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Sachsen sucht die Super-Unternehmer

Der Wettbewerb um „Sachsens Unternehmer des Jahres“ startet. Gesucht werden auch das beste Start-up und der/die beste Ressourcenmanager/in.

Von Michael Rothe
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Die Träumende: der Preis für den besten Unternehmer in Sachsen.
Die Träumende: der Preis für den besten Unternehmer in Sachsen. © Claudia Jacquemin

Dresden. Wer „Nachhaltigkeit“ googelt, landet „ungefähr 147 Millionen Ergebnisse“. Das ist etwa die Hälfte Treffer mehr als bei der Poplegende ABBA, die nach 40 Jahren gerade Auferstehung feiert.

Doch was ist das, wovon alle Welt redet und schreibt – und was Maxime von immer mehr Menschen und Unternehmen wird? Und dem sich auch „Sachsens Unternehmer des Jahres“ widmet. Der Wettbewerb um „Die Träumende“, eine vergoldete Bronzeskulptur von Malgorzata Chodakowska, startet am Freitag in die 17. Saison. In der Sonderkategorie „FokusX“ wird der/die beste Ressourcenmanager/in gesucht.

Erfunden hat’s mal wieder ein Sachse. Zumindest prägte Hans Carl von Carlowitz den Begriff der Nachhaltigkeit. Der Oberberghauptmann vom Gutsbezirk Oberrabenstein bei Chemnitz warb 1713 im Buch „Sylvicultura oeconomica“ als Erster für nachhaltende Waldnutzung und gilt international als Wortschöpfer. Jedoch hatten italienische Benediktinermönche schon drei Jahrhunderte zuvor in den Wäldern der Toskana Kahlschläge vermieden und Bäume nachgepflanzt.

„Carlowitz forderte bereits vor über 300 Jahren ein auf die Zukunft gerichtetes Handeln, die Übernahme von Verantwortung für künftige Generationen und ein florierendes Gemeinwesen“, würdigte Sachsens Umwelt- und Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) 2018 den Öko-Pionier. Schmidt, heute für Regionalentwicklung zuständig, hatte damals die erweiterte Nachhaltigkeitsstrategie des Freistaats vorgestellt. Laut Umweltbundesamt haben sich Sachsens Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 fast halbiert, der zweithöchste Rückgang nach Thüringen. Ein Ökotrip oder nur Folge der Deindustrialisierung nach der Wende? Tatsächlich war der Wert im Jahr 2000 noch besser.

Wachspapier statt Plastiktüte. Altes Wissen kehrt zurück.
Wachspapier statt Plastiktüte. Altes Wissen kehrt zurück. © dpa

Der Wald ist nicht genug – und das Thema ernster als die gleichnamige Komödie mit Otto Waalkes. So ernst, dass die Vereinten Nationen 1983 eine Weltkommission unter Leitung von Norwegens Ex-Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland einsetzten. Ihr Abschlussbericht nennt Nachhaltigkeit 1987 „Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“. Seitdem gewinnt der schonende Umgang mit Ressourcen über das grüne Spektrum hinaus an Bedeutung. 2015 verabschiedete die Uno die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Das Papier legt 17 Ziele in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt fest – darunter neben Klimaschutz auch Wirtschaftswachstum, menschenwürdige Arbeit sowie die Bekämpfung von Hunger und Armut.

Deutschland bekennt sich zu jener Agenda, die Bundesregierung hat 63 ergänzende Ziele beschlossen. Mancher kritisiert die scheinbar ausufernde „Gummi-Definition“. Doch für das Gros der Experten ist diese Vielseitigkeit unverzichtbar. Der Druck auf die Entscheider wächst, „Fridays for Future“ lässt grüßen. Nicht zuletzt haben der derzeitige Mangel an Holz und anderen Materialien sowie explodierende Energiekosten den Handlungsbedarf für mehr Nachhaltigkeit untermauert. Die Pandemie wirkt auch dort wie ein Katalysator.

Außerdem gibt es ein Umdenken bei der Kundschaft, klopft das Megathema durch deren Verzicht und Achtsamkeit an die Ladentür. Laut einer Umfrage der Initiative Digitale Handelskommunikation verhalten sich vier von fünf Kunden nachhaltiger als früher, und 81 Prozent fordern das auch von Herstellern und Handel. Kriterien wie weniger Müll und Regionalität sind demnach beim Lebensmittelkauf wichtiger als der Preis. Bei Kleidung, Schuhen, modischen Accessoires und Unterhaltungselektronik ist bei jungen Onlineshoppern der Anteil derer, die auf Nachhaltigkeit achten, 2021 um rund zehn Prozentpunkte gestiegen – innerhalb eines Jahres. Das belegt eine Studie der Postbank.

Nicht schön, aber nötig: Müllsammeln.
Nicht schön, aber nötig: Müllsammeln. © imago

Neue Geschäftsmodelle tragen dem Wandel im Klima und in den Köpfen Rechnung. Auch in Sachsens kleinteiliger Wirtschaft gibt es Initiativen, fühlen sich viele der dort fast 190.000 Unternehmen der Nachhaltigkeit verpflichtet. Dabei ist Engagement keine Frage der Größe, 87 Prozent der Firmen im Freistaat setzen weniger als 500.000 Euro im Jahr um.

Im Oktober wurde Franziska Klee Sachsens Gründerinnenpreis in der Kategorie Nachhaltigkeit verliehen. Ihre Leipziger Taschenmanufaktur setzt die Idee von Slow Fashion um, nachhaltiger und fairer Mode. Ähnlich minimalistisch und langlebig sind Rucksäcke und Tote Bags des Ateliers Nómada, das vor fünf Jahren in Chile gegründet wurde und 2017 nach Dresden umzog.

