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Die erfolgreichste Gründerin in Sachsen kommt aus Pirna

Hotelgewerbe, Textil und Frisörgewerbe – aus diesen drei Branchen kommen die diesjährigen Gewinnerinnen des Sächsischen Gründerinnenpreises.

Von Nora Miethke
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Die Gewinnerinnen des Sächsischen Gründerinnenpreises 2022: Sara Linke (Kategorie Wachstumsunternehmen), Juliette Beke (Nachhaltigkeitspreis) und Annette Katrin Seidel (Kategorie Neugründung).
Die Gewinnerinnen des Sächsischen Gründerinnenpreises 2022: Sara Linke (Kategorie Wachstumsunternehmen), Juliette Beke (Nachhaltigkeitspreis) und Annette Katrin Seidel (Kategorie Neugründung). © kairospress

Pirna. Annette Katrin Seidel konnte es nicht fassen, als sie auf die Bühne gerufen wurde. Die Inhaberin des Designhotels Laurichshof in Pirna wurde am Samstag mit dem Sächsischen Gründerinnenpreis 2022 in der Kategorie Neugründung ausgezeichnet. 2019, ein Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, startete Seidel ihr innovatives Konzept der Verbindung von Tourismus und Einkaufserlebnis.

Ihre Gäste können von Designermöbeln bis zur Fliese die gesamte Einrichtung oder Teile davon sozusagen mit nach Hause nehmen. Die 27 verschiedenen Suiten entführen dabei in verschiedene eingerichtete Traumwelten mit Namen wie „Blueberry Fields“, „Schachmatt“ oder „Waldmannsheim“.

Die Gewinnerin Annette Katrin Seidel (Kategorie Neugründung) mit Familie am Samstag nach der Preisverleihung in Leipzig.
Die Gewinnerin Annette Katrin Seidel (Kategorie Neugründung) mit Familie am Samstag nach der Preisverleihung in Leipzig. © kairospress

Sie hat sich für den Preis beworben, auch um zu zeigen, „dass man in jedem Alter noch einmal etwas ausprobieren kann und kämpfen sollte“, sagt 56-Jährige Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Sie führt seit 30 Jahren die Finanzen im Architekturunternehmen ihres Mannes. Vor acht Jahren entstand die Idee, einen Ort zu schaffen, wo sie ihre ganze Kreativität und Leidenschaft für Design ausleben und zeigen kann.

Zwei Jahre lang kämpfte Seidel mit den Banken um eine Finanzierung. Das Hotel ist ein Neubau auf dem Grundstück ihrer Großmutter. 2019 eröffnete es und musste schon wenige Monate später wieder schließen wegen des Lockdowns in der Corona-Pandemie. Seitdem erleben die Hotelchefin und ihr 18-köpfiges Team ein ständiges Auf und Ab.

Zuletzt löste der Waldbrand in der Sächsischen Schweiz „einen Schock“ aus. Obwohl Pirna nicht betroffen war, waren innerhalb eines Tages alle Buchungen storniert. „Aber wir haben uns wieder gefangen“, sagt Seidel.

Ein Grund für den Preis dürfte auch ihre Unternehmenskultur sein. Mit flachen Hierarchien und einer hohen Eigenverantwortlichkeit sowie Selbstrealisierung haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich und ihre Ideen einzubringen. In den Corona-bedingten Stillstandsphasen schrieb Annette Katrin Seidel private Briefe an ihr Team, schaffte Zusammenhalt, damit niemand absprang. Mit Erfolg, nach jeder Wiedereröffnung schnellten die Buchungszahlen aus der ganzen Welt – von Amerika über Italien bis nach Tschechien – nach oben.

Preis für Wachstumsunternehmen an Sara Linke GmbH

In der Kategorie Wachstumsunternehmen ging der Preis an Textilunternehmerin Sara Linke mit der Sara Linke GmbH aus Hohenstein-Ernstthal. Im Jahr 2020 und damit mitten in der Corona-Pandemie hat die Modedesignerin das marode Textilunternehmen samt den zwölf Mitarbeitenden übernommen und saniert.

Innerhalb von vier Wochen musste sich die Modedesignerin entscheiden, eine gute Festanstellung aufzugeben und ein Konzept für die Bank zu stricken. Mittlerweile ist die Anzahl der Mitarbeitenden auf 20 gestiegen, sie bildet vier Lehrlinge aus und fertigt Bekleidung mit regional beschafften Stoffen, kurzen Wegen und einem verträglicheren CO2-Fußabdruck.

Mit einem familiären Personalkonzept, flexiblen Arbeitszeiten, unbefristeten Arbeitsverträgen und der Möglichkeit zum Homeoffice bietet sie ihren Mitarbeitenden gute Arbeitsbedingungen. Sara Linke hat das Ziel, ihr Unternehmen zu einem Leuchtturmunternehmen in ihrer Region zu machen und so die Textil-Tradition im Erzgebirge am Leben zu halten.

Der Preise unterstütze sie darin, diese Vision zu verfolgen, betonte Linke. Sie dankte vor allem ihrem Team, das am Samstag eine Sonderschicht fahren musste, „denn es geht auch mal was schief“, so Linke.

