Baumaterial wird knapp - und immer teurer

Tausche abgelagertes, trockenes Kaminholz und zwei Kästen Radeberger gegen Holzdachverschalung.“ – „Biete 4 m2 Wandfliesen, Alaskaweiß, 20 x 90 cm. Suche 20 m KG-Rohr DN 160.“ Wer glaubt, solche Anzeigen seien seit 32 Jahren kein Thema mehr, könnte eines Besseren belehrt werden. Denn dieser Tage erinnern sich gestandene Handwerker an DDR-Zeiten. KG meint Kanalgrundrohr und beschreibt, wie es derzeit bei der Materialbeschaffung am Bau zugeht: unterirdisch.
„Wenn das so weitergeht, blüht bald wieder der Tauschhandel“, prophezeit Marcus Namokel, Chef der Landmaxx BHG GmbH in Coswig, mit 130 Beschäftigten und 30 Millionen Euro Jahresumsatz einer der großen Baustoffhändler im Freistaat. Die elf Märkte, die er in Sachsen und Südbrandenburg mit seinem Vater führt, sind für Kunden vom Land existenziell. Laut Namokel fehlen vor allem Kunststoffrohre für den Tiefbau und Dämmstoffe wie Styropor. Lieferanten hätten Verträge gekündigt, „so massiv hatten wir das noch nicht“, sagt er.
Nach einer Umfrage des sächsischen Baugewerbeverbandes, Interessenvertretung von etwa 800 Handwerksbetrieben, ist vor allem Stahl knapp. Und teuer. Nach Branchenangaben stiegen die Preise seit Jahresbeginn um zehn Prozent, ebenso für Kupfer – und außerdem für Bitumen um ein Fünftel, für Ziegel und Dämmstoffe um über sechs Prozent. Auch Bauharze, Bautenschutz- und Tiefbauprodukte sind Mangelware. Und Holz. Immer wieder Holz.

Schuld an der Misere sind viele: der kanadische Latschenkäfer, der sich durch Nordamerikas Wälder frisst, von Ex-US-Präsident Trump angezettelte Handelskriege, Hurrikane, der in der Pandemie erwachte Eifer amerikanischer Häuslebauer, in ihrem Aufschwung nimmersatte Chinesen. Deutsche Holzbauern ließen Ware lieber via Bremerhaven nach Übersee verschiffen, munkelt Sachsens ausgesperrte Kundschaft. Amerikaner würden doppelt so viel zahlen wie Abnehmer daheim. Teils ist von Lieferzeiten von einem Jahr die Rede.
Wer wie der Dachdeckerbetrieb von Stefan Pietschmann in Lippitsch bei Bautzen über Lagerkapazitäten verfügt, sorgt vor. Viele hätten das so gemacht, räumt der Innungsobermeister gegenüber der SZ ein. Er selbst habe Material für sechs bis sieben Baustellen da. Vielerorts vorgeschriebene S-10-Dachlatten aus unbehandeltem Rohholz seien wertvoll „wie Gold“.
Kein Vergleich mit der Hatz um Klopapier
Den Mangel spüren auch Baumärkte wie Obi. Die Kette mit rund 350 Filialen in Deutschland erklärt: „Bei unseren Lieferanten konnten wir je nach Produktgruppe Preissteigerungen mit bis zu zweistelligen Bereichen feststellen.“ Sie erreichten bei Holz und Holzzellstoffen bis zu 30 Prozent. Deckungskäufe, vergleichbar der Hatz um Klopapier vor einem Jahr, gebe es zwar nicht – wohl aber erhöhten Absatz „insbesondere bei Holzprodukten für den Innenausbau“. Lokale Händler verlangen derweil für Konstruktionsvollholz das 2,5-fache im Vergleich zum Frühjahr 2020.

