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Mit 80 Jahren bei der Telekom zu alt für einen Vertrag?

Ein Rentnerpaar aus der Lausitz will sein Eigenheim mit einem Glasfaseranschluss aufwerten – und scheitert fast an den Regeln der Telekom. Kein Einzelfall.

Von Kornelia Noack
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Und jetzt bitte nur noch hier unterschreiben! Vor allem Ältere lassen sich oft zu Verträgen drängen.
Und jetzt bitte nur noch hier unterschreiben! Vor allem Ältere lassen sich oft zu Verträgen drängen. © 123rf

Dürfen denn Senioren kein modernes Internet mehr bekommen? Diese Frage stellte sich das Ehepaar Schneider aus der Lausitz, nachdem es Besuch von einem Telekom-Vertreter hatte. Klaus Schneider* war alleine zu Hause, als der Mann an der Tür klingelte. Das Unternehmen werde in den nächsten Monaten Glasfaseranschlüsse in der Straße bauen, erklärte er.

Hauseigentümer, die sich vor der Ausbauphase dafür registrieren, würden den Anschluss kostenfrei erhalten. Wer sich erst später entscheide, müsse knapp 800 Euro dafür zahlen. So erinnert sich der 79-Jährige. Allerdings: Um das schnelle Netz auch nutzen zu können, sei ein Glasfaser-Tarif nötig, wie der Vertreter weiter erklärte, den man schon jetzt abschließen könne.

Schnelles Internet wird ausgebaut

Glasfaser erlaubt eine Download-Geschwindigkeit im Gigabit-Bereich pro Sekunde – und ist damit um ein Vielfaches schneller als DSL. Auch in der Dresdener und Chemnitzer Region sind Telekom-Vertreter derzeit unterwegs, um Kunden zu gewinnen, wie verschiedene Leserhinweise zeigen.

„Da ich nicht viel davon verstehe, habe ich dem Vertreter vorgeschlagen, dass sich mein Schwiegersohn telefonisch zurückmeldet. Er kümmert sich bei uns immer um die technischen Sachen“, erzählt Klaus Schneider. Parallel erkundigte sich seine Frau Karin bei ihrer Gemeinde: Tatsächlich sei im Ort ein Glasfaser-Ausbau in Zusammenarbeit mit der Telekom geplant.

Neuer Tarif ist kaum teurer

Kurz darauf kam der Vertreter erneut bei den Schneiders vorbei. Der Schwiegersohn war per Videotelefonie zugeschaltet. „Der Mitarbeiter fragte mehrmals nach, ob ich die 80 Jahre nicht schon überschritten habe“, sagt Klaus Schneider. Das Paar stimmte dem Anbieterwechsel zu und schloss einen neuen Vertrag für Festnetztelefon und Wlan ab.

Bei ihrem bisherigen Anbieter 1&1 hatten sie eine Bandbreite von 50 Megabit pro Sekunde – genug für ihren Gebrauch. Dieselbe Option wählten sie daher auch bei der Telekom. „Künftige Hauseigentümer sollten aber die Bandbreite später erhöhen können. Wir wollten unser Haus mit dem Glasfaser aufwerten“, sagt Karin Schneider. Preislich macht der Wechsel nur wenige Euro pro Monat aus. Allerdings mussten die Schneiders einen neuen, glasfaser-kompatiblen Router für knapp 200 Euro kaufen.

Wenige Tage später erhielt das Paar einen Anruf der Telekom und wurde noch einmal über den Abschluss aufgeklärt – auch hier habe man sich deutlich nach dem Alter erkundigt. „Wieso?“, wunderte sich Klaus Schneider und wandte sich mit der Frage an saechsische.de.

Bundesweit zahlreiche Beschwerden

Im Internet kursieren etliche Berichte über Senioren in Deutschland, die wegen ihres Alters diskriminiert werden. So wurde einem Ehepaar der Kauf einer Solaranlage für ihr Hausdach verwehrt. Offensichtlich waren die beiden den Firmen mit ihren 72 Jahren zu alt. Auch für Handyverträge einzelner Anbieter scheint ein betagtes Alter ein Ausschlusskriterium zu sein, oder für einen Gasanschluss. Doch ist das rechtens?

