein kleiner Kasten auf Rollen. Sein Name: Wuling Hongguang Mini EV. Der kleine E-Flitzer ist eine Koproduktion von SAIC und General Motors, und er wiegt keine 700 Kilogramm.

In Deutschland dürfte den City-Flitzer trotz seines Erfolgs kaum jemand kennen. Kleinwagen dieser Art werden hierzulande immer rarer. Hersteller bauen sie nicht, weil die Kundschaft kein Interesse zeigt - oder umgekehrt. Und so werden die Fahrzeuge im Schnitt nicht kleiner, sondern größer. Das Problem: Mit ihrer Größe steigt auch der Bedarf an Kobalt, Nickel und Seltenen Erden. Sie sind teuer, ihr Abbau belastet die Umwelt. Und immer wieder sind es Kinderhände, die nach ihnen graben.

Stoffe wie Kobalt, Nickel und Seltene Erden bilden den Flaschenhals etlicher Industrien. Sie stecken in Windrad-Turbinen und Festplatten, in Energiesparlampen und Panzern. Und sie stecken in Batterien von E-Autos. Mit ihnen steht und fällt das Projekt, den Autoverkehr vom Verbrenner auf elektrische Antriebe umzustellen. Das Problem ist, dass die Branche den Mangel an Seltenen Erden weiter anheizt - mit dem Trend zu immer größeren Autos.

"Mit dem Trend zu SUVs laufen wir in die völlig falsche Richtung, um unsere globalen Klimaziele zu erreichen", sagt Marcel Weil vom Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse. Die Produktion von E-Autos sei ohnehin energieintensiv, was für E-SUVs umso mehr gelte. Und der viele Strom, den sie verschlingen, kommt Stand heute nur teilweise aus Erneuerbaren Energien, wie Weil sagt.

Er rechnet damit, dass die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen für Elektrofahrzeuge bis 2050 immens zunimmt. "Ich wüsste nicht, was den weltweiten Trend zur E-Mobilität, vor allem in China, aufhalten sollte."

Beliebt sind vor allem Batterien mit Kobalt-Anteil, weil sie leistungsstark sind. Doch ihre Lieferkette gilt als problematisch. Die mit Abstand größten bekannten Vorkommen liegen in der Demokratischen Republik Kongo. Laut der Hilfsorganisation Save the Children arbeiten 200.000 Menschen in kongolesischen Kobalt-Minen, darunter viele Kinder. In den Bergwerken kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen.

Kobalt spielt auch eine wichtige Rolle in der geläufigsten Batterieart der Automobilbranche, der Nickel-Mangan-Kobalt-Batterie (NMC). Zwar sei die Industrie bemüht, den Anteil an Kobalt zu verkleinern und den von Nickel zu vergrößern, sagt Weil. In etwa sollten auf ein Gramm Kobalt und ein Gramm Mangan acht Gramm Nickel kommen. "Aber da sind wir für die industrielle Produktion noch nicht angekommen."

Neben Kobalt gibt es noch Dutzende andere Stoffe, die für die E-Mobilität wichtig sind. Die meisten davon kommen aus China, so auch Magnesium. Magnesium werde für die Produktion von Aluminium gebraucht, was für die leichter gebauten E-Autos wichtig sei, so Weil. "Es gehört zu den kritischsten Rohstoffen überhaupt." Hier hält China 86 Prozent der weltweiten Produktionsmenge.

Dass Autos immer elektrischer werden, ist das eine. Die in Europa gebauten Autos werden aber auch immer größer: im Durchschnitt 7 Zentimeter höher, 10 Zentimeter breiter und 20 Zentimeter länger als im Jahr 2000, wie aus einer Auswertung des Beratungsunternehmens Inovev hervorging. Das Gewicht liege mit rund 1,5 Tonnen ein Fünftel höher. Hauptursache sei die wachsende Nachfrage nach SUVs und Elektroautos.

