SZ + Leben und Stil
Merken

Immer mehr Rentner werden steuerpflichtig

Allein durch Rentenerhöhung rutschen pro Jahr weitere 50.000 Senioren in die Steuerpflicht. Das wirft viele Fragen auf. Experten geben Antwort.

 8 Min.
Teilen
Folgen
Ein Rentner füllt seine Steuererklärung aus und tippt zur Berechnung Zahlen in einen Tischrechner.
Ein Rentner füllt seine Steuererklärung aus und tippt zur Berechnung Zahlen in einen Tischrechner. © Lino Mirgeler/dpa

Fast jeder Dritte der mehr als 21 Millionen Rentner in Deutschland muss Einkommensteuer zahlen. Welche Kosten abgesetzt werden können, haben Gabi Kneschk von der Vereinigten Lohnsteuerhilfe, Jana Bauer vom Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine und Antje Barth vom Lohn- und Einkommensteuer Hilfe-Ring beim SZ-Telefonforum erklärt.

Ich bin 2008 in Rente gegangen. Bisher habe ich keine Steuererklärung abgegeben. Kann ich solange warten, bis das Finanzamt mich dazu auffordert?

Das sollten Sie besser nicht tun. Auch als Rentner sind Sie dazu verpflichtet, sich zu erkundigen, ob Sie eine Steuererklärung abgeben müssen oder nicht. Das Finanzamt fordert nicht alle Betroffenen von sich aus auf. Daher glauben viele Rentner, sie können warten – das ist aber falsch. Nicht selten fordert das Finanzamt von Rentnern Steuererklärungen für die letzten fünf bis sieben Jahre nach und setzt in der Regel hierfür eine Frist von vier Wochen. Meist sind diese auch noch mit einer Steuernachzahlung verbunden. Wenn Sie also unsicher sind, sollten Sie sich Unterstützung suchen, zum Beispiel bei einem Lohnsteuerhilfeverein oder Steuerberater.

Meine Mutter ist 73 Jahre alt. Sie bekommt seit 2021 Witwenrente und muss nun erstmals eine Steuererklärung machen. Was ist zu beachten?

Wenn Ihre Mutter keine anderen Einkünfte als die beiden Rentenleistungen hat, ist der beste Weg, die vereinfachte Steuererklärung für Rentner zu nutzen. In Sachsen gibt es dafür ein nur zweiseitiges Formular. Dies kann sie sich vom Finanzamt zuschicken lassen. Daten, die der Steuerverwaltung vorliegen, müssen nicht mehr eingetragen werden. Beim Ausfüllen helfen kann die „Information über die Meldung an die Finanzverwaltung“. Diese Bescheinigung kann Ihre Mutter kostenfrei bei der Deutschen Rentenversicherung anfordern.

Meine Frau und ich sind seit 2006 Rentner. Zusammen hatten wir im Jahr 2021 eine Bruttorente von 35.469 Euro. Müssen wir eine Steuererklärung machen?

Ob Steuern auf Renten fällig werden, hängt vom Jahr des Rentenbeginns und der Höhe der Bruttorente ab. Eine Rente ist jedoch nicht voll steuerpflichtig. Der steuerfreie Teil richtet sich nach dem Renteneintritt und sinkt von Jahrgang zu Jahrgang. Da Sie beide 2006 in Rente gegangen sind, beträgt Ihr Freibetrag 52 Prozent der Rente (siehe Tabelle). Allerdings wird jede Rentenerhöhung ab 2008 zu Ihrem steuerpflichtigen Anteil hinzugerechnet. Bei Ihrer gemeinsamen Bruttorente könnten Sie zu einer Steuererklärung verpflichtet sein. Das heißt aber nicht automatisch, dass Sie auch Steuern zahlen müssen.

Ich bin 78 Jahre alt und seit 1996 verwitwet. Nachdem ich lange eine Nichtveranlagungsbescheinigung hatte, musste ich in den letzten Jahren immer mehrere hundert Euro Steuern nachzahlen. Nun soll ich vierteljährlich 108 Euro vorauszahlen. Wie kann das sein nach den wenigen Euro Rentenerhöhung?

