Wirtschaft
Merken

Solarwatt Dresden investiert in Handwerker statt in Hallen

Beim Dresdner Fotovoltaik-Anlagen-Hersteller Solarwatt wächst die Produktion nicht so schnell wie angekündigt. Die Chefs sind unsicher, ob sie jetzt bauen sollen. Sie tun erst mal etwas anderes.

Von Georg Moeritz
 4 Min.
Teilen
Folgen
Stromproduktion aufs Dach: Der Dresdner Solarmodul-Hersteller Solarwatt baut Handwerksfirmen in mehreren Städten auf, die seine Platten installieren.
Stromproduktion aufs Dach: Der Dresdner Solarmodul-Hersteller Solarwatt baut Handwerksfirmen in mehreren Städten auf, die seine Platten installieren. © Archivfoto: Solarwatt

Dresden. Breite Lamettastreifen, silbrig glänzend – die sieht der Besucher zuerst, wenn er die Produktionshalle der Dresdner Solarwatt GmbH betritt. Doch das Lametta dient nicht zur Weihnachtsdekoration. Der Container ist ordentlich mit „Zellverbinderschrott 04“ beschriftet. Das Metall ist bei der Produktion angefallen.

Bei Solarwatt verbinden Roboterarme die zugelieferten Siliziumplatten aus China auf Glasplatten aus Brandenburg zu Fotovoltaikmodulen. Um einige Solarplatten kümmern sich aber junge Frauen schließlich doch noch mit Handarbeit: „Wir reparieren, wenn die Lötung kaputt ist.“

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) besuchte das Unternehmen am Freitag und betonte, Sachsen sei „nicht nur das Land der Mikroelektronik, sondern auch der Solarindustrie“. Die werde für die Energiewende gebraucht.

Hochfahren der Produktionslinie F8 verzögert sich

Solarwatt ist nach der Produktionskapazität gerechnet die Nummer 3 in Sachsen, hinter Meyer-Burger in Freiberg und Heckert Solar in Chemnitz. Im September vorigen Jahres hatte Kretschmer bei Solarwatt eine neue Produktionsanlage F8 in Betrieb genommen. Heckert baute in Langenwetzendorf in Thüringen eine zusätzliche Halle.

Doch die neue Solarwatt-Anlage läuft bis heute nicht unter Volllast, auch am Freitag bei der Besichtigung blieben Teile stehen. „Das ist eben Produktion“, sagte einer der Manager, und ein anderer räumte ein, dass er sich das Hochfahren der Montagelinie leichter vorgestellt habe. Manche Fachleute zum Inbetriebnehmen der Anlagen blieben wegen Corona fern. Die Pandemie bremste auch Meyer-Burger in Freiberg.

In diesem Jahr hat der Dresdner Solarwatt-Betrieb insgesamt so viele Solarmodule hergestellt, dass sie zusammen maximal 100 Megawatt Strom erzeugen können – das ist die übliche Einheit, in der Solarfabriken ihre Kapazität angeben. 300 Megawatt pro Jahr soll die Fabrik schaffen, allerdings auch im kommenden Jahr noch nicht. Dabei ist die Nachfrage nach Solartechnik gerade hoch. „Geschäftlich sind wir sehr zufrieden“, sagte Finanzgeschäftsführer Sven Böhm.

Automatische Produktion: Bei Solarwatt schwenken Roboterarme die Glasplatten, auf denen die Siliziumscheiben zur Strom-Erzeugung liegen.
Automatische Produktion: Bei Solarwatt schwenken Roboterarme die Glasplatten, auf denen die Siliziumscheiben zur Strom-Erzeugung liegen. © Archivfoto: Jürgen Lösel

Auftragsproduktion in China nach deutschen Vorgaben

Solarwatt liefert in diesem Jahr Module mit zusammen rund 900 Megawatt Leistung aus – dank „Auftragsproduktion“ in China. Die richte sich streng nach deutschen Vorgaben, betont das Unternehmen. Wenn ein Käufer ausdrücklich Module aus Dresdner Produktion wolle, bekomme er sie.

Allerdings sind die Preise gestiegen: Vor Corona zahlten Kunden etwa 1.500 Euro, jetzt etwa 2.000 Euro pro Kilowatt maximaler Leistung, sagte Peter Bachmann, Leiter Strategie bei Solarwatt. Für die Kunden lohne es sich trotzdem mehr als früher, selbst Strom aus Sonne zu produzieren, denn die Strompreise hätten sich verdoppelt.

Solarwatt stellt in Dresden auch Akkus her, wurde dabei allerdings durch Lücken in der Lieferkette gebremst. Zeitweise fehlten Mikrochips für die Stromspeicher, für ein bestimmtes Bauteil standen plötzlich 100 Euro statt 50 Cent auf der Rechnung.

Solarwatt-Umsatz nächstes Jahr eine halbe Milliarde Euro

Firmenchef Detlef Neuhaus sagte voraus, der Umsatz von Solarwatt werde nächstes Jahr über eine halbe Milliarde Euro steigen. In diesem Jahr kamen in den ersten drei Quartalen 250 Millionen Euro zusammen, mit mehr als 350 Millionen bis Jahresende wird gerechnet. „Wir wachsen viel schneller als gedacht“, sagte Neuhaus.

Doch das Geschäft sei viel komplizierter geworden. In Deutschland habe inzwischen jeder verstanden, dass regenerative Energie benötigt werde. Plötzlich werde von den Herstellern mehr Menge verlangt. „Aber wir sind nicht die Retter der Welt“, sagte Neuhaus. Er habe weder konkrete Ausbaupläne noch Vorhaben zum Zukauf anderer Betriebe. Doch er schließe auch nichts aus. „Wir müssen uns erst mal sammeln“, sagte der Geschäftsführer.

Selbst über die Zukunft der alten Produktionshalle F7 haben die Manager noch nicht entschieden. Die Anlagen dort seien veraltet und würden derzeit heruntergefahren – wegen der hohen Nachfrage schon später als ursprünglich geplant. In einem Teil der Halle werde nächstes Jahr eine Pilotanlage zum Testen neuer Materialien aufgebaut. Dort könne beispielsweise Glas von einem neuen Lieferanten besser ausprobiert werden als in der laufenden Produktionsanlage.

Eigene Handwerksbetriebe in Dresden, Kassel, Lübeck

Sicher ist Neuhaus, dass er weiter in Personal investieren will. Zwar arbeiten in der F8 lediglich je 30 Menschen in den vier Produktionsschichten. Doch Solarwatt hat insgesamt 820 Beschäftigte, Ende nächsten Jahres sollen es 940 sein. Zusätzliche Büros in der Dresdner Fabrikstraße wurden bezogen.

Das früher genannte Ziel von 1.000 Mitarbeitern im Jahr 2025 werde „locker“ überschritten, sagte Neuhaus. Dazu tragen vor allem die eigenen Handwerksfirmen bei, die Solarwatt teils neu gründet, teils übernimmt. In Dresden, Kassel und Lübeck besitzt das Unternehmen inzwischen Betriebe, die sich um die Montage der Solaranlagen auf Einfamilienhäusern und Firmendächern kümmern.

Zwei bis vier Handwerksbetriebe in Westdeutschland sollen im nächsten Jahr dazukommen: zwei will Solarwatt aufbauen, bei zweien erwägt das Dresdner Unternehmen den Kauf. Übernehmen sei leichter als selbst aufbauen, sagt Geschäftsführer Neuhaus.