Auch elektrische SUV verbrauchen mehr

Hinzu kommt, dass der Trend zu immer größeren Autos im Segment der Elektrischen noch stärker ist als im Gesamtmarkt, wie eine Untersuchung des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach zeigt. "Kritisch ist dabei die Tendenz einer zunehmenden "SUV-isierung" der Elektromobilität", sagt Direktor Stefan Bratzel. Denn größere Autos seien ineffizient und verbrauchten mehr Material. Um Belastungen für die Umwelt zu begrenzen, müsse der Anteil an kleineren E-Autos hochgefahren werden.

Das aber widerspreche den Interessen der Autobauer, sagt Weil. "Sie sind getrieben von der Profitmaximierung." Je größer, desto profitabler. "Die deutschen Hersteller haben es scheinbar verschlafen, frühzeitig in die Batterieproduktion einzusteigen", so Weil. Wer die Batteriezellen teuer einkaufen müsse, könne auch nur teure Autos produzieren. "Die deutschen Autobauer sind deshalb aktuell nicht in der Lage, einen massentauglichen günstigen Elektro-Kleinwagen zu produzieren."

Die Automobilbranche widerspricht: "Die Hersteller bedienen mit ihrem Angebot, das vom Kleinwagen über die Mittelklasse bis hin zum SUV reicht, eine Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher", sagt ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Hinzu kämen Aspekte der Fahrzeugsicherheit wie eine größere Knautschzone. "Deshalb werden Autos allgemein größer", so der VDA-Sprecher.

Ihm zufolge lassen sich mittlerweile 94 Prozent eines ausgedienten Fahrzeuges zweitverwerten, darunter auch Seltene Erden. "Technologische Innovationen werden diese Quoten in Zukunft noch weiter steigern und den Primärrohstoffbedarf im Fahrzeug weiter senken", so der Sprecher.

Materialien für Akkus ändern sich - Problem für Recycling

Für das Recycling von kritischen Batterie-Rohstoffen macht die EU in ihrer neuen Batterieverordnung konkrete Vorgaben. So sollen ab 2026 etwa 90 Prozent des verwendeten Kobalts recycelt werden.

Die Wiederaufbereitung alter Batterien sei wichtig, sagt auch Weil. Allerdings könne sie nur einen geringen Beitrag leisten, sollte die E-Mobilität bis 2050 exponentiell wachsen. Wenn die Batterien von heute in 15 Jahren recycelt würden, decke das die bis dahin herrschende Nachfrage nur zu einem kleinen, wenn auch wichtigen Teil.

Außerdem werde noch daran gearbeitet, Batterien aus besser verfügbaren Materialien herzustellen - etwa auf Basis von Natrium. Hoch im Kurs steht auch die Lithium-Eisenphosphat-Zelltechnologie (LFP), die etwa einen E-Lkw von Daimler Truck antreibt. "Die Innovationszyklen sind extrem kurz", so Weil. Möglich also, dass recyceltes Kobalt und Nickel in 15 Jahren schon nicht mehr im großen Stil für Batterien gebraucht werden.

Das Umweltbundesamt (UBA) erklärt den SUV-Trend auch mit falschen Anreizen. In Deutschland werden viele Fahrzeuge erstmals als Dienstwagen zugelassen, wie ein Sprecher sagt. Mehrkosten bei der Anschaffung fielen da nicht so ins Gewicht. "Dadurch besteht aber auch kein Anreiz, ein kleineres Fahrzeug zu wählen", so der Sprecher.

Und rationale Gedanken etwa an die Umwelt? Die spielten bei der Kaufentscheidung eine untergeordnete Rolle, sagt die Beraterin und Klimapsychologin Janna Hoppmann. Wichtiger seien Bedürfnisse und Gefühle. "Beim Fahren von SUVs ist das psychologische Bedürfnis nach Privatheit entscheidend", sagt Hoppmann. Eine Verkehrswende sollte diese Bedürfnisse mitdenken, wie Hoppmann fordert, etwa mit Blick auf die Sitzplätze in Bus und Bahn.

Bis das so weit ist, dürften allerdings noch so einige SUVs vom Band gehen - zum Beispiel der neue Mercedes EQC SUV. 408 PS stark, 2,5 Tonnen schwer, wie der ADAC mitteilt. Ein wahrer E-Koloss. Allein die Batterie wiegt 650 Kilogramm - ungefähr so viel wie der gesamte Wuling Hongguang Mini EV. (dpa)