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Dulig will vier Cent als Strompreis für Industrie

Sachsens Regierungsparteien streiten über Subventionen für die Industrie: Grüne und SPD wollen helfen, wo Ministerpräsident Kretschmer Bedenken hat.

Von Georg Moeritz
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Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) fordert wie die Grünen einen Industriestrompreis, der staatlich subventioniert wird.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) fordert wie die Grünen einen Industriestrompreis, der staatlich subventioniert wird. © Archivfoto: Hendrik Schmidt/dpa

Dresden. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) stellt sich beim Thema Industriestrompreis auf die Seite von Energieminister Wolfram Günther (Grüne) und gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Dulig schrieb am Donnerstag in einer Pressemitteilung, er setze sich für einen Industriestrompreis in Höhe von vier Cent pro Kilowattstunde ein.

Sachsens Regierungschef Kretschmer hatte sich auf einer Parteiveranstaltung gegen einen staatlich subventionierten Strompreis für die Industrie ausgesprochen. "Wer soll das bezahlen?", fragte Kretschmer am Mittwoch auf einem Energieforum der CDU-Fraktion in Chemnitz. Dies würde Hunderte Milliarden Euro kosten. Vielmehr sei es falsch gewesen, die letzten Atomkraftwerke abzuschalten. Ein Weiterbetrieb könnte nach Ansicht des sächsischen Ministerpräsidenten den Strompreis dämpfen.

Dulig sagte, einige Aussagen der sächsischen CDU, aber auch des Wirtschaftsverbandes VSW Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft in jüngster Zeit, welche vor der Einführung eines Industriestrompreises warnen, seien "wirtschaftspolitisch unvernünftig und falsch". Sie gefährdeten den Industriestandort Sachsen.

Dulig und Günther nehmen Wacker-Chemie als Beispiel

Der Wirtschaftsminister erinnerte an den hohen Energieverbrauch von Chemie- und Stahlwerken. Wacker Chemie in Nünchritz benötige etwa so viel Strom wie die Großstadt Chemnitz. Solche Unternehmen müssten staatliche Hilfe bekommen, damit sie die Umstellung "weg von Öl auf Gas, hin zu neuen Energieträgern" wirtschaftlich absichern könnten.

Energieminister Günther hatte Ende April im Gespräch mit sächsische.de ähnlich argumentiert. Der Grünen-Minister sagte, er wolle dazu beitragen, „dass wir die Betriebe nach der Transformation noch hier haben“. Nach seinem Eindruck sind sie zur Umstellung auf Ökostrom bereit.

Industrie zahlt wesentlich weniger als Haushaltskunden

Der Grünen-Minister sprach von einem „Transformationsstrompreis“, der vorübergehend während der Zeit der Energiewende helfen soll. Ihm geht es um Industrie mit hohem Stromverbrauch. Auch Betriebe der Kreislaufwirtschaft, etwa Recyclingfirmen, sollen davon profitieren. Beim Besuch der Wacker-Chemiefabrik im November hatte Konzernchef Christian Hartel die Grünen-Minister Robert Habeck und Wolfram Günther darauf hingewiesen, dass Wacker in der westlichen Welt der letzte große Hersteller von Silizium für Solaranlagen sei.

Bei Firmenbesuchen im vorigen Jahr hat Günther erfahren, dass energie-intensive Fabriken rund 15 Cent bezahlen. Das ist zwar wesentlich weniger als der Preis für Haushalte, die derzeit etwa 40 Cent pro Kilowattstunde bezahlen – ab diesem Wert greift die staatliche Preisbremse. Im Wettbewerb etwa mit den USA sei der Industriestrompreis aber zu hoch, könne zur Abwanderung von Betrieben führen oder zumindest Neuansiedlungen verhindern. Stahlwerker hatten im März in Riesa für niedrigere Strompreise demonstriert, unterstützt unter anderem von der Industriegewerkschaft Metall.

Habeck nennt sechs Cent als Ziel für Industriestrom

Das Thema Industriestrompreis wird laut Dulig ein Schwerpunktthema der Wirtschaftsministerkonferenz Mitte Juni sein. Er sagte, der Ausbau erneuerbarer Energien müsse schneller vorangehen, weil viele Industriebetriebe ihre Standorte danach aussuchen würden. "Das ist eine riesige Chance auch für Sachsen!", sagte Dulig. Wer die Modernisierung der Industrie als "Deindustialisierung" schlechtrede, setze die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Sachsen aufs Spiel.

Im Juni vorigen Jahres hatten SPD-Minister Dulig und Grünen-Minister Günther in der Energiekrise Einigkeit demonstriert: Sie traten damals gemeinsam vor die Presse, nachdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die zweite Stufe von drei Stufen des Notfallplans Gas ausgerufen hatte. Die Minister betonten damals, dass Privathaushalte, Krankenhäuser und Lebensmittelhersteller keine Stromabschaltung zu befürchten hätten - aber ausgewählte Industriebetriebe im Notfall. Zu solchen Abschaltungen kam es nicht.

Der Sächsische Handwerkstag forderte, nicht nur der Industrie zu helfen. Geschäftsführer Andreas Brzezinski schrieb in Dresden, er stimme der Forderung nach einem Industriestrompreis zu. Auch die kleinen Unternehmen hätten ein Interesse daran, den Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu halten. Aber auch im Handwerk gebe es energieintensive Betriebe. Es dürfe nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen.

Arbeitgeberpräsident Brückner will niedrige Preise für alle

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat Anfang Mai ein Arbeitspapier für einen Industriestrompreis vorgelegt. Habeck will energieintensive Industrien bis 2030 durch vergünstigte Strompreise schützen – und sie gleichzeitig zur Transformation verpflichten.

Bestimmte Unternehmen sollen bei Börsenstrompreisen über sechs Cent pro Kilowattstunde den Mehrbetrag erstattet bekommen. Die Zuwendungen sollen aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Der Vizekanzler bezifferte die Kosten der Subvention auf 25 bis 30 Milliarden Euro bis zum Jahre 2030.

Die VSW Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft hält das Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums für einen Industriestrompreis für ungeeignet, die Energiepolitik auf eine verlässliche Grundlage zu stellen. Arbeitgeberpräsident Jörg Brückner schrieb am 7. Mai in einer Pressemitteilung, die Strompreise müssten vielmehr "dauerhaft und für alle Verbraucher auf ein international vergleichbares Niveau" gesenkt werden. Stattdessen sollten nach den Habeck-Plänen ausgewählte Betriebe "für die Gnade einer Zuwendung gleich allerlei Wohltaten bereitstellen, von der Klimaneutralität bis hin zur Tarifbindung".

Am Donnerstagnachmittag äußerte sich auch Kathrin Michel, Co-Vorsitzende der SPD Sachsen, mit einer Pressemitteilung zum Industriestrompreis: Die SPD unterstütze die Idee. „Sachsen ist Industrieland und soll es auch bleiben", schrieb Michel. Der klimagerechte Umbau der Wirtschaft weg von Kohle, Öl und Gas erfordere große Anstrengungen von allen. Auf längere Sicht werde der Ausbau Erneuerbarer Energien dabei helfen, die Strompreise wieder zu senken. Kurz- und mittelfristig seien dafür große Investitionen nötig.