Gaskrise: Sächsischer Großvermieter dreht Warmwasser stundenweise ab

Dippoldiswalde. Die Wohnungsgenossenschaft in Dippoldiswalde reduziert ab sofort die Versorgung von Mietern mit Warmwasser. Laut Vorstand Falk Kühn-Meisegeier wolle man damit angesichts gedrosselter Gaslieferungen aus Russland eine böse Überraschung bei der nächsten Betriebskostenabrechnung vermeiden und "den Ball preismäßig flach halten".
Es sei Solidarität gegenüber denen gefragt, die nicht noch mehr zahlen könnten. Viele würden schon jetzt kaum klarkommen. Mit der Maßnahme beugt die Genossenschaft aber ebenso Einnahmeverlusten vor, wenn auch von ausstehenden Forderungen noch nicht die Rede ist. Es sei lediglich eine vorbeugende Maßnahme. Zudem werde die Heizung bis September komplett runtergedreht.
Nur noch dreimal am Tag Warmwasser
Trotzdem hatte genau diese Wohnungsgenossenschaft bereits im April die Höhe der Betriebskosten-Vorauszahlungen, die von den Mietern verlangt werden, verdoppelt. Und das auf SZ-Nachfrage aus folgendem Grund: "Die Genossenschaft muss gegenüber dem örtlichen Energieversorger in Vorkasse gehen." Statt wie bisher 100.000 Euro seien nun aber angesichts der sich zuspitzenden Situation und der steigenden Preise für Strom und Gas 400.000 Euro fällig.
Mit der Vorstandsentscheidung bekommen seit vergangenem Freitag jene Wohnungen, die bei der Dippoldiswalder Genossenschaft an die zentrale Warmwasseraufbereitung angeschlossen sind, nur noch dreimal am Tag warmes Wasser – 4 bis 8 Uhr, 11 bis 13 Uhr sowie 17 bis 21 Uhr (am Wochenende 16 bis 21 Uhr).

Betroffen sind laut Vorstand etwa die Hälfte der 600 Genossenschaftswohnungen. Bei einem 500-Liter-Boiler für bis zu 18 Wohnungen würde aber ohnehin noch eine ganze Weile warmes Wasser zur Verfügung stehen, wenn man das kalte Wasser länger laufen lässt, sagt Kühn-Meisegeier. Beruhigen wird das seine Mieter nicht. Schließlich sind sie zusätzlich vom Abstellen der Heizung bis September betroffen. Ob bis dahin die warmen Temperaturen anhalten, ist fraglich.
Bei Härtefällen soll nachjustiert werden
"Bei einer Mitgliederversammlung am 23. Juni war über die Reduzierung informiert worden", sagt Kühn-Meisegeier. Natürlich gebe es Ablehnung, aber auch viel Zustimmung seitens der Mitglieder, sagt der Genossenschaftschef.
Auf die "Stimmungsmache" in den sozialen Medien, die an den vergangenen Tagen erwartungsgemäß zugenommen habe, werde man nicht reagieren. Bei den dort kursierenden Vorwürfen würden sonst weder Vorstand noch Mitarbeiter zum Arbeiten kommen. "Jetzt werden wir erst einmal abwarten, was die Maßnahme bringt", sagt der Vorstand. Dort, wo es Härtefälle gebe, weil beispielsweise ältere Menschen durch Pflegedienste betreut werden, würde nachjustiert.
Vorstand verteidigt die Maßnahme
Die Genossenschaft dürfte damit deutschlandweit zu den ersten Vermietern gehören, die zu solch drastischen Maßnahmen greifen. Bereits im Januar hatte die Dippoldiswalder Genossenschaft die Heizungen optimiert und die Vorlauftemperatur reduziert.
"Viele überblicken noch nicht, was sie angesichts der Einschränkungen bei den Gaslieferungen erwartet", so Vorstand Kühn-Meisegeier. Auch wenn wir damit wohl die Ersten sind, finden wir die Aktion richtig, weil sie auch niemandem wehtut", ist er sicher. An der nächsten Abrechnung würden die Mitglieder sehen, was es gebracht hat.
Mieterverein hat rechtliche Bedenken
Problematisch sieht der Mieterverein die Reduzierung der Warmwasserbereitstellung. Florian Bau, Pressesprecher vom Landesverband Sachsen, zweifelt daran, dass das mehrmalige Herunter- und wieder Hinauffahren der Warmwasserzufuhr energetisch überhaupt sinnvoll ist.
