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Bosch will neues Entwicklungszentrum in Dresden bauen

Die große Nachfrage nach Chips beflügelt den Bosch-Konzern. Auch in Sachsen wird deshalb weiter ins Halbleiter-Geschäft investiert. Was entstehen soll und wie viele Arbeitsplätze das bringt.

Von Georg Moeritz
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Vor einem Jahr ist die Bosch-Mikrochipfabrik in Dresden eröffnet worden. Nun bekommt sie Anbauten an beiden Seiten.
Vor einem Jahr ist die Bosch-Mikrochipfabrik in Dresden eröffnet worden. Nun bekommt sie Anbauten an beiden Seiten. ©  dpa/Robert Michael (Archiv)

Dresden. Die Mikrochipfabrik des Bosch-Konzerns in Dresden ist noch längst nicht vollständig im Betrieb – doch Konzernchef Stefan Hartung kündigte am Mittwoch zwei Erweiterungen an. Ein Entwicklungszentrum für 100 Spezialisten wird auf den bisherigen Parkplatz gebaut. Der Reinraum zur Mikrochip-Produktion wird außerdem um ein Drittel vergrößert, auf dann 13.000 Quadratmeter.

Bosch will in Dresden im kommenden Jahr 250 Millionen Euro in den Ausbau investieren. 55 Millionen Euro kostet das Entwicklungszentrum. Zur Zahl der Arbeitsplätze machte Hartung allerdings keine neuen Zusagen: Das Halbleiterwerk beschäftigt derzeit 350 Menschen, am Jahresende sollen es 410 sein.

Wenn die Fabrik in einigen Jahren voll ausgelastet ist, soll sie 700 Mitarbeiter haben. Zum Vergleich: Bei Globalfoundries und Infineon in Dresden arbeiten jeweils rund 3.300 Beschäftigte. Die Produktion der Mikrochips bei Bosch in Dresden läuft vollautomatisch. Sie war vor gut einem Jahr eröffnet worden und wird nun nach und nach hochgefahren.

Erste Chips für Akkuschrauber, künftig für Autos

Die ersten Chips wurden in Akku-Schrauber eingebaut. Ähnliche Elektrowerkzeuge produziert auch das Bosch-Werk in Sebnitz mit rund 400 Beschäftigten: Es ist auf Bohrhämmer und Winkelschleifer spezialisiert. Dort sind laut Bosch derzeit keine Änderungen geplant, allerdings wurden Aufträge aus der Produktion in Russland nach Sebnitz verlagert.

Künftig wird das Dresdner Bosch-Werk fast ausschließlich Mikrochips für die Autoindustrie produzieren, das war auch bisher schon geplant. Die Autobranche klagt seit Monaten über Nachschubmangel bei Halbleitern. „Wir drücken aufs Tempo angesichts der Lieferengpässe“, sagte der Konzernchef. Bosch ist stolz darauf, als Autozulieferer selbst Mikrochips zu produzieren. Hartung sagte, selbst wenn sich die Weltnachfrage bald abschwächen sollte, wären nicht überall zu viele Halbleiter vorhanden. In der Autobranche gebe es einen "Riesen-Nachholbedarf".

Hartung will in Dresden auch eine neue Technologie vorantreiben: Erstmals sollen mikromechanische Systeme (Mems) auf Siliziumscheiben mit 300 Millimeter Durchmesser gefertigt werden. Das sind Verbindungen von Mikrochips mit Sensoren, die beispielsweise Projektionen in Brillen ermöglichen. Die neuartigen Sensorverbindungen sollen ab 2026 in Dresden produziert werden. Bosch hatte im Frühjahr das Dresdner Unternehmen Arioso Systems übernommen, das sich mit Mems-Mikrolautsprechern beschäftigt. Arioso ist eine Ausgründung aus dem Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme, mit dem Bosch eng zusammenarbeitet.

Bosch investiert auch in sein Werk in Reutlingen bei Stuttgart sowie in ein Testzentrum für Halbleiter in Malaysia. In Reutlingen wächst die Reinraumfläche von 35.000 Quadratmetern auf mehr als 44.000 Quadratmeter. Dort produziert Bosch allerdings auf kleineren Scheiben, nicht auf der Dresdner Größe mit 300 Millimetern Durchmesser.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, links), sieht gemeinsam mit Bosch-Konzernchef Stefan Hartung vor der Dresdner Chipfabrik ein Fahrzeug mit viel Bosch-Elektronik an.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, links), sieht gemeinsam mit Bosch-Konzernchef Stefan Hartung vor der Dresdner Chipfabrik ein Fahrzeug mit viel Bosch-Elektronik an. © dpa

Kretschmer: Sachsen spricht mit weiteren Investoren

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, Bosch sei in Dresden „an der Kante des technisch Machbaren aktiv“. Sachsen sei mit weiteren Investoren im Gespräch, die den Standort weiter stärken würden. Der US-Konzern Intel hatte im März angekündigt, eine Mikrochipfabrik bei Magdeburg zu bauen. Im Raum Dresden gab es keine ausreichend große Fläche dafür.

