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Sunfire will Gigafactory in Sachsen bauen

Der Dresdner Elektrolysespezialist Sunfire ist in der Cleantech-Allianz von Bill Gates. Dazu kommt eine Millionenförderung von Bund und Land. Wohin die fließt, erklärt Chef Nils Aldag im Interview.

Von Nora Miethke
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Nils Aldag ist Mitgründer und CEO von Sunfire. 2020 wurde er von der Europäischen Kommission in die CEO-Gruppe der European Clean Hydrogen Alliance aufgenommen.
Nils Aldag ist Mitgründer und CEO von Sunfire. 2020 wurde er von der Europäischen Kommission in die CEO-Gruppe der European Clean Hydrogen Alliance aufgenommen. © Sunfire GmbH

Sunfire hat sich der Vision einer Welt ohne fossile Energieträger verschrieben. Wie stark ist jetzt Ihr Frust nach der Klimaschutzkonferenz?

Solche Konferenzen sind offenbar nicht mehr das Format, wo man im großen Stil etwas verändern kann. Unabhängig davon passiert sehr viel. Ich habe kürzlich eine Grafik gesehen, nach der die Anzahl der neu installierten Stromerzeugungskapazitäten auf fossiler Basis weltweit im Jahr 2021 nur bei 15 Prozent lagen, während die restlichen 85 Prozent aus erneuerbaren Energien kamen. Und was sich im Wasserstoffbereich in den letzten zwei Jahren getan hat, ist einfach nur irre. Nicht nur in Europa, auch in den USA, Australien oder dem Mittleren Osten wachsen die Ziele und Ambitionen.

Die Konkurrenz wächst. Ist das der Grund für die Gründung der Cleantech-Scale up-Coalition, zu der auch Sunfire gehört?

Diese Allianz soll Europa helfen, klimaneutral, energetisch unabhängig und industriell wettbewerbsfähig zu werden. Sie wird von Bill Gates, Gründer von Breakthrough Energy, und Kadri Simson, EU-Kommissarin für Energie, unterstützt. Das ist ein starkes Signal. So sollen über die Scale up Coalition mittelgroße Unternehmen unterstützt werden, für die es schwieriger als für Großkonzerne ist, mit ihrer Technologie den kommerziellen Durchbruch zu schaffen. Das ist ein interessanter Weg, für Innovationen und die Reduktion vonCO2 zu sorgen.

Welche Themen sind Ihnen als Mitglied wichtig?

Zum Beispiel die Fremdkapitalfinanzierung. Diese ist einerseits für die Umsetzung großer Projekte wichtig, andererseits für den Kauf von Maschinen und Anlagen für große Fabriken, die wir bauen wollen. Das ist eine Herausforderung für uns, weil wir als Firma noch nicht profitabel sind. Wir wachsen rasant an Mitarbeitenden und Maschinen und Anlagen, aber der Markt wächst nicht in der gleichen Geschwindigkeit mit. Das macht Fremdkapitalfinanzierung aufgrund der höheren Kosten für uns schwieriger. Auf diesen Punkt könnte das Bündnis das Scheinwerferlicht lenken. Weitere Themen sind der Genehmigungsprozess von Wind- und Solaranlagen und wie die Risiken für die Hersteller dieser Anlagen besser verteilt werden können.

Im Oktober 2022 trafen sichVertreter von acht führende europäische Unternehmen, die grüne Technologien entwickeln, mit Kadri Simson, EU-Kommissarin für Energie (6.v.l.) und Bill Gates, Gründer von Breakthrough Energy (7.v.l.) in Brüssel zur Gründung einer
Im Oktober 2022 trafen sichVertreter von acht führende europäische Unternehmen, die grüne Technologien entwickeln, mit Kadri Simson, EU-Kommissarin für Energie (6.v.l.) und Bill Gates, Gründer von Breakthrough Energy (7.v.l.) in Brüssel zur Gründung einer © CleantechforEurope

Wie ist Sunfire in diese Allianz gekommen?