Zudem dürften die bestehenden Mietverträge nicht ohne Zustimmung mündlich verändert werden. Das sei rechtlich unzulässig, so Bau. "Mitglieder einer Genossenschaft haben die gleichen Rechte wie Mieter. Und für die gilt der mit den Vermietern abgeschlossene Vertrag. Danach besteht auch 24 Stunden am Tag Anspruch auf Warmwasser." Bau empfiehlt deshalb allen Mietern, die diese Entscheidung nicht mittragen, sich juristisch zu wehren.
Auch der Deutsche Mieterbund kritisiert die Einschränkung der Warmwasserversorgung bei einer sächsischen Wohnungsgenossenschaft. "Das Vorgehen der Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde geht gar nicht," sagte Verbandspräsident Lukas Siebenkotten der Funke-Mediengruppe laut Bericht vom Dienstag.
Der Mangel an Warmwasser sei ein Grund zur Mietminderung. Siebenkotten hält eine Verringerung der Miete um rund zehn Prozent für zulässig. "Es ist nicht die Aufgabe des Vermieters, den Mieter zum Energiesparen zu zwingen." Eine solche Maßnahme sei nur zulässig, wenn alle Mieter einverstanden seien. "Dafür müsste der Vermieter aber in jedem Mieterhaushalt individuell nachfragen. Einseitig einen Aushang aufzuhängen, reicht nicht aus", sagte Siebenkotten.
Kritik aus der Opposition
Die sächsische Linke-Vorsitzende Susanne Schaper hält die Rationierung von Warmwasser in der Energiekrise für ungerecht. Schaper zufolge geht eine Maßnahme wie in Dippoldiswalde an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Die Genossenschaft wolle ihre Mieter vor hohen Nebenkosten-Nachzahlungen schützen, doch das sei nicht der richtige Weg, erklärte sie.
"Für Menschen, die kleine Kinder haben oder in Schichten arbeiten, ist diese aufgezwungene Sparmaßnahme eine echte Zumutung. In jedem Fall stellt sie eine Bevormundung, einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht und somit einen groben Mietmangel dar", sagte Schaper. Entscheidend sei, die extrem gestiegenen Energiepreise abzufedern und sie langfristig stabil zu halten – finanziert durch die Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne.
Die AfD sprach von einem "Kollateralschaden" und machte die Regierung verantwortlich. "Kalt duschen? Nord Stream 2 in Betrieb nehmen", überschrieb die AfD-Fraktion im Landtag ihre Stellungnahme. "Wir müssen nicht frieren. Der Gas-Notstand ist selbst verursacht und kann sofort beendet werden", erklärte Partei- und Fraktionschef Jörg Urban: "Die von Deutschland blockierte Pipeline Nord Stream 2 ist bereits mit günstigem russischen Gas gefüllt – es muss nur die Genehmigung erteilt werden."
Freitaler Genossenschaft hält Verträge noch ein
Anderswo hält man sich mit derart einschneidenden Maßnahmen noch zurück. "Bei uns gibt es derzeit keine Einschränkungen. Wir halten am Status Quo fest", sagt Sven Raschke, Vorstand der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft Freital.
Die Mietverträge für die 1.000 Mitglieder würden vollumfänglich erfüllt. Wie sich die Situation im Laufe des Jahres weiter entwickelt, könne er allerdings noch nicht sagen, so Raschke.
Auch in Sebnitz bei der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft (GWG) sind derartige Maßnahmen momentan nicht vorgesehen, erklärt deren Vorstandsvorsitzender Ullrich Franke. Die GWG, zu der 461 Wohnungen in Sebnitz und Neustadt gehören, hat ihren Hauptbestand im Sebnitzer Wohngebiet "Knöchel". Dort kommt den Genossenschaftlern jetzt die örtliche Fernwärmeversorgung zugute. Erst zum Jahresbeginn 2022 war die GWG mit der Volksbank Pirna fusioniert.
Die städtische Wohnungsgesellschaft in Heidenau (WVH) plant bei ihren Objekten weder eine Reduzierung noch eine teilweise Abschaltung der Heizungs- und Warmwasserversorgung, sagt Geschäftsführer Tilo Koch. "Die aus erneuerbaren Energien gewonnene Fernwärme, die auch gleichzeitig zur Warmwasseraufbereitung genutzt wird, ist nicht den hohen Preisaufschlägen ausgesetzt, wie es sie bei Öl- oder Gasheizungen gibt", sagt er. Natürlich wird es auch bei der Fernwärme zu spürbaren Preissteigerungen kommen, da deren Preis an die Entwicklung der Preise fossiler Rohstoffe gekoppelt ist. (mit dpa)