Modedesignerin Sara Linke, Inhaberin der Sara Linke GmbH, freut sich über den Preis für das beste Wachstumsunternehmen.
Modedesignerin Sara Linke, Inhaberin der Sara Linke GmbH, freut sich über den Preis für das beste Wachstumsunternehmen. © kairospress

Den Nachhaltigkeitspreis erhielt Juliette Beke für ihr Unternehmen „Juliette Beke gesunde Haare – zero Waste“ Sie führt in Dresden deutschlandweit den ersten müll- und plastikfreien Frisör- und Kosmetiksalon. Zur Verwendung kommen biozertifizierte, nachhaltige und plastikfreie Rohstoffe, die in Großgebinden geliefert werden.

Juliette Beke stellt vom Shampoo über die Haarfarbe bis zum Haarspray alles selbst aus natürlichen Rohstoffen her, sodass die Produkte sogar zum Verzehr geeignet wären. Organische Abfälle werden in einer Wurmkiste wieder zu Erde verarbeitet.

Zukünftig möchte sie noch mehr Dienstleistungen in ihrem eigenen Salon anbieten, aber auch ihr Wissen im Rahmen eines Coaching-Programms anderen Frisörinnen und Frisören zur Verfügung stellen.

Juliette Beke, Gewinnerin des Nachhaltigkeitspreises, ist mit der Resonanz für ihren ersten müllfreien, nachhaltigen Friseursalon zufrieden.
Juliette Beke, Gewinnerin des Nachhaltigkeitspreises, ist mit der Resonanz für ihren ersten müllfreien, nachhaltigen Friseursalon zufrieden. © kairospress

Mit der Resonanz ist sie sehr zufrieden. „Die Kunden und Kundinnen wollen die Vision mit uns leben und sind daran interessiert, was sie zu Hause für sich umsetzen können“, berichtet Beke. Jede Woche kommen rund fünf Neukunden dazu und die typische Kundin gebe es nicht.

Von der Schülerin über die Drogeriemitarbeiterin und Professorin bis zum Kfz-Meister sei alles dabei. Und das Konzept trägt sich auch wirtschaftlich. „Nach dem ersten Geschäftsjahr eine schwarze Null, ist genial, sagt mein Steuerberater“, sagt Beke und lacht.

Neue Förderrichtlinie soll Frauen im Erwerbsleben unterstützen.

Während die Anzahl an Gründungen inmitten der Corona-Pandemie insgesamt nach unten gegangen seien, „war der Rückgang bei Gründerinnen weit geringer aus als bei den Gründern“, betonte Gleichstellungsministerin Katja Meier. Die Grünen-Politikerin vermutet den Grund dafür in einer höheren Resilienz und der Fähigkeit, sich schneller auf Krisenbedingungen einstellen zu können.

In diesem Jahr haben sich 68 Unternehmerinnen unterschiedlichster Sparten beworben. Der Sächsische Gründerinnenpreis wurde in zwei Kategorien vergeben - in der Kategorie Neugründung für eine Unternehmerin, die erst weniger als drei Jahre am Markt ist, und einmal in der Kategorie Wachstumsunternehmen für eine Gründerin, deren Unternehmen bereits länger als drei Jahre am Markt besteht.

Mit dem zusätzlich vergebenen Nachhaltigkeitspreis werden Geschäftsmodelle ausgezeichnet, die die soziale und ökologische Transformation vorantreiben. Alle Preise sind mit 5.000 Euro dotiert.

Sachsens Gleichstellungsministerin Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) während der Verleihung des Sächsischen Gründerinnenpreises 2022.
Sachsens Gleichstellungsministerin Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) während der Verleihung des Sächsischen Gründerinnenpreises 2022. © kairospress

Das im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Interesse an der Preisverleihung sei eine Bestätigung dafür, dass moderne Gleichstellungspolitik mehr Frauen zu einer Unternehmensgründung ermutigen kann, so Meier. Dennoch würden im Freistaat Sachsen nur ein Viertel aller Neugründungen von Frauen ausgehen. „Da muss unsere Politik ansetzen. Wir dürfen das Potential der Frauen in Sachsen nicht liegenlassen“, betonte die Ministerin.

Konkret unterstützen will ihr Ministerium mit einer neuen Förderrichtlinie „Gleichstellung im Erwerbsleben“, die kürzlich in Kraft getreten ist. Ziel der Förderrichtlinie ist ein Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, der Abbau von Geschlechterstereotypen bei der Berufswahl und das eben auch explizit Gründerinnen gefördert werden sollen.

Gefördert werden verschiedene Vorhaben, die Frauen dabei unterstützen sollen, ihre Potentiale bei der Beteiligung am Erwerbsleben oder der unternehmerischen Tätigkeit noch besser auszuschöpfen. Geld kann es geben für Netzwerkarbeit, Kinderbetreuung beim Wiedereinstieg von Müttern und insbesondere Alleinerziehenden ins Berufsleben.

Gründerinnen können sich einen Unternehmerinnenlohn und Coaching-Angebote fördern lassen. Auch die unternehmerische Tätigkeit von Migrantinnen soll unterstützt werden. Für die Förderung stehen bis Jahresende 2027 insgesamt ca. 27 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes zur Verfügung.

Nähere Informationen zum Sächsischen Gründerinnenpreis sind über den Internetauftritt www.gruenderinnenpreis.sachsen.de abrufbar.