Der Bundesverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz spricht von einer „beispiellose Welle von Preiserhöhungen“, auch bei Spanplatten und Trockenbauprofilen. Er warnt vor Stillstand auf Baustellen und einer Pleitewelle. Das von ihm vertretene Malerhandwerk glaubt nicht an Zufälle: „Es mag Lieferprobleme geben. Aber wir haben den Verdacht, dass einige Produzenten von Rohstoffen und Vorprodukten die Pandemie nutzen, um ihre Rendite zu verbessern.“ Deshalb werden Rufe lauter, in Deutschland wieder mehr Kies, Sand und Gips abzubauen und dass Recycling mineralischer Baustoffe zu forcieren, um die Importabhängigkeit zu senken. Bei Baustoffen, die regional produziert würden, gebe es keine großen Schwankungen.
Dramatischer Containermangel in Europa
„Die Blockade im Suez-Kanal hat ihr Übriges getan“, nennt Robert Momberg, Chef des Bauindustrieverbandes Ost, ein weiteres Übel. Der Stau von 400 Schiffen durch den gestrandeten Frachter „Ever Given“ habe den Containermangel in Europa noch verstärkt. Einen Kostentreiber verschweigt er: Der Bau in Deutschland boomt. Mit 143 Milliarden Euro hat die Branche 2020 ein Umsatzplus von sechs Prozent erzielt – 77 Prozent mehr als vor zehn Jahren.

Die gesamte Gemengelage treibt in Sachsen auch die Preise für Wohngebäude, wie das Statistische Landesamt in Kamenz meldet: im Februar im Schnitt um fast vier Prozent gegenüber der gleichen Vorjahreszeit. Dort schlagen auch höhere Sprit- und Frachtkosten und der auf 12,85 Euro gestiegene Branchenmindestlohn zu Buche, nach dem Bauleute im Osten meistens bezahlt werden.
Extrem wird es bei großen öffentlichen Aufträgen wie der Sanierung des Beyerbaus der TU Dresden. Dort erneuert die Bau Dresden Gruna GmbH die Dachkonstruktion. Firmenchef Thomas Dietrich geht mittlerweile von einer Kostensteigerung für das benötigte Holzmaterial von 100.000 Euro gegenüber den einst kalkulierten Preisen aus. „Das ist alles andere als lustig“, sagt er.
Kostenrisiko liegt einseitig bei den Firmen
Die frühere Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) mit rund 100 Beschäftigten bedient mit Maurern, Putzern, Gerüst-, Tief- und Trockenbauern und Zimmerern alle Gewerke und bekommt die Preishatz überall zu spüren: vom Fliesenverlegen in der neuen Schwimmhalle in Prohlis bis hin zum Anbau von Aufzügen an Elfgeschossern in Dresden-Johannstadt.

Problematisch werde es, wenn die Unternehmen die Mehrkosten zur Kalkulation nicht weitergeben können, sagt Robert Momberg, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Ost. Die Interessenvertretung von 260 größeren Unternehmen mit 20.000 Beschäftigten in Sachsen, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt verlangt, das Kostenrisiko nicht einseitig auf die Firmen zu verlagern und sogenannte Stoffpreisgleitklauseln.
Keine Entwarnung - im Gegenteil
Ein Adressat der Forderung der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), der jährlich im Schnitt 27.000 Einzelaufträge im Landes-, Bundes-, Hochschulbau und für Dritte vergibt – an die günstigsten Bieter. 2020 wurden 577 Millionen Euro investiert. Zehn-Jahres-Rekord. SIB-Sprecher Alwin-Rainer Zipfl bestätigt „unerwartete Preisaufschläge“ auch beim Neubau der Justizvollzugsanstalt Zwickau. Demnach steigen die Baukosten auf Sachsens größter Baustelle von zuletzt 174 Millionen Euro auf derzeit 235 Millionen Euro an. Bei den meisten laufenden Baustellen „beginnt der Preisanstieg gerade erst“, so der Sprecher. Er versichert, dass „dafür Regelungen gesucht werden“.
Entwarnung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Sachsens größter Baustoffhändler, die Saxonia Baustoff GmbH in Dresden, schwört seine Kunden auf „eine Verschärfung der Lieferprobleme“ ein und teilt ihnen mit, dass „es bei einigen Sortimenten derzeit sogar einen Ausverkauf der Ware gibt“. Von Preiserhöhungen der Zulieferer „weit über das uns bekannte Maß“ ist die Rede. Die Entwicklung zwinge dazu, „dass wir Ihnen in einigen Bereichen nur noch Tagespreise anbieten können“, schreibt Saxonia, das zum Branchenprimus Stark Deutschland GmbH gehört. Da klingt der Wunsch am Ende des Schreibens bei manchem seiner Firmenkunden wie Hohn: „Bleiben Sie gesund!“