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Scholz kündigt weitere Entlastungen für Bürger an

Angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise hat Kanzler Scholz ein weiteres Entlastungspaket angekündigt. Mit sozialen Unruhen aufgrund der Energie-Krise rechnet er nicht.

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Scholz erwartet keine sozialen Unruhen in den kommenden Monaten.
Scholz erwartet keine sozialen Unruhen in den kommenden Monaten. © Michael Kappeler/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich am Donnerstag bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin den Fragen der anwesenden Journalistinnen und Journalisten gestellt.

Dabei kündigte er unter anderem weitere Entlastungen für Bürger und massive Unterstützung für die Ukraine an.

Was genau geplant ist und wie der Kanzler über Touristenvisa für Russen und Gerhard Schröder denkt - ein Überblick.

Weitere Entlastungen für Bürger geplant

Scholz hat weitere Entlastungen der Bürger angesichts der hohen Inflation angekündigt. Man werde über die schon beschlossenen Pakete hinaus weitere Maßnahmen ergreifen müssen, sagte der SPD-Politiker. "Dazu ist die Regierung auch fest entschlossen." Scholz betonte: "Wir werden alles dafür tun, dass die Bürgerinnen und Bürger durch diese schwierige Zeit kommen." Dabei gehe es ihm um diejenigen, "die ganz wenig haben". Deshalb werde die Regierung beim Wohngeld etwas machen und das Bürgergeld einführen.

Zu einem Gesamtpaket werden laut Scholz auch steuerliche Entlastungen gehören. "Der Finanzminister hat seinen Beitrag zu den notwendigen Überlegungen dazu gestern vorgestellt. Ich finde das sehr, sehr hilfreich, weil wir ja ein Gesamtpaket schnüren müssen, das alle Bevölkerungsgruppen umfasst." Dieses Gesamtpaket werde die Regierung vorlegen, "damit niemand allein gelassen wird, niemand vor unlösbare Probleme gestellt wird und keiner die Herausforderungen, die mit den gestiegen Preisen verbunden sind, alleine schultern muss."

Entlastungen laut Scholz ohne Nachtragshaushalt machbar

Scholz sieht dennoch keine Notwendigkeit für einen Nachtragshaushalt in diesem Jahr. "Wir gehen davon aus, dass wir unsere Vorstellungen in dem finanziellen Rahmen bewältigen können, der uns zur Verfügung steht", sagte Scholz am Donnerstag in Berlin. Scholz betonte zudem, der Bund wolle im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten.

Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert, war aber in den vergangenen Jahren wegen der Belastungen infolge der Corona-Pandemie ausgesetzt worden.

In Teilen von SPD und Grünen gibt es Forderungen, die Schuldenbremse angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges und stark gestiegener Energiepreise auch im nächsten Jahr auszusetzen.

Scholz erwartet keine sozialen Unruhen

Mit massiven gesellschaftlichen Verwerfungen rechnet der Kanzler in der aktuellen Krise nicht. Auf die Frage, ob er wegen steigender Energiepreise soziale Unruhen erwarte, antwortete er bei seiner Sommerpressekonferenz: "Nein, ich glaube nicht, dass es in diesem Land zu Unruhen in dieser skizzierten Form kommen wird. Und zwar deshalb, weil Deutschland ein Sozialstaat ist."

Scholz sagte auch, er sehe große Versäumnisse in den vergangenen Jahren in der deutschen Energiepolitik. "Wir arbeiten sämtliche Versäumnisse der letzten Jahre ab, die in dieser Hinsicht wirklich groß waren", so der Kanzler. Es habe zwar gemeinsame Entscheidungen gegeben über Ausstiege aus Kohleverstromung und Atomenergie, aber keine Entscheidungen, die ein großes Tempo für eine industrielle Modernisierung Deutschlands mit sich gebracht hätten. Scholz war als Finanzminister selbst Mitglied der schwarz-roten Vorgängerregierung.

Scholz nannte die industrielle Modernisierung und die Sicherung des Wohlstands Deutschlands das zentrale gemeinsame Reformvorhaben der Ampel-Regierung. Es sei schon eine ganze Reihe von Gesetzespaketen auf den Weg gebracht worden, etwa für einen schnellen Ausbau der Windkraft in Deutschland an Land und auf hoher See.

Mit jeder Windmühle, mit jeder Solaranlage, mit jeder neu in Betrieb genommenen Stromtrasse sinke die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Ressourcen, die aus aller Welt importiert werden müssten, sagte Scholz. Er versprach der Industrie bezahlbare Energie in großer Menge, insbesondere Strom und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen.

Scholz sieht Fortschritte bei Preisdeckel für russisches Öl

Scholz sieht außerde, Fortschritte bei Verhandlungen über einen Preisdeckel für russisches Öl. Das sagte der SPD-Politiker auf die Frage, ob es wahrscheinlicher geworden sei, dass ein solcher Preisdeckel umgesetzt werde. Ein Preisdeckel funktioniere aber nur, wenn dieser global organisiert werde. Es gebe intensive Gespräche darüber, die noch nicht beendet seien.

