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Deutsche schränken sich wegen Teuerung ein

Viele Deutsche begrenzen wegen der Energiekrise ihre Ausgaben. Auch die Heizung bleibt öfter kalt - und trotzdem wird weniger Geld gespart.

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Die Deutschen sparen an der Heizung.
Die Deutschen sparen an der Heizung. © Hauke-Christian Dittrich/dpa (Symbolbild)

Von Björn Hartmann

Teure Energie und die steigenden Preise für die normale Lebenshaltung setzen die Deutschen zunehmend unter Druck. Inzwischen schränken sich fast zwei Drittel beim Konsum ein, wie eine Umfrage für das Vermögensbarometer der deutschen Sparkassen ergab. Mehr als die Hälfte wollen sich weiter einschränken. Und es wird in den nächsten Jahren vermutlich kaum besser. Helmut Schleweis, Präsident des deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) erwartet, dass 2023 und 2024 mit Sicherheit schwer werden. Für die Zeit danach wagt er keine Prognose. Wer noch Geld zurücklegen kann, hat allerdings gute Chancen.

Um die Lage im Land besser zu erfassen, hat der Verband in diesem Jahr zweimal die Stimmung abgefragt: Anfang Juli und Anfang Oktober. Dabei zeigt sich, wie die vielen Krisen in den Haushalten ankommen. In den zwölf Monaten bis Juli hatten sich 57 Prozent der Bundesbürger bereits eingeschränkt, Anfang Oktober waren es 64 Prozent – der höchste Wert seit 2005, als der DSGV das erste Vermögensbarometer veröffentlichte. Im Corona-Jahr 2021 gaben nur 42 Prozent der Menschen an, die Ausgaben binnen zwölf Monaten begrenzt zu haben.

68 Prozent der Deutschen heizen demnach in diesem Herbst weniger, eine direkte Folge der kräftig gestiegenen Energiepreise. Weil fast alles im Supermarkt und anderen Läden teurer wird, kaufen 58 Prozent weniger ein. 63 Prozent schauen vor allem nach billigeren Produkten, wie aus der repräsentativen Umfrage des DSGV hervorgeht.

Deutsche schätzen finanzielle Lage als schlecht ein

Es trifft inzwischen nicht nur die, die wenig Geld haben oder verdienen und das, was sie haben, meist vollständig für die Dinge des täglichen Bedarfs ausgeben. „Der Druck kommt auch in der Mittelschicht an, die bisher vergleichsweise gut über die Runden gekommen ist und nicht von staatlichen Transferleistungen abhängig war“, sagt Schleweis. 57 Prozent der Haushalte mit Nettoeinkommen zwischen 2000 und 3000 Euro sich geben dem Vermögensbarometer zufolge weniger aus. Bei einem Einkommen zwischen 3.000 und 4.000 Euro sind es 55 Prozent.

Die Inflation wird auch im kommenden Jahr hoch bleiben. Schleweis rechnet mit zehn Prozent wie in diesem Jahr. Der DSGV-Präsident ist pessimistischer als die Bundesregierung. Viele Preiserhöhungen seien noch nicht beim Verbraucher angekommen und steckten noch in der Lieferkette. Das heißt: Unternehmen müssen mehr für Material und Teile bezahlen, die teureren Endprodukte sind aber noch nicht in den Geschäften.

Entsprechend schlecht sehen die Deutschen ihre finanzielle Lage. Nur noch ein Drittel schätzt sie Anfang Oktober als gut oder gar sehr gut ein. Im Juli waren es noch 38 Prozent, im vergangenen Jahr 43 Prozent. Die Zahl derjenigen, die sich schlecht aufgestellt sehen stieg von 19 Prozent (2021) auf 24 Prozent (Oktober). Alle anderen bewerten die Lage mit „Es geht“.

Sparkassenpräsident rät zu Wertpapieren

Über die Jahre war die Zufriedenheit zuletzt im Schnitt immer gestiegen, dieser Trend ist jetzt gebrochen. Und auch für die kommenden zwei Jahre sind die Deutschen eher pessimistisch: Gut ein Drittel erwartet, dass sich die Lage verschlechtert. 2021 waren es nur 13 Prozent. Die Zahl der Optimisten schrumpfte von 50 Prozent (2021) auf 37 Prozent (2022).

Das hat Folgen: Im Oktober wollte 59 Prozent ihr Sparverhalten anpassen, nach 54 Prozent im Juli. „Bemerkenswert“ nennt Schleweis den Zuwachs. Dabei will ein gutes Drittel der Deutschen angesichts der unklaren Aussichten mehr zurücklegen. Experten hatten das Phänomen bereits als „Angstsparen“ bezeichnet. So denken 22 Prozent der Deutschen, dass ihnen Altersarmut droht. 2021 und 2020 waren es nur 14 Prozent.

Aber nicht jeder kann mehr sparen: Etwas mehr als ein Fünftel der Bundesbürger will an die Ersparnisse gehen, um über die Runden zu kommen. Die Sparquote, der Anteil des verfügbaren Einkommens, der zurückgelegt wird, betrug Schleweis zufolge im dritten Quartal 9,8 Prozent. Ein sehr niedriger Wert in Deutschland. 2021 lag die Sparquote dem Statistischen Bundesamt zufolge bei 15,1 Prozent.

Der Sparkassen-Präsident rät denjenigen, die Sparen können, zu Wertpapieranlagen, vor allem zum Wertpapiersparen. Die Kurse schwanken in den nächsten Monaten seiner Ansicht nach wahrscheinlich stark – ebenso wie es bereits zuletzt deutliche Volatilitäten gab. „Allerdings sind derzeit die Einstiegskurse vergleichsweise niedrig, unsere Experten rechnen bereits im nächsten Jahr mit einer ersten Erholung der Aktienmärkte“, sagte er. Bei einer langfristigen Anlageperspektive könne man deshalb mit regelmäßigem Wertpapiersparen nicht viel falsch machen.

Weniger Menschen wollen Wohneigentum kaufen

Auch auf dem Tagesgeldkonto dürfte es absehbar wieder mehr Zinsen geben. Schleweis erwartet, dass die Europäische Zentralbank in diesem Jahr die Leitzinsen noch zweimal um jeweils mindestens 0,75 Prozentpunkte erhöht, um die Inflation auszubremsen. Der erste Schritt wird für diesen Donnerstag erwartet. Derzeit liegt der Leitzins bei 1,25 Prozent. Diese Zinserhöhung wird verspätet auch auf den Sparkonten ankommen.

Für alle, die Wohneigentum kaufen wollen, wird es zunehmend schwierig. Die Kaufkosten steigen, die Bauzinsen auch. Sie näherten sich vier Prozent, sagte der Sparkassen-Präsident. Er erwartet, dass sie noch in diesem Jahr weiter steigen. Im Sommer wollten noch 30 Prozent eine Wohnung oder ein Haus kaufen, im Oktober waren es nur noch 26 Prozent. Schleweis forderte Förderprogramme und die Grunderwerbsteuer zu senken oder abzuschaffen.

Das Meinungsforschungsinstitut Kantar befragte für das Vermögensbarometer zwischen 20. Juni und 8. Juli mehr als 4.800 Bundesbürger. Die Nachfragerunde lief vom 29. September bis 11. Oktober mit 1.000 Teilnehmern.