„Gesetzliche Vorgaben dazu, dass Waren und Produkte nur an Verbraucher bis zu einem bestimmten Alter verkauft werden dürfen, gibt es aus meiner Sicht nicht“, erklärt Micaela Schwanenberg, Rechtsreferentin bei der Verbraucherzentrale Sachsen. Bislang seien in den Beratungsstellen auch noch keinerlei Fälle bekannt geworden.

Beschränkungen im Jugendschutz

Zwar gebe es beim Verkauf Altersbeschränkungen unter dem Aspekt des Jugendschutzes. „Dabei handelt es sich allerdings um Festlegungen, ab welchem Alter Waren und Produkte erworben werden dürfen und nicht, bis wann“, sagt Schwanenberg.

Grenzen könnten sich aus ihrer Sicht dann ergeben, wenn beispielsweise ein Kaufpreis über ein Darlehen zu finanzieren wäre und wenn aufgrund des Alters eine sinnvolle beziehungsweise machbare Laufzeit nicht realistisch wäre – so wie etwa bei einer Solaranlage.

Für Anbieter gilt Vertragsfreiheit

Grundsätzlich gilt die Vertragsfreiheit. Daraus folgt aber auch: Ein Anbieter muss nicht mit jedem Kunden einen Vertrag eingehen. „Man muss Unternehmen sicherlich eine gewisse Freiheit zubilligen, die Zielgruppe ihrer Vertragspartner und die Zielgruppe für ihre Angebote und Produkte festzulegen“, sagt die Verbraucherschützerin.

Aber: „Das darf nicht dazu führen, dass bestimmte Personengruppen per se von bestimmten Waren und Verträgen ausgeschlossen sind.“ Was also steckt hinter dem Vorgehen der Telekom?

Telekom hat eigene Altersregeln

Bekannt ist, dass das Unternehmen seine Produkte nicht selten über den Direktvertrieb vermarktet. Das bedeutet, Vertriebsmitarbeiter besuchen potenzielle Kunden zu Hause und beraten sie dort persönlich. „Oftmals wird Anbietern vorgeworfen, gerade ältere Menschen an der Haustür zu überrumpeln. Das macht die Telekom ausdrücklich nicht“, teilt Sprecherin Stefanie Halle auf SZ-Anfrage mit.

Vor etwa acht Jahren habe man eine Über-80-Regelung eingeführt. Diese ist Teil des „code of contact“ (auf Deutsch: Regeln für den Kundenkontakt), zu dem jeder Vertriebsmitarbeiter vertraglich verpflichtet sei. „Das heißt, Kunden dieses Alters werden bei einem Haustürgespräch zu einem Tarifvertrag an den nächsten Shop oder unsere Hotline verwiesen. Damit stellen wir sicher, dass ältere Menschen nicht übervorteilt werden“, sagt Halle.

Werden Senioren benachteiligt?

Verbraucherschützerin Schwanenberg hält das Vorgehen für rechtlich haltbar. Schließlich würden ältere Kunden nicht vom Produkt – in dem Fall einem Telefontarif – ausgeschlossen, sondern lediglich von einer Art und Weise des Vertragsabschlusses, und das zum gegenseitigen Schutz.

Klaus Schneider sieht das anders. Er fühlt sich durch die Altersregel diskriminiert. „Man kann doch nicht alle Rentner über einen Kamm scheren. Wir haben uns auch Hilfe von unserem Schwiegersohn dazu geholt.“

Eine Ausnahme von ihrem Kodex lässt die Telekom allerdings zu. Die Glasfaseranschlüsse bis ins Haus dürfen ihre Vertreter vor Ort an Kunden bis zu einem Alter von 85 Jahren vermarkten. „Viele Immobilien sind im Besitz älterer Menschen. Ein Glasfaseranschluss ist eine Aufwertung der Immobilie“, so die Sprecherin.

Haustür-Verträge gründlich prüfen

Entscheidet sich ein Kunde zu einem Vertragsabschluss, erhalte er zudem einen Qