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Glaserfaser-Ausbau sorgt auch in Sachsen für Streit

Nach langem Zögern geben viele Unternehmen und der Freistaat Sachsen jetzt Gas beim Ausbau des Breitbandangebots. Doch Konflikte vor Ort sind damit vorprogrammiert.

Von Sven Heitkamp
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Wie will Sachsen den Glasfaser-Ausbau vorantreiben.
Wie will Sachsen den Glasfaser-Ausbau vorantreiben. © Dietmar Thomas

Das bayerische Örtchen Gablingen bei Augsburg machte vor ein paar Monaten bundesweit Schlagzeilen mit einem echten Luxusproblem: zweimal schnelles Internet auf dem Lande. Die „Deutsche Glasfaser“ und die Telekom verlegten dort beide ihre Glasfasernetze und rissen für die 4.800 Einwohner zweimal hintereinander die Straßen auf. „Die Zukunft“, witzelte die NDR-Satiresendung Extra 3, „kommt nochmal aufs Dorf.“

Doch das Problem ist nicht nur eines in Gablingen. Der Bundesverband Breitbandkommunikation Breko listet deutschlandweit mehr als 220 solcher Fälle auf, eine Handvoll davon auch in Sachsen – als ginge der Ausbau des Glasfasernetzes nicht ohnehin viel zu langsam voran. Nach aktuellen Zahlen des Breko haben bundesweit jetzt 35,6 Prozent der Haushalte Zugang zum Glasfasernetz, in Sachsen sind es dieses Jahr immerhin 44 Prozent.

Doch Ines Fröhlich, Staatssekretärin im sächsischen Wirtschaftsministerium, reichen diese Wachstumsraten nicht. „Wir sind im Mittelfeld“, sagte sie am Mittwoch auf der ersten Glasfaserkonferenz in Leipzig. „Das ist mir zu wenig.“ Schließlich werde der Breitbandausbau in Sachsen schon seit 2015 vorangetrieben, doch lange Zeit seien Netzanbieter zu zögerlich gewesen. Eine Quote von 44 Prozent nutze auch jenen sächsischen Betrieben nichts, die vor ihrer Haustür immer noch kein Glasfaserkabel haben. Gerade ländliche Räume seien immer noch unterversorgt.

Ein kleinteiliger Flickenteppich

Tatsächlich zeigt der Online-Breitbandatlas der Bundesregierung zwar für die Regionen Dresden, Leipzig und Chemnitz eine sehr hohe Verfügbarkeit beim schnellen Internet – aber auch sehr viele weiße oder hellgraue Flecken selbst in den Ballungsräumen. Und das soll schleunigst anders werden. Laut Breko hat Sachsen aus dem Bundesförderprogramm „Gigabit für Deutschland“ des Bundes seit 2015 rund 1,7 Milliarden Euro bewilligt bekommen, fast die gleiche Summe steuern der Freistaat und die Kommunen zu.

Mit dem Geld wird der Ausbau der digitalen Infrastruktur in jenen Gebieten gefördert, in denen sich ein privatwirtschaftlicher Ausbau nicht rentieren könnte oder der Markt versagt, weil die Unternehmen diese Investitionen scheuen. Ende Mai gab es in Sachsen fast 200 laufende Förderprojekte aus den sogenannten Weiße-Flecken- und Hellgraue-Flecken-Programmen. Eine zweite Runde der Gigabitförderung des Bundes ist zudem im April gestartet. Spätestens bis 2030 will die Bundesregierung den flächendeckenden Ausbau in Deutschland erreicht haben.

Leicht ist das nicht. Zwischen privatwirtschaftlich rentablen und geförderten Ausbauprojekten gibt es oft einen bemerkenswerten Wettbewerb. Geförderte Vorhaben in strukturschwachen Regionen und privatwirtschaftliche Projekte von Investoren kommen sich mitunter in die Quere und sorgen für einen kleinteiligen Flickenteppich. Breko-Geschäftsführer Stephan Albers appelliert daher an die Politik, „punktgenau zu prüfen“, wo eine Förderung nötig sei.

Kabel-Inhaber verlangen hohe Summen

Immerhin sind inzwischen auch von Finanzinvestoren getriebene Unternehmen in das Geschäft eingestiegen. Staatssekretärin Fröhlich verteidigte indes die Förderaktivitäten des Freistaates. „Sie rennen bei mir offene Türen ein, wenn sie eigenwirtschaftlich ausbauen wollen“, betonte Fröhlich. „Aber das ist nicht überall möglich. Wir haben immer noch Gebiete, die wir mit staatlicher Förderung unterstützen müssen.“

Auch die Chefin der Digitalagentur Sachsen, Frauke Greven, will vorhandene Gelder abrufen: „Die Bundesländer wären schlecht beraten, die Fördermittel nicht zu nutzen.“ Der Staat müsse dorthin gehen, wo die Wirtschaft nicht hingehe. Wettbewerb sollte es nicht beim Ausbau der Kabelnetze geben, so Greven, sondern bei den digitalen Angeboten. Laut dem Gigabitbüro des Bundes wären 91 Prozent der Regionen in Deutschland betriebswirtschaftlich zu betreiben – neun Prozent aber auch nicht. Hilfreich wäre dabei eine engere Zusammenarbeit der Unternehmen mit dem Freistaat und den Kommunen, so Fröhlich. Das Land arbeite daher seit März an einem Pakt für den Breitbandausbau, an dem Verbände, Unternehmen und Kommunen zusammenarbeiten.

Doch auch die Unternehmen im Markt führen teils einen harten Wettkampf – wie das Beispiel des umstrittenen Doppelausbaus zeigt. Selbst auf der Glasfaserkonferenz lieferten sich die Wettbewerber einen offenen Schlagabtausch. Breko-Geschäftsführer Stephan Albers warf der Telekom vor, den Doppelausbau voranzutreiben. Die Aktivitäten des Konzerns führten zu einer großen Verunsicherung in den betroffenen Kommunen und bei anderen Unternehmen. „Doppelt auszubauen, ist kontraproduktiv.“ Udo Harbers, Interessenvertreter der Telekom in Sachsen und Bayern, lässt den Vorwurf allerdings nicht auf sich sitzen. Auch andere Unternehmen würden den Doppelausbau vorantreiben. „Das kann man nicht nur der Telekom anlasten“, so Harbers. Infrastruktur-Wettbewerb sei außerdem politisch gewollt. Möglich wäre indes, dass mehrere Unternehmen das gleiche Netz eines Betreibers nutzen. Doch die jeweiligen Inhaber der Kabel verlangen dafür von ihrer Konkurrenz oft sehr hohe Preise. Das Gigabitbüro des Bundes hat inzwischen eine Clearingstelle eingerichtet, um solche Konflikte zu schlichten. Der Fall von Gablingen wäre damit vielleicht nicht passiert.