Man ist tatsächlich auf uns zugekommen. Anders als in vielen Verbänden, bei denen die Unternehmen die Aktivitäten bezahlen müssen, müssen wir hier nicht zahlen. Die Bedingung ist aber, dass sich die Mitgliedsfirmen mit echten grünen Themen beschäftigen müssen, wie der Produktion von grünem Stahl, grünem Zement oder grünem Wasserstoff, und nicht noch nebenbei ein Altgeschäft auf fossiler Grundlage betreiben.

Sie kritisieren, dass Politik und Industrie schneller handeln müssen und der Druck aus den USA wächst. Was heißt das?

Eine große Stärke von Europa ist, dass viele Themen im Konsens entschieden werden. Der Vorteil ist Rechtssicherheit, der Nachteil ist, dass diese Prozesse von der Idee bis zur Umsetzung deutlich länger dauern als in anderen Teilen der Welt. Wir kritisieren bei Sunfire seit Jahren explizit einen Punkt. Das ist die Frage nach dem Bezug von grünem Strom. Wie können wir grünen Strom zum Beispiel von der Nordseeküste zu einem Wasserstoffkraftwerk in der Nähe von Hamburg bringen, wo es einen Industrieabnehmer gibt, ohne dass auf dem Weg die Eigenschaft des grünen Stroms verloren geht? Das ist nach wie vor nicht klar geregelt. Solche kleinen regulatorischen Feinheiten haben massive Auswirkungen für die Geschäftsmodelle unserer Kunden. Das ist der Flaschenhals, der alles aufhält.

Inwiefern?

Es wird viel Fördergeld in die Errichtung von Elektrolyse-Anlagen investiert. Sunfire soll über das europäische Großförderprogramm (IPCEI) für Wasserstoff einen dreistelligen Millionenbetrag vom Bund sowie aus Sachsen und Nordrhein-Westfalen für den Aufbau einer Serienfertigung von Alkali-Elektrolyseuren und die Weiterentwicklung der Hochtemperatur-Elektrolyse bekommen. Das ist sehr viel Geld. Die Unterstützung ist toll, kann aber nicht zu echter Nachfrage bei den Kunden führen, weil nicht klar ist, wie sie an grünen Strom gelangen können. Das ist eine regulatorische Frage, für die wir endlich eine Lösung brauchen.

Und warum wächst der Druck aus den USA?

Mit dem Inflation Reduction Act in den USA wurde ein ganz simples Instrument geschaffen: Wer grünen Wasserstoff produziert, bekommt über eine Steuervergünstigung drei US-Dollar pro Kilogramm an Kosten eingespart. Das ist ein relativ einfacher Mechanismus, der rund 50 Milliarden US-Dollar an Unterstützung für den Wasserstoffmarkt mobilisieren kann. Diese Summe ist erheblich höher als was Europa mit der Wasserstoffbank auf den Weg bringen will. Ich will nicht auf Europa schimpfen. In den USA kann so ein Mechanismus auch recht schnell wieder weg sein. Die Amerikaner sind einfach schneller in der Umsetzung industriepolitischer Maßnahmen. Da könnte man in Europa tatkräftiger zupacken. Ich wundere mich schon, warum sich Deutschland so aus diesem europäischen Diskurs heraushält.

Können Sie das näher erklären?

Vier der großen globalen Topplayer unter den Elektrolyseunternehmen kommen aus Deutschland. In Frankreich gibt es nur ein Unternehmen und das ist deutlich kleiner als Sunfire. Die Bundesregierung überlegt, wie sie mit industriepolitischen Maßnahmen die Wiederansiedlung der Solar- und Windkraftindustrie erreichen kann. Aber die Elektrolyseunternehmen, mit deren Technik der schwankend verfügbare Ökostrom in Wasserstoff gespeichert werden könnte, werden nicht genannt. Und das, obwohl diese bereit wären, im großen Stil Produktion aufzubauen und Projekte zu realisieren. Wir brauchen nur an einigen Stellen etwas mehr Unterstützung von Deutschland auf EU-Ebene.