Beim G7-Gipfel in Elmau Ende Juni hatte Scholz eine Preisobergrenze für russisches Öl als ein sehr ambitioniertes und sehr voraussetzungsvolles Vorhaben bezeichnet.

Planungen sehen vor, Russland dazu zu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Dies könnte funktionieren, indem der Westen Dienstleistungen wie Versicherungen für Öltransporte an die Einhaltung des Preisdeckels knüpft. Mit der Obergrenze soll einerseits dafür gesorgt werden, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert. Anderseits soll sie weltweit zu einer Entspannung auf den Ölmarkten beitragen.

Kanzler hofft auf Pipeline aus Spanien und Portugal

Zur Erschließung neuer Energiequellen will Olaf Scholz sich für den Bau einer Pipeline von Portugal und Spanien über Frankreich nach Mitteleuropa einsetzen. Eine solche Leitung hätte gebaut werden sollen und werde nun vermisst, sagte Scholz . Diese würde jetzt "einen massiven Beitrag zur Entlastung und Entspannung der Versorgungslage" leisten. Er habe deshalb bei seinen Kollegen in Spanien, Portugal und Frankreich sowie bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen "sehr dafür geworben, dass wir zum Beispiel ein solches Projekt anpacken".

Das Projekt MidCat für eine Gaspipeline von Spanien nach Südfrankreich wurde vor einigen Jahren gestoppt, weil es aus damaliger Sicht auch wegen des billigeren Erdgases aus Russland für unwirtschaftlich gehalten wurde. Angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine könnte die Pipeline aber nun dazu beitragen, Europa von russischem Gas unabhängiger zu machen. Es fehlen noch 226 Kilometer von Hostalric in Katalonien über die Pyrenäen bis nach Barbaira in Frankreich, Bauzeit mindestens zwei Jahre. Spanien möchte, dass die EU den Bau finanziert.

Übergewinnsteuer: Scholz verweist auf Ablehnung der FDP

Zur Frage einer möglichen Übergewinnsteuer für Unternehmen mit krisenbedingt hohen Gewinnen hat Scholz bei der Bundespressekonferenz auf die ablehnende Haltung der FDP verwiesen.

Eine Übergewinnsteuer stehe ebenso wie eine höhere Einkommensteuer für Spitzenverdiener nicht im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, machte Scholz am Donnerstag in Berlin deutlich. Eine Übergewinnsteuer wäre zudem technisch sehr herausfordernd. Scholz sagte, die Ampel konzentriere sich auf zusätzliche Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Diese seien finanzierbar.

Viele Politiker der SPD und der Grünen fordern eine Übergewinnsteuer. Die FDP lehnt dies aber ab. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte sich vor kurzem dafür ausgesprochen, einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket mit einer Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Energieunternehmen zu finanzieren.

Es gebe Unternehmen, die durch den russischen Krieg in der Ukraine "massive Gewinne machen, ohne dass sie auch nur einen Handschlag mehr tun", sagte Klingbeil am Montag auf NDR Info. "Deswegen fordere ich, dass wir eine Übergewinnsteuer auch in Deutschland einführen."

Bundeskanzler kündigt weitere massive Unterstützung der Ukraine an

Bei der Sommerpressekonferenz äußerte sich Scholz auch zum Krieg in der Ukraine. Er kündigte weitere massive Unterstützung der Ukraine in deren Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg an. Der Krieg Russlands verlange unverändert, "dass wir weitreichende Entscheidungen treffen, um die Ukraine in ihrem Kampf um Unabhängigkeit zu unterstützen", sagte der SPD-Politiker. Die Regierung tue das durch einen "massiven Bruch mit bisheriger Praxis, indem wir Waffen liefern, sehr, sehr viele, sehr weitreichende, sehr effiziente. Und das werden wir auch die nächste Zeit weiter tun."

Konkret wurde Scholz bei der Frage künftiger Waffenlieferungen zunächst nicht. Er nannte den Krieg die aktuell größte Herausforderung und betonte: "Wir unterstützen die Ukraine finanziell und wir haben uns darauf eingestellt, dass das, was mit diesem Krieg verbunden ist, die ganze Welt berührt, aber selbstverständlich auch Europa und unser Land." Russland müsse einsehen, "dass es nicht hinauslaufen kann auf einen Diktatfrieden, wie er wahrscheinlich am Anfang in den Köpfen des russischen Präsidenten und seiner politischen Führungskräfte gewesen ist". Er betonte: "Das darf nicht klappen und das wird auch nicht klappen, da bin ich ganz sicher."

Auf die Frage, ob er sich dafür einsetzen werde, dass der russische Präsident Wladimir Putin für Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Verantwortung gezogen werde, sagte Scholz, er sei "sehr überzeugt davon, dass wir auch alle Maßnahmen ergreifen müssen, um alle diese Verbrechen aufzuklären". Deutschland helfe mit seinen Möglichkeiten. "Das wird alles aufgeklärt werden. Und wir werden allen Dingen, die wir ganz konkret ermitteln können, nachgehen." Die ukrainischen Behörden würden bei der Aufklärung unterstützt.