Unlängst hatte die Wirtschaftsförderung Sachsen bei der „Designblok“, Europas größter Design- und Modemesse in Prag, einen Gemeinschaftstand von Kreativen organisiert. Darunter Adressen wie Silbaerg aus Chemnitz mit ihren revolutionären Snowboards aus Faserverbundstoffen. Oder die Dresdner Manufaktur Toff & Zürpel, die handgemachte Bienenwachstücher herstellt – als wiederverwendbare Alternative für Frischhalte- und Aluminiumfolien.

Ihre Botschaft ist nachhaltig, das Thema allgegenwärtig – bis hin zur Geldanlage in solche Fonds. Auch der Maschinen- und Anlagenbau sieht sich nicht als Teil des Problems, sondern der Lösung. 86 Prozent der von Industriestaaten verursachten Emissionen könnten mit Technologien vermieden werden, die in dieser Branche entwickelt werden, verkündet der Verband VDMA.

Nachhaltigkeit hat auch etwas mit fairen Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen zu tun.
Nachhaltigkeit hat auch etwas mit fairen Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen zu tun. © imago

Firmen, wie die WEA Wärme- und Energieanlagenbau GmbH in Sebnitz, leisten ihren Beitrag mit 50 geleasten Elektro-Smarts, die das Unternehmen den Beschäftigten als Dienstwagen, aber auch für Privatfahrten zur Verfügung stellt. Die Stempel- und Schilderfabrik Rudolf Schmorrde in Löbau hat sich als erster klimaneutraler Betrieb der Sparte in Deutschland zertifizieren lassen. Und der Salon der Dresdner Friseurmeisterin Juliette Beke mischt Haarspray, Gel, Shampoo selbst und achtet zudem auf „Zero Waste“, kaum Müll. Das Görlitzer Start-up Nevi GmbH fertigt aus dem nachwachsenden Rohstoff Birkenrinde wasserabweisendes Furnier für Duschen und Saunen. Und der Dresdner Klassenfahrten-Veranstalter Herolé hat Reisen zum Thema Nachhaltigkeit im Programm – als erster und einziger Anbieter.

Ressourcenschonung kann auch ganz einfach sein: ausgefallene Werbekampagnen, Müllsammeln mit Kollegen, elektronischer Fuhrpark. Und das papierlose Büro spart neben Material auch Zeit.

Die Sonderkategorie „FokusX“ im Rahmen von Sachsens Unternehmerpreis sucht tolle Lösungen und würdigt ihre Schöpfer. Walter Stuber und Dirk Eckart, innovative Chefs des Spezialgerüstbauers Gemeinhardt Gerüstbau, hatten sich schon mehrfach um „Die Träumende“ beworben. Die Roßweiner wollen erneut dabei sein, und sie haben nachhaltige Argumente. Im Frühjahr pachteten die verrückten Visionäre, wie sie sich nennen, ein Gelände für eine Streuobstwiese. Dort ließen sie jeden ihrer zehn Azubis einen Baum mit einer alten Obstsorte pflanzen. Und Anfang Oktober machten sie mit einer „Schnippeldisko“ in Leisnigs Kulturbahnhof auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam. Wer bietet mehr? Der Wettbewerb ist eröffnet.

Sachsens bedeutendster Unternehmerpreis

  • Sachsens Unternehmer des Jahres“ wird zum 17. Mal gekürt. Am Wettbewerb sind alle drei großen Tageszeitungen im Freistaat und der MDR beteiligt.
  • Der/die Sieger/in erhält „Die Träumende“ der Bildhauerin Malgorzata Chodakowska. Eine Jury entscheidet, wer die vergoldete Bronzestatue am 13. Mai 2022 in Dresdens Gläserner VW-Manufaktur bekommt. Das Kunstwerk ist 40 Kilo schwer, 1,20 Meter groß, kein Wanderpokal, und gehört dem Sieger beziehungsweise der Siegerin.
  • Bis zum 4. Februar können sich Unternehmer/innen bewerben oder auch vorgeschlagen werden.
  • Teilnahmebedingungen: mindestens zehn Mitarbeiter, 500.000 Euro Jahresumsatz, fünf Jahre aktiv, eigene Anteile am Unternehmen, das mehrheitlich in privater Hand sein muss, Sitz oder Niederlassung in Sachsen.
  • Auszeichnungskriterien: besondere Leistung 2021: z. B. neue oder erhaltene Jobs, Lehrstellen, Innovationen, Akquisitionen, Einsatz für die Region, erfolgreiche Krisenbewältigung.
  • Die Kategorie „FokusX“ würdigt den oder die beste Manager/in in Sachen Nachhaltigkeit. Dabei gibt es keine Mindestgrößen. Der Preis: ein Werbebudget von 60.000 Euro in der Sächsischen Zeitung, der Leipziger Volkszeitung und der Freien Presse.
  • Bewerber für das „Start-up des Jahres“ müssen ihre Firma im Zeitraum 2017-20 gegründet haben, eine tolle Geschäftsidee und einen überzeugenden Businessplan vorlegen.
  • Die Besten präsentieren sich je nach Coronalage bei der Gala und online. Die Zuschauer entscheiden mit. Auch diesem Champion winken Medialeistungen für 60.000 Euro.
  • „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Leipziger Volkszeitung, Freier Presse und MDR Sachsen sowie von Volkswagen Sachsen, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG, LBBW und Gesundheitskasse AOK Plus. (SZ/mr)
  • Bewerbung: www.unternehmerpreis.de