Blick auf das Firmengelände von Sunfire in der Gasanstaltstraße in Dresden . Die Firma will einen zweistelligen Millionenbetrag in den Ausbau des Firmengeländes investieren. Foto: Sunfire GmbH
Blick auf das Firmengelände von Sunfire in der Gasanstaltstraße in Dresden . Die Firma will einen zweistelligen Millionenbetrag in den Ausbau des Firmengeländes investieren. Foto: Sunfire GmbH © PR/Sunfire

Wo soll die Serienfertigung für die Alkali-Elektrolyse entstehen?

Wir bauen einen wichtigen Prozessschritt in Sachsen auf. Details möchten wir noch nicht verraten. Darüber hinaus ist klar: Sunfire ist mehr als gewillt, in Sachsen für hundert Millionen Euro und mehr in eine Gigafactory zu investieren, mit der wir Deutschland und Europa mit Elektrolyseuren versorgen können. Das hätte einen entscheidenden Vorteil.

Welchen?

Der Bau von Elektrolyseuren ist nicht groß anders als der Bau von Verbrennungsmotoren. Das wäre ein großartiges Beschäftigungsfeld für Leute, die heute im Automobilsektor arbeiten und durch den Wandel zur Elektromobilität vielleicht ihren Job wechseln müssen. Sie brauchten nicht massenweise umgeschult zu werden. Und die Fertigung ist nicht so hoch automatisiert wie in anderen Branchen, es würden also signifikant Arbeitsplätze entstehen.

Wie geht es am Firmensitz in Dresden weiter?

Wir sind in wenigen Jahren von 150 auf derzeit über 500 Mitarbeiter und gewachsen. An unserem Firmensitz in Dresden platzen wir aus allen Nähten. Deshalb werden wir uns in der Gasanstaltstraße flächentechnisch ausbreiten von derzeit 7.000 auf 19.000 Quadratmeter. Dresden soll der Nukleus für die Ingenieursseite von Sunfire sein, wo Forschung- und Entwicklung konzentriert werden mit Testmöglichkeiten und Werkstätten, wo neue Generationen von Elektrolyseuren entwickelt werden können. Das erste Bauprojekt startet Anfang nächsten Jahres. Wir wollen insgesamt einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag investieren.

Suchen Sie auch Fachkräfte?

Auf jeden Fall. Wir haben 60 offene Stellen und suchen talentierte junge wie erfahrenere Leute. Verfahrenstechniker, Elektrotechniker, Maschinenbauer, Materialwissenschaftler, Wirtschaftsingenieure wie natürlich auch Ingenieurinnen und Technikerinnen. Das geplante Beschäftigungswachstum hier am Standort ist auf jeden Fall substanziell.

Wann wird grüner Wasserstoff für die Industrie wirtschaftlich wettbewerbsfähig verfügbar sein?

Die Technik muss in einer Handvoll 100- oder 200-Megawatt-Projekten erprobt werden, dann steht einer Installation im industriellen Maßstab nichts entgegen. An vielen Standorten, wo die Stromkosten nicht zu hoch sind, könnte der Break-Even-Punkt 2025 oder 2027 erreicht werden. Dann könnte es sein, dass viele Industriekunden lieber grünen Wasserstoff verwenden als Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Kohle oder Öl.

Das Gespräch führte Nora Miethke

Das Interview stammt aus der neuen Ausgabe von "Wirtschaft in Sachsen", die heute erschienen ist. Wer "Wirtschaft in Sachsen" regelmäßig lesen will - in Print oder als E-Paper, kann sie per Mail unter [email protected] bestellen.