Ihre Steuerlast steigt, weil sich Ihre Rente regelmäßig erhöht. Denn genauer betrachtet waren die Rentenerhöhungen gar nicht so gering. Allein im Jahr 2019 waren es 3,91 Prozent, im Jahr 2016 sogar 5,95 Prozent. Dies summiert sich. Zudem müssen alle Rentenerhöhungen ab Eintritt ins Rentenalter voll versteuert werden. Aufgrund der steuerpflichtigen Rentenanpassungsbeträge erhöht sich der steuerpflichtige Teil der Rente. Das ist auch genau der Grund, warum immer mehr Rentner in die Steuerpflicht rutschen können. Um zu verhindern, dass jemand auf einen Schlag eine hohe Summe nachzahlen muss, setzt das Finanzamt solche Steuervorauszahlungen fest. Möglich ist das, wenn die Nachzahlungen mehr als 400 Euro betragen – so wie es nun bei Ihnen der Fall ist.

Wir sind Rentner und mussten 2021 zum ersten Mal Steuervorauszahlungen leisten. Müssen wir trotzdem jährlich eine Steuererklärung abgeben?

Ja. Bei den vierteljährlichen Vorauszahlungen handelt es sich um Abschlagszahlungen auf Ihre voraussichtliche Steuerschuld. Das Finanzamt hat diese aufgrund der hohen Renteneinkünfte und Ihrer letzten Veranlagung erhoben. Wenn Sie Ihre aktuelle Steuererklärung abgeben, werden die geleisteten Vorauszahlungen auf Ihre Steuerschuld für 2021 angerechnet.

Wir sind Rentner und überlegen, unser selbstbewohntes Einfamilienhaus zu verkaufen. Müssen wir auf den Verkaufserlös Steuern zahlen?

Da Sie in ihrem Einfamilienhaus wohnen und es ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken nutzen, ist der Erlös steuerfrei.

Kann ich als Rentner auch Werbungskosten absetzen? Wenn ja, welche?

Ja, und zwar zählen unter anderem Gewerkschaftsbeiträge, Kosten für Rentenberater sowie anteilige Steuerberatungskosten und Ausgaben für Steuersoftware dazu. Geben Sie keine Werbungskosten an, zieht das Finanzamt bei Ihnen als Rentner automatisch 102 Euro als Werbungskosten ab.

Was kann ich als Rentner bei den Sonderausgaben geltend machen?

Die Beiträge zur Privat- und Kfz-Haftpflicht- sowie Unfallversicherung, die Kirchensteuer und Spenden, außerdem die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Auch Kosten für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen, beispielsweise für eine Putzhilfe, Maler- oder Gartenarbeiten können Ihre Steuerlast minimieren. Sind Sie Mieter, finden Sie in der Nebenkostenabrechnung Posten, die absetzbar sind.

Mein Mann ist im September 2020 gestorben. Seit Januar 2021 bekomme ich neben meiner Altersrente die Witwenrente. Muss ich weiterhin eine Steuererklärung machen? Bisher mussten wir nie etwas nachzahlen.

Verwitwete Personen sind im Todesjahr und im darauffolgenden Jahr nach der Splittingtabelle zu veranlagen, wenn die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung zum Todeszeitpunkt vorgelegen haben. Da Sie bisher mit Ihrem Ehemann zusammen veranlagt wurden, haben Sie für 2020 eine letzte gemeinsame Steuererklärung abgegeben. Für 2021 können Sie das sogenannte Gnadensplitting in Anspruch nehmen. Ab 2022 werden Sie als alleinstehende Person einzeln veranlagt. In diesem Fall werden Ihre Alters- und die Witwenrente zusammengezählt. Liegt das zu versteuernde Einkommen über dem Grundfreibetrag, können Steuern fällig werden.

Ich bin Rentnerin und habe einen Grad der Behinderung von 20. Stimmt es, dass sich das auf die Steuer auswirkt?