Der Branchenverband Silicon Saxony in Dresden lobte die neue Bosch-Investition als Beleg dafür, dass die angekündigten neuen Subventionen der Europäischen Union zum Ausbau der Halbleiter-Industrie wirken. Bosch will im Rahmen des EU-Förderprogramms Ipcei bis 2026 drei Milliarden Euro in seine Halbleitersparte investieren. "Für uns steckt in den kleinsten Bauteilen großes Geschäft", sagte Hartung.

Zum Anteil der Fördergelder an der Investitionssumme wurden keine Zahlen genannt. Weltweit erhielten alle Chipwerke eine Förderung, betonte Hartung. Ohne Förderung wäre das Werk in Dresden so nicht entstanden.

In Dresden hat Bosch eine Milliarde Euro investiert

Bosch hatte in Dresden 2021 seine bis dahin größte Einzelinvestition realisiert: In das Werk floss rund eine Milliarde Euro, davon nach früheren Angaben mindestens 140 Millionen Euro Subventionen. Die jetzt 350 Mitarbeiter stammen aus 20 Ländern. Manche kamen auch aus dem Werk Reutlingen oder aus den Nachbarbetrieben in Dresden - im Durchschnitt haben sie neun Jahre Branchen-Erfahrung, sagte Personalleiterin Rebecca Anders.

"Sachsen war und ist bei der Halbleiterproduktion weit vorn, weil es hier eine Art Ökosystem gab. Die Investitionen von Bund und Land in den Standort geschahen nicht irgendwo im luftleeren Raum, sondern fügten sich in ein bestehendes Netz ein", sagte Ministerpräsident Kretschmer. Bosch setze ein wichtiges Zeichen für den Mikroelektronik-Standort Sachsen. "Silicon Saxony will als führender Halbleiterstandort in Europa weiter wachsen. Es ist wichtig, die Produktionskapazitäten in Sachsen, Deutschland und in ganz Europa auszubauen, um damit unabhängiger vom Weltmarkt agieren zu können."

Blick in den Reinraum, in dem Bosch in Dresden Mikrochips produziert. Das gelbe Licht schützt bestimmte Lacke.
Blick in den Reinraum, in dem Bosch in Dresden Mikrochips produziert. Das gelbe Licht schützt bestimmte Lacke. © dpa/Robert Michael

Silicon Saxony: Dresden wird für Toptalente attraktiv

Nach Einschätzung des Branchenverbandes Silicon Saxony wird das neue Entwicklungszentrum in Dresden mit rund 100 Beschäftigten den Standort für Toptalente aus aller Welt attraktiv machen.

Mit seinen Investitionen in die Mikroelektronik will Bosch nach eigenem Bekunden neue Innovationsfelder erschließen. Dazu gehören Systems-on-Chip. Sie ermöglichen unter anderem Radarsensoren, wie sie für die 360-Grad-Umfelderfassung eines Fahrzeugs etwa beim automatisierten Fahren gebraucht werden.

Bosch will neue Chips für Elektromobilität entwickeln

Ein weiterer Schwerpunkt für Bosch seien neue Halbleiter-Technologien. In Reutlingen fertige das Unternehmen seit Ende 2021 Siliziumkarbid-Chips (SiC) in Serie, die in der Elektronik von Elektro- und Hybridautos zum Einsatz kommen. "Mithilfe dieser Chips konnte das Unternehmen die Reichweite von Elektroautos bereits um bis zu sechs Prozent steigern", hieß es. Die Nachfrage nach SiC-Chips sei hoch, die Auftragsbücher voll.

"Wir prüfen die Entwicklung von Chips für die Elektromobilität auf Basis von Gallium-Nitrid, wie sie bereits in Ladegeräten von Laptops und Smartphones stecken", sagte Hartung. Für den Einsatz in Fahrzeugen müssten diese Chips robuster werden und deutlich höhere Spannungen als bislang aushalten.

Nach Angaben von Hartung hat Bosch im vergangenen Jahr rund 6,1 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben - knapp acht Prozent des Umsatzes. In diesem Jahr sollen es fast sieben Milliarden Euro sein. Inzwischen seien 78.000 Beschäftigte im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt, davon jeder zweite in der Software-Entwicklung.

Hartung ordnete die Dresdner Investition in das geplante Förderprogramm "European Chips Act" ein, über das in Brüssel derzeit verhandelt wird. Damit soll der Anteil Europas an der weltweiten Chip-Produktion auf 20 Prozent mehr als verdoppelt werden. Der Bosch-Chef sprach von einem "super-ambitionierten Ziel". Denn anderswo auf der Welt wachse die Produktion ebenfalls. (mit dpa)