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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Flüchtlinge: Freistaat überschreitet Budget + Handwerkschef kritisiert Entlastungspläne + Roland Tichys Auftritt in Dresden + Empörung nach Tweet

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Die Bundespolizei greift derzeit viele Flüchtlinge am Dresdner Hauptbahnhof auf. Die Beamten haben dafür bereits Unterstützung aus dem hohen Norden bekommen.
Die Bundespolizei greift derzeit viele Flüchtlinge am Dresdner Hauptbahnhof auf. Die Beamten haben dafür bereits Unterstützung aus dem hohen Norden bekommen. © Deutsche Presse-Agentur GmbH

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Guten Morgen,

wenn ein Dresdner Spitzenpolitiker - naja, so kann man den Chef der CDU-Stadtratsfraktion in der Landeshauptstadt ruhig mal nennen - ausgerechnet einen Reporter, der sich am Rande einer AfD-Großdemonstration gegen heftige Pöbeleien von Teilnehmern zu wehren hat, als "Totengräber des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" diffamiert, ist das mittlerweile ein Vorgang, der unwidersprochen bleibt in der sächsischen Union. Ein ganz normaler Tag in Sachsen. War da was?

Herr Krüger hatte zumindest seinen Tweet am Nachmittag wieder still gelöscht, dafür wurde der Abend in Dresden dann noch skurriler. Hatte sich der Dresdner CDU-Kreisverband noch beeilt zu betonen, dass das von der Mittelstand- und Wirtschaftsunion Dresden beworbene "Expertenforum" keine Partei-Veranstaltung sei, die sich da rund um den – nennen wir es – "einschlägig" bekannten Roland Tichy auf dem Dresdner Messegelände versammelte, sprachen die angebotenen CDU-Materialien samt Kugelschreiber mit Partei-Logo irgendwie eine andere Sprache. Aber macht ja nichts. Thema des Abends: "Wir retten uns vor der Energiewende?" Gerne auch mit einem Leugner des Klimawandels als großem "Experten".

Wenn man dann die frühere sächsische "Grünen-Ikone" Antje Hermenau hört, die an der Seite von Roland Tichy moderiert - mit spöttischer Bemerkung über einen Unternehmer, der sich als CDU-Mitglied outet ("mein Beileid"), sollte vielleicht die sächsische CDU-Spitze spätestens mal überlegen, warum Veranstaltungen unter ihrer "Fahne" so laufen wie sie zunehmend laufen.

Da glänzt der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz mit der persönlichen Erkenntnis, dass man jetzt wieder eine Situation wie 1989 habe. Und natürlich: Die "Medien-Meute" ist sicher auch dafür verantwortlich. Dann der Satz: "Wenn es nicht gelingt, das Meinungsmonopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu brechen, wird man in diesem Land nicht aufwachen." Wir befinden uns also scheinbar wieder in einer vorrevolutionären Phase. Dass der einstige Dresdner TU-Politikprofessor Werner Patzelt - auch ein CDU-Mitglied - den Abend mit seiner ganz persönlichen "Zusammenfassung" noch zu krönen versucht – nun ja. Er hatte vor Jahren am Grundsatz-Programm der sächsischen CDU mitgeschrieben. Jeder braucht eben immer mal wieder eine neue Bühne.

Wenn man sich fragt, warum in Sachsen die Lage so anders ist als fast überall anderswo, dann war dieser Abend - und zwar nur aus diesem Grunde - ein intensives Lehrstück. Um zu zeigen, wieviel und was da alles "verrutscht" ist. Vorhang auf für die "blaue Bühne", garniert mit schwarzen Nebendarstellern, die gerne auch mal soufflieren. Oder, wie ein Teilnehmer aus dem Chat während des Live-Streams schrieb: "Ich danke den Herrn von der AfD".

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen:

Flüchtlinge: Freistaat überschreitet Budget

Die zunehmende Zahl von Flüchtlingen zwingt den Freistaat zu finanziellen Nachbesserungen im laufenden Haushalt. Nach Auskunft des Innenministeriums wurden bis Ende September 58,4 Millionen Euro allein für den Betrieb der staatlichen Aufnahmeeinrichtungen sowie des Ausreisegewahrsams und der Abschiebungshaft ausgegeben. Da der zuvor veranschlagte Jahresetat für den Bereich bei nur 62,2 Millionen Euro liegt, sei "mit einer deutlichen Überschreitung des Haushaltsansatzes 2022 zu rechnen", heißt es auf Anfrage von saechsische.de. Für 2023/2024 stellt sich der Freistaat zudem auf weiter steigende Kosten ein. Auch das Budget für die Kommunen ist bereits überschritten.

Aktuelle Zahlen zeigen derweil, wie stark die Flüchtlingsbewegungen nach Sachsen gestiegen sind. Allein die Bundespolizeiinspektion Dresden greift jeden Tag Dutzende Asylbewerber auf, die mit Zügen aus Tschechien kommen. Im Juli registrierte die Dresdener Inspektion 500 Flüchtlinge, im August waren es bereits 1.200, sagt ein Behördensprecher. Im September schließlich sei die Zahl auf 2.400 gestiegen. Das waren etwa genauso viele wie im gesamten Jahr 2021. Ohne eine Abordnung aus Ratzeburg (Schleswig-Holstein) würden die Dresdner Polizisten den Ansturm derzeit gar nicht schaffen.

Gaspreisbremse: Kritik aus Sachsens Handwerk

Nachdem eine Expertenkommission am Montag einen konkreten Vorschlag für eine Gaspreisbremse vorgelegt hat, kommt Kritik aus der sächsischen Handwerkerschaft. "Der Gaspreisdeckel bringt im ostsächsischen Handwerk wenig Licht und viel Schatten", sagt der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Jörg Dittrich, im Interview mit saechsische.de. Positiv sei die finanzielle Fixierung des Gaspreises im kommenden Jahr. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau steige der Gaspreis aber trotzdem um rund 70 Prozent. "Zudem haben Handwerksbetriebe im Vergleich zur Industrie wieder das Nachsehen und können mit dem Gaspreisdeckel erst ab März 2023 rechnen." Zugleich fordert Dittrich, jetzt alle vorhandenen Energieträger zu nutzen.

In dem Sinne äußert sich auch die CDU-Fraktion im Landtag. "In welchem Umfang für die Unternehmen, beispielsweise im Mittelstand und im Handwerk die Hilfen greifen, ist völlig unklar. Wir erwarten hier schnelle und klare Aussagen der Bundesregierung", heißt es laut Mitteilung. Die Linksfraktion sieht ärmere Menschen durch die Vorschläge benachteiligt. Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) fordert hingegen eine schnelle Prüfung der Vorschläge und praktikable Umsetzung. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) warnt davor, die Gaspreisbremse zu "zerreden".

Nach Tweet: CDU-Fraktionschef in der Kritik

Peter Krüger, Chef der Dresdner CDU-Stadtratsfraktion, hat mit seiner Kritik an der Berichterstattung des RBB-Reporters Olaf Sundermeyer von der Berliner AfD-Demonstration für Empörung gesorgt. "Solche 'Journalisten' sind die Totengräber des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks", twitterte Krüger. Der Deutsche Journalistenverband kritisierte den Dresdner-CDU-Politiker: "Der Fraktionschef der CDU in Dresden beleidigt anscheinend gerne mit, statt die Pressefreiheit zu verteidigen. Schämen Sie sich!" Krüger löschte zwar kurze Zeit später seinen Tweet, allerdings kommentarlos – weder reagierte er auf Kritik, noch bedauerte er sein Statement.


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