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Sachsens Wirtschaft appelliert an Politik: Energiekrise ist noch nicht im Griff

Große Verbände schlagen Alarm: Zahlreiche Betriebe in Sachsen stünden mit dem Rücken an der Wand. Der Dresdner Bäckermeister Michael Wippler war bei Wirtschaftsminister Habeck und hat neue Forderungen.

Von Georg Moeritz
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Sie brauchen Wärme: Dienstleistungsbetriebe wie große Wäschereien sehen sich auch durch die Energiekrise gefährdet.
Sie brauchen Wärme: Dienstleistungsbetriebe wie große Wäschereien sehen sich auch durch die Energiekrise gefährdet. © Symbolfoto: DTV Deutscher Textilreinigungs-Verband

Dresden. Sachsens Wirtschaft hält die Hilfen zur Überbrückung der Energiekrise nicht für ausreichend. Zahlreiche Betriebe im Freistaat stünden weiterhin mit dem Rücken zur Wand und fürchteten um ihre Existenzen, teilten am Mittwoch die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, der Handelsverband, die Dehoga, der Groß- und Außenhandelsverband sowie der Industrieverein Sachsen in einem gemeinsamen Appell mit. Sie fordern weitere Anstrengungen, erkennen allerdings auch "die ersten Schritte" aus der Politik an.

Die sächsischen Wirtschaftsverbände fordern, die Energiesteuern für Firmen "auf das europäische Mindestmaß" zu senken. Die Zahlungen für den Ausstoß von Kohlendioxid sollten bis 2024 wegfallen, auch bei Kohle- und Abfallverbrennung. Dass Gas-Verbraucher seit Anfang dieses Monats nur noch 7 statt 19 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen müssen, helfe zwar in den Wohnungen - aber für die Wirtschaft bringe das keine Entlastung. Vom bislang vorgestellten Gaspreisdeckel profitierten zwar industrielle Großverbraucher, für einen Großteil des Gewerbes hingegen komme er zu spät. Eine Kommission hatte dazu Vorschläge gemacht, die Bundesregierung berät darüber.

Lob für Atomkraft-Verlängerung, Forderung nach mehr

Der Ausbau der Energieerzeugung geht der Wirtschaft nicht schnell genug voran. Die Verbände beklagen erneut, es würden auch nicht alle Kapazitäten genutzt. Zwar gingen Kohlekraftwerke wieder ans Netz, und laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werden drei Atomkraftwerke über den Winter weiterlaufen. Doch Sachsens Wirtschaftskammern fordern "All-in", also alle verfügbaren Kapazitäten ins Stromnetz zu geben. Dafür hatte sich auch Sachsens Handwerkstagspräsident Jörg Dittrich im Interview mit sächsische.de ausgesprochen und weitere Vorschläge gemacht.

Die Wirtschaftsverbände loben in ihrem Papier, dass die Füllstände der deutschen Gasspeicher hoch sind, dass der Streckbetrieb von drei Atomkraftwerken verabredet sei und die Gasbeschaffungsumlage "wieder einkassiert" wurde. Die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern lasse sich aber nicht kurzfristig verwirklichen. Die Preise müssten daher zusätzlich gedeckelt werden, das sei "als flankierende Maßnahme unabdingbar".

Die Wirtschaft kritisiert auch, dass bislang keine konkreten Vorschläge zur Strompreis-Bremse vorlägen, anders als beim Gaspreis. Auch fehlten Hilfsprogramme zum Ausgleich von besonderen Härtefällen bei Unternehmen. Bei Umsatzausfällen wegen Corona hatte der Bund geholfen.

Deutschlands oberster Bäcker Wippler: Härtefallfonds nötig

Der Dresdner Bäckermeister Michael Wippler hat unterdessen in seiner Funktion als Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Härtefallfonds gefordert. Laut Wippler bringen die bisher bekannten Entlastungspakete und der Expertenvorschlag zum Erdgas "keine ausreichenden Entlastungen" für die energieintensiven Bäckereien. Wippler sagte: "Deutschland verliert gerade wertvolle Zeit." Die Bäcker und ihre rund 250.000 Beschäftigten benötigten jetzt eine schnelle Strategie - eine parteiübergreifende.

Der Vorschlag der Kommission zu Hilfen beim Erdgas hat aus Sicht des Bäckerhandwerks Lücken. Nach Angaben des Zentralverbands backen zwar 70 Prozent der Handwerksbäcker mit Gas. Aber auch die anderen sähen sich "enormen Energiekosten ausgesetzt", etwa beim Öl. Gas- und Strompreisbremse müssten nun in einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden.

Die Bäcker fordern, bis Mitte November einen Härtefallfonds einzurichten. Bäcker müssten vor allem dann als Härtefälle anerkannt werden und Zuschüsse bekommen, wenn ihre Energieverträge ausgelaufen seien und sie nun Energie teuer zu kurzfristig hohen Preisen am Spotmarkt kaufen müssten. Alle Betriebe müssten neue Verträge für Strom und Gas erhalten, der Staat müsse dafür einen "Versorgungszwang" anordnen.

Für Gas wollen die Bäcker eine Preisbremse bei fünf Cent pro Kilowattstunde. Nur so könnten "systemrelevante, lebensmittelproduzierende Betriebe" am Markt bestehen. Die Gaspreisentlastung müsse bis mindestens April 2024 andauern. Eine Einmalzahlung vom Staat sei nicht nur für Dezember, sondern auch für Januar und Februar nötig. Wippler betonte, das Bäckerhandwerk fordere seit Monaten Entlastungen, aber konkrete Details habe die Bundesregierung noch nicht genannt.