Was Gaskunden jetzt über die neue Gasumlage wissen müssen

Jetzt steht die mit Spannung erwartete Zahl fest: 2,419 Cent pro Kilowattstunde müssen Gaskunden ab Oktober zusätzlich zahlen. Das hat die Trading Hub Europe (THE), eine Kooperation von rund einem Dutzend Gasnetzbetreibern in Deutschland, auf ihrer Internetseite mitgeteilt. Das eingesammelte Geld soll Extrakosten der Importeure decken, die nach der Drosselung russischer Gaslieferungen kurzfristig und teuer anderweitig Gas beschaffen mussten. Die Energielieferanten reichen die höheren Gasimportkosten an alle Abnehmer weiter. Laut Bundeswirtschaftsministerium soll die Höhe der Umlage in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Erstmals wäre das am 1. Januar 2023 möglich. Sinken die Ersatzbeschaffungskosten, sinkt auch die Umlage. „Sollte Russland seine vertraglich zugesicherten Mengen wieder vollumfänglich erfüllen, wird die Preisanpassung auf null gesetzt“, erklärt das Ministerium. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
- Welche Mehrkosten ergibt das pro Jahr und Haushalt?
- Wann und für wie lange soll die Umlage eingeführt werden?
- Fällt Mehrwertsteuer an oder nicht?
- Ab wann taucht die Umlage auf meiner Rechnung auf?
- Wie genau berechnet sich die Umlage?
- War nicht noch eine weitere Umlage geplant?
- Sind Fernwärmekunden von der Umlage betroffen?
- Wie wollen die Gasversorger mit Härtefällen umgehen?
- Welche Entlastungen plant die Politik?
Welche Mehrkosten ergibt das pro Jahr und Haushalt?
Das Verbraucherportal Verivox hat mit den neuen Zahlen mehrere Musterrechnungen angestellt. Für einen Haushalt im Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeute die neue Umlage Mehrkosten in Höhe von 484 Euro netto pro Jahr, sagt eine Unternehmenssprecherin. „Mit Mehrwertsteuer steigen die Kosten auf 576 Euro.“ Für einen Single-Haushalt mit 5.000 Kilowattstunden verteuert sich die jährliche Gasrechnung demnach um 144 Euro brutto, ein Pärchen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 12.000 Kilowattstunden zahle 345 Euro brutto mehr. „Die neue Umlage katapultiert die Gaspreise auf fast 21 Cent pro Kilowattstunde“, resümiert Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Wegen den auch unabhängig von der Umlage steigenden Preisen werde der bevorstehende Winter „mit Sicherheit der teuerste aller Zeiten“.
Wann und für wie lange soll die Umlage eingeführt werden?
Die Bundesregierung plant mit einem Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 1. April 2024 – und ist für den frühen Starttermin harsch kritisiert worden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hält die Frist für zu kurz. Begründung: Es seien noch zu viele Fragen offen. Ramona Pop vom VZBV-Vorstand fordert daher eine Verschiebung des Starttermins bis mindestens 1. November.
Fällt Mehrwertsteuer an oder nicht?
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will, dass die Umlage mehrwertsteuerfrei ist und hatte auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten. Am Dienstag dann die Absage aus Brüssel: Für die Verbraucher in Deutschland wird es keine Ausnahme bei der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage geben. Eine Streichung der Steuer anders als von der Bundesregierung erhofft sei laut EU-Kommission nicht möglich. Die Kommission arbeitet nach eigenen Angaben aber zusammen mit Berlin an einer Lösung. Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es am Dienstag, man habe bisher kein offizielles Schreiben der EU-Kommission bekommen. "Unser Ziel ist nach wie vor, zusätzliche Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden." Der Staat solle durch die Umsatzsteuer auf die Gasumlage keine Mehreinnahmen erzielen. Dabei sind dem Ministerium zufolge verschiedene Möglichkeiten denkbar, die europarechtlich geprüft werden müssten. Dazu sei man mit der EU-Kommission im Gespräch.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert angesichts der explodierenden Gas- und Strompreise, die Mehrwertsteuer auf Gas und Strom ab dem 1. Januar 2023 von 19 auf 7 Prozent zu senken. Laut BDEW-Berechnungen läge die Entlastungswirkung durch den ermäßigten Steuersatz beim Gaspreis für ein Einfamilienhaus mit 20.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch zwischen 356 Euro und 516 Euro pro Jahr. Bei einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit einem Verbrauch von 13.333 Kilowattstunden wären es zwischen 237 Euro und 344 Euro weniger.
Ab wann taucht die Umlage auf meiner Rechnung auf?