Ja, ab dem Steuerjahr 2021 haben sich die Behindertenpauschbeträge geändert. So können Menschen wie Sie mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 erstmals einen Behindertenpauschbetrag von 384 Euro geltend machen. Bei erstmaliger Beantragung müssen Sie den GdB nachweisen. Dazu reicht die Bescheinigung des Versorgungsamtes. Außerdem haben sich alle anderen Beträge ab einem GdB 30 verdoppelt. Mit Einreichung der Steuererklärung wird der Pauschbetrag automatisch gewährt, wenn in der Anlage Außergewöhnliche Belastungen der GdB eingetragen ist.

Mir wurde meine betriebliche Altersvorsorge ausgezahlt. Was bedeutet das?

Sehr oft werden Auszahlungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge voll versteuert – und zwar im Jahr der Auszahlung. Einzutragen sind die Beträge ab 2020 entsprechend der Bescheinigungen in der Anlage R-AV/bAV.

Wir haben einen Gärtner beauftragt, der uns den Rasen mäht und Hecken schneidet. Können wir das absetzen?

Ja. Gartenpflege-Arbeiten stellen haushaltsnahe Dienstleistungen dar. Sie können 20 Prozent der Aufwendungen (Lohn- und Anfahrtskosten), maximal 4.000 Euro, von der Steuer abziehen. Voraussetzung ist, dass die Arbeiten in einem von Ihnen selbst bewohnten Haus, in einer Wohnung oder auf dem dazugehörigen Grundstück erfolgen. Aber: Die Rechnung darf nur per Überweisung und nicht bar bezahlt worden sein. Einzutragen sind die Kosten in der Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen.

Ich habe neben der Rente einen Minijob. Einmal pro Woche fahre ich in den Betrieb, an zwei Tagen arbeite ich von zu Hause. Kann ich Fahrtkosten oder die Homeoffice-Pauschale ansetzen?

Das kommt darauf an, wie der Arbeitgeber den Minijob versteuert. Wird der Lohn pauschal versteuert, müssen Sie als Arbeitnehmer den Arbeitslohn nicht in der Einkommensteuererklärung angeben. Somit besteht auch keine Möglichkeit, etwaige Werbungskosten steuerlich geltend zu machen. Wird dagegen die Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt nach Maßgabe der Lohnsteuerabzugsmerkmale erhoben, hängt die Höhe von der Steuerklasse ab. In diesem Fall muss gegebenenfalls eine Steuererklärung eingereicht werden mit der Folge, dass Werbungskosten, wie die Entfernungspauschale oder die Homeoffice-Pauschale, Aufwendungen für Arbeitsmittel oder andere berufliche Aufwendungen geltend gemacht werden können.

Ich bekomme eine kleine Summe Pflegegeld. Muss ich das eintragen?

Nein, das Pflegegeld ist für Sie steuerfrei und muss nicht in der Steuererklärung angegeben werden. Auch wenn Sie das Pflegegeld an Ihre Angehörigen weitergeben, die Sie pflegen und unterstützen, müssen sie das Pflegegeld ebenfalls nicht versteuern.

Meine Frau und ich sind Rentner. Wir pflegen unsere beiden Mütter, die einen Pflegegrad zwei haben und jeweils noch in ihren Wohnungen leben. Wie setzen wir den Pflegepauschbetrag an?

Von dem Pflegepauschbetrag können alle profitieren, die sich um nahestehende, hilflose Menschen kümmern. Voraussetzung ist, dass die pflegebedürftige Person zu Hause oder bei der Pflegeperson versorgt wird. Der Pflegende darf für seine Aufgaben auch nicht bezahlt werden. Bei Pflegegrad zwei steht ein Pauschbetrag von 600 Euro pro Jahr zu. Da Sie beide Ihre Mütter pflegen, können Sie in Ihrer gemeinsamen Steuererklärung jeder für sich je 600 Euro absetzen. Die Angaben zur pflegebedürftigen Person und zum Pflegegrad sind in der Anlage Außergewöhnlichen Belastungen einzutragen. Ändert sich der Pflegegrad, erhöht sich der Pauschbetrag. Bei Pflegegrad drei sind es 1.100 Euro, und bei den Pflegegraden vier und fünf beziehungsweise dem Merkzeichen „H“ sind es 1.800 Euro.

  • Notiert von Kornelia Noack
  • In den kommenden Tagen lesen Sie unter anderem noch, wie Homeoffice und Kurzarbeit zu berücksichtigen sind.