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Leipzigs OB Jung und MP Kretschmer verurteilen Pöbeleien bei Demo

Nach einer verbalen Attacke von Prostestlern auf Ukraine-Flüchtlinge in Leipzig verurteilen OB Jung und MP Kretschmer die Pöbeleien. Die Polizei sieht hingegen keine strafrechtliche Relevanz.

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In Leipzig sind am Montagabend mehrere "Montags-Demonstranten" auf die Straße gegangen, um gegen die aktuelle Energiepolitik zu demonstrieren. Ein Teil hat unterwegs eine Gruppe Ukraine-Flüchtlinge verbal attackiert.
In Leipzig sind am Montagabend mehrere "Montags-Demonstranten" auf die Straße gegangen, um gegen die aktuelle Energiepolitik zu demonstrieren. Ein Teil hat unterwegs eine Gruppe Ukraine-Flüchtlinge verbal attackiert. © B&S/Bernd März

Leipzig. Beim wöchentlichen Protest von Gegnern der derzeitigen Energiepolitik der Bundes- und Landesregierung in Leipzig ist es am Montagabend zu verbalen Übergriffen auf Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gekommen.

Wie auf mehreren Twitter-Videos zu sehen ist, hatten sich am Abend mehrere aus der Ukraine geflüchtete Menschen auf dem Richard-Wagner-Platz spontan mit gelb-blauen Fahnen versammelt, um gegen den Aufzug von etwa 1.500 bis 2.000 Teilnehmern auf dem Leipziger Stadtring zu demonstrieren.

Als die "Energie-Demonstranten" und die kleine Kundgebung von Flüchtlingen in der Innenstadt in Sichtweite aufeinandertrafen, fielen in Richtung der Ukrainer Sätze wie "Ihr Schweine verpisst euch, ihr lebt auf unsere Kosten" oder "Nazis raus!". In Twitter-Videos sind dabei auch mehrere wehende Russland-Fahnen sowie Flaggen mit den Symbolen der rechtsextremen "Freien Sachsen" zu sehen.

Die kleine Gruppe von Ukraine-Flüchtlingen entgegnete den Teilnehmern des Aufzuges mit Sprechchören in ukrainischer Sprache - unter anderem mit dem Satz "Putin ist ein Terrorist". Ein entsprechendes Video des Aufeinandertreffens sorgt noch am Abend in den sozialen Netzwerken für Entsetzen.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) haben Pöbeleien gegen Ukrainer während einer Demonstration am Montagabend in Leipzig verurteilt. Aus einem "seltsamen Gemisch von Rechtsradikalität, Feinden der Demokratie, seltsamer freundschaftlicher Anmutung, Putin zu verstehen, und Reichsbürgern" entlade sich Wut gegenüber Geflüchteten, die er unerträglich finde, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin. Dem müsse man mit Haltung und Klarheit widerstehen und für das Prinzip "Die Würde des Menschen ist unantastbar" gemeinsam einstehen.

Kretschmer nannte die Beschimpfungen bei einer Pressekonferenz in Berlin "unmöglich und nicht akzeptabel". Der übergroße Teil der sächsischen Bevölkerung lebe Solidarität. "Wir sind an so vielen Stellen auf wunderbare Weise Zeugen geworden, wie hier Nächstenliebe praktiziert wird. Von daher verurteilen wir das. Es widert uns an und wir wehren uns dagegen."

Die Polizei hat die Videoaufnahmen nach Angaben eines Sprechers geprüft. Eine strafrechtliche Relevanz der Äußerungen sei nicht ersichtlich. Auch eine Wehrmachtsfahne mit einem Eisernen Kreuz und dem Spruch "Klagt nicht, kämpft", die am Montagabend geschwenkt wurde, erfülle keinen Straftatbestand. Nicht alle Symbole aus der Nazizeit überschritten die Schwelle der Strafbarkeit.

Die Polizei hatte sich mit ihren Beamten auf einen Protest mit bis zu 3.000 Menschen in Leipzig eingestellt. Nach ersten Angaben vor Ort verlief der Protest weitestgehend friedlich und ohne größere Störung. Lediglich vor dem Richard-Wagner-Platz stoppte der Protestzug kurzzeitig aufgrund von mehreren Gegendemonstranten, die sich auf die Straße gesetzt hatten.

Mehr als 1.000 Demonstranten in Magdeburg und Cottbus

Aber auch in weiteren ostdeutschen Städten ist am Montagabend erneut gegen die Sozial- und Energiepolitik der Bundesregierung demonstriert worden. In Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gingen insgesamt mehrere Tausend Menschen auf die Straße, um ihren Unmut über die derzeitige Politik der Bundesregierung auszudrücken.

Rund um Dresden lagen rund 50 Anmeldungen für Demonstrationen vor. In Chemnitz gingen mehr als 1.000 Menschen auf die Straße. Genaue Zahlen zu den Teilnehmern nannte die Polizei am Abend zunächst nicht. Allerdings seien die Proteste weitestgehend ruhig verlaufen, so ein Polizeisprecher der Polizei am Abend. Eine genaue Auswertung stehe aber noch aus.

In Chemnitz trugen einige Teilnehmer der Demonstration der Bewegung "Chemnitz steht auf" Sachsen- oder Russland-Flaggen. Auf einem großen Banner hieß es "Chemnitz steht auf. Wahrheit - Freiheit - Frieden".

Teilnehmer einer Demonstration der Bewegung "Chemnitz steht auf" beteiligen sich an einer Kundgebung in Chemnitz.
Teilnehmer einer Demonstration der Bewegung "Chemnitz steht auf" beteiligen sich an einer Kundgebung in Chemnitz. © Hendrik Schmidt/dpa

Allein in Thüringen gab es in etwa 20 Städten Anmeldungen für Demonstrationen, viele davon im Osten des Landes an der Grenze zu Sachsen. Wegen möglicher spontaner "Spaziergänge" hatte sich die Landespolizei insgesamt auf bis zu 30 Veranstaltungen eingestellt, es wurde mit Gesamtteilnehmerzahlen im vierstelligen Bereich gerechnet.

In der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg fanden zwei Demonstrationen statt, eine davon auf Anmeldung der AfD auf dem Domplatz. Ein Polizeisprecher bezifferte die Teilnehmerzahl auf knapp 1.200 Menschen. In der größten Stadt des Landes, in Halle/Saale, versammelte die "Bewegung Halle" laut einer Polizeisprecherin mehr als 1.000 Unterstützer.

Im brandenburgischen Cottbus hatte erneut der Verein "Zukunft Heimat" zu einer Kundgebung aufgerufen. Der Verein wird vom Verfassungsschutz Brandenburg seit dem Frühjahr 2020 als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung beobachtet. Rund 1.200 Menschen versammelten sich dort.

Am Montag der vergangenen Woche - dem Tag der Deutschen Einheit - gingen allein in Dresden rund 1.500 Menschen auf die Straße. Mehr als 3.000 waren es demnach in den angrenzenden Landkreisen. In den beiden Landkreisen Bautzen und Görlitz sollen über 5.000 Menschen demonstriert haben. Die Proteste erstreckten sich auch bis in kleinere Ortschaften des Freistaates. (SZ mit epd/dpa)