Scholz gegen Verbot von Touristenvisa für Russen

Putin trage die Verantwortung für den Krieg, dieser habe mit allen internationalen Vereinbarungen gebrochen. Der Kanzler wiederholte: "Das ist eine Zeitenwende, weil die Verständigung, dass man nicht seinen Nachbar einfach überfällt, weil man in irgendeinem Geschichtsbuch gelesen hat, ein Teil seines Territoriums gehörte besser zu eigenen Land."

Gleichzeitig hat der Kanzler sich aber gegen ein Verbot von Touristenvisa für Russen ausgesprochen. "Das ist Putins Krieg, und deshalb tue ich mich mit diesem Gedanken sehr schwer", sagte Schol.

Er verwies auf die "sehr weitreichenden Sanktionen" gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine. Es würde nach Einschätzung von Scholz die Wirksamkeit der Sanktionen abschwächen, "wenn es sich gegen alle richtete, auch gegen Unschuldige".

Die Regierungen von Estland und Finnland hatten andere europäische Länder zu einem Verbot von Touristenvisa für Russen aufgefordert.

Olaf Scholz kann sich Schröder kaum als Russland-Vermittler vorstellen

Sich seinen Parteikollegen und Ex-Kanzler Gerhard Schröder als Russland-Vermittler vorzustellen, bereitet Scholz Schwierigkeiten.

Auf die Frage, ob Schröder für ihn noch einmal nützlich sein könne, antwortete Scholz am Donnerstag bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin: "Ich wüsste nicht."

Es wäre aber "mal ein verdienstvolles Geschäft", dafür zu sorgen, dass Russland die Einfuhr einer Turbine für die Gasleitung Nord Stream 1 erlaube, merkte Scholz an. Die von Siemens-Energy gewartete Turbine ist derzeit in Deutschland.

Sich seinen Parteikollegen und Ex-Kanzler Gerhard Schröder als Russland-Vermittler vorzustellen, bereitet Scholz Schwierigkeiten.
Sich seinen Parteikollegen und Ex-Kanzler Gerhard Schröder als Russland-Vermittler vorzustellen, bereitet Scholz Schwierigkeiten. © dpa/Kay Nietfeld

Scholz sichert Ländern weiter Handlungsmöglichkeiten gegen Corona zu

Scholz hat den Bundesländern zugesichert, dass sie auch im Herbst und Winter Schutzmaßnahmen im Fall einer verschlechterten Corona-Lage ergreifen können. Der Kanzler verwies bei der Bundespressekonferenz darauf, dass die Bundesregierung einen Vorschlag für "gesetzliche Rahmenbedingungen für Handlungsmöglichkeiten der Länder" vorgestellt habe. Er verwies damit auf ein Anfang August vorgelegtes Schutzkonzept von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP).

Scholz sagte weiter: "Unser Programm ist, dass wir, wenn der Bundestag im September zusammenkommt, diese Gesetze gleich beschließen, so dass es einen unmittelbaren Anschluss für Handlungsmöglichkeiten für den ganzen Winter gibt, wenn die Gesetze, die heute gelten, am 23. September auslaufen." Er versicherte: "Das wird klappen."

Mit den Ländern werde nun weiter über die Vorschläge diskutiert, "um ein gemeinsames Projekt daraus zu machen". Bei den Ländern waren die Vorschläge von Lauterbach und Buschmann auf geteiltes Echo gestoßen.

Keine politische Einflussnahme bei der Warburg Bank laut Kanzler

In der Steueraffäre um die Hamburger Warburg Bank weist der Bundeskanzler bei der Sommerpressekonferenz weiterhin jede Verantwortung zurück. "Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass es eine politische Beeinflussung gegeben hat", sagte Scholz und verwies auf die umfangreichen Untersuchungen der vergangenen zweieinhalb Jahre. "Ich bin sicher, dass diese Erkenntnis nicht mehr geändert werden wird."

Beim sogenannten "Cum-Ex"-Skandal verschoben Finanzakteure Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag in einem vertrackten System so, dass ihnen Steuern erstattet wurden, die sie nie gezahlt hatten. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft will eine mögliche Einflussnahme führender SPD-Politiker auf Steuerentscheidungen zur Warburg Bank klären. Dabei geht es auch um die Frage, welche Rolle Scholz als Hamburger Regierungschef in der Affäre spielte.

Nach Treffen 2016 und 2017 mit den Bank-Gesellschaftern Christian Olearius und Max Warburg im Amtszimmer von Scholz hatte die Finanzverwaltung eine Steuerrückforderung über 47 Millionen Euro gegen die Bank verjähren lassen. Weitere 43 Millionen wurden erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.

Die Treffen sollen unter anderem vom damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs mit angebahnt worden sein. Aus Ermittlungsakten soll hervorgehen, dass in einem Schließfach des SPD-Politikers Kahrs mehr als 200.00 Euro in bar gefunden wurden. Auf die Frage, was er über das Geld wisse, antwortete Scholz am Donnerstag: "Nichts". Über die mögliche Herkunft des Geldes äußerte sich der Kanzler ebenfalls nicht: "Keine Ahnung - ich nehme an, Sie wissen das eher als ich." (dpa)