Bleibt es bei dem von der Ampelkoalition gewünschten Zeitplan, würde die Umlage erstmals im November oder Dezember ausgewiesen werden. Der Zeitverzug rührt daher, dass das Energiewirtschaftsgesetz Ankündigungsfristen von vier bis sechs Wochen vorschreibt. Das dient dem Verbraucherschutz. Setzt sich der VZBV mit seiner Forderung nach einer Einführung ab dem 1. November durch, würde das wohl auch die Ankunft der ersten Rechnungen verzögern. „Alle Kunden werden gemäß den vertraglichen Regelungen über die bevorstehenden Änderungen informiert“, sagt Evelyn Zaruba vom sächsischen Lieferanten Mitgas. „Dabei werden auch die Abschläge angepasst, um spätere Nachzahlungen zu vermeiden.“ Bei vielen Mietern dürfte die Umlage im Zuge der Betriebskostenabrechnung erst nächstes Jahr ankommen.
Organisationen wie der Bund der Energieverbraucher richten sich schon auf steigenden Beratungsbedarf ein. Man stehe zudem mit Verbraucherzentralen in Kontakt, um zu klären, ob ein juristisches Vorgehen gegen die Gasumlage denkbar sei, sagt die Vereinsvorsitzende Leonora Holling.
Wie genau berechnet sich die Umlage?
Basis ist eine komplizierte Formel, die unter anderem die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten und dem aktuellen Einkaufspreis berücksichtigt. Die Höhe der ermittelten Mehrkosten muss dann noch von einem Wirtschaftsprüfer testiert werden. Auch die Bundesnetzagentur tritt als unabhängige Kontrollinstanz in Erscheinung. Der Ausgleich erfolgt laut Bundeswirtschaftsministerium über die Gaslieferanten, die die Kosten in aller Regel an ihre Kunden weitergeben werden. Ausnahmen bestätigen die Regel: „Wir erwägen, bis auf Weiteres darauf zu verzichten, unsere Verluste aus der Gasersatzbeschaffung für diese Umlage geltend zu machen“, erklärte beispielsweise der RWE-Chef Markus Krebber vor einigen Tagen. Auch Shell hat angekündigt, kein Geld aus der geplanten Umlage zur Rettung systemrelevanter Gasimporteure einzufordern. Da beide Konzerne kein Endkundengeschäft haben, sei diese Ankündigung aber praktisch ohne Bedeutung, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Er interpretiere die Aussagen daher als Versuch, „der Debatte um Übergewinne etwas Luft aus den Segeln zu nehmen“. Der Leipziger Erdgashändler VNG AG hat dagegen Bedarf an Geld aus der Gasumlage angemeldet. Ein Konzernsprecher sagte, das Tochterunternehmen VNG H&V habe fristgemäß seine Erdgasmengen gemeldet, die „von einer Liefereinkürzung durch Russland betroffen sind“. Zur Menge und zu Preisen wollte er sich nicht äußern. Der Leipziger Konzern beliefert ostdeutsche Gasversorger und bezog bisher viel Erdgas aus Russland.
War nicht noch eine weitere Umlage geplant?
Ja, eine Gasspeicherumlage. Auch sie soll noch im Oktober kommen, die exakte Höhe wohl am Donnerstag veröffentlicht werden. Mit den Mitteln aus dieser Umlage sollen der Trading Hub Europe jene Kosten ersetzt werden, die ihr zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit in Deutschland entstehen. Oberstes Ziel ist die Einhaltung der Füllstandsvorgaben für die großen Gasspeicher im Land. Das Wirtschaftsministerium geht nicht davon aus, dass diese Umlage „eine relevante Größe“ erreichen wird.
Spekuliert wird aber schon: Das Beratungsunternehmen Enervis geht laut einem Bericht des Tagesspiegels von einer Mindesthöhe von 0,165 Cent pro Kilowattstunde aus.
Sind Fernwärmekunden von der Umlage betroffen?
„Derzeit sind Fernwärme-Kunden nicht erfasst“, sagt das Bundeswirtschaftsministerium. Die Frage werde derzeit geprüft.
Wie wollen die Gasversorger mit Härtefällen umgehen?
Auf Nachfrage von Saechsische.de signalisieren sächsische Versorger Gesprächsbereitschaft. Derzeit prüfe das Forderungsmanagement unterschiedlichste Optionen, um der Kundschaft in dieser für alle extremen Situation zu helfen, sagt beispielsweise Cindy Haase vom Chemnitzer Versorger Eins. Ähnlich äußert sich Sachsen Energie in Dresden, verweist aber neben der Option höherer Abschläge auch auf die Notwendigkeit, Energie zu sparen – „wenn möglich“.
Welche Entlastungen plant die Politik?
Anfang 2023 soll das Wohngeld deutlich ausgeweitet werden. Außerdem plant die Regierung einen dauerhaften Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte. Auch Steuerentlastungen sind im Gespräch. Der VZBV will die Gasumlage nicht ohne Entlastungspaket eingeführt wissen. Ramona Pop: „Solange die Koalition über weitere Maßnahmen streitet, soll die Umlage steuerfinanziert werden.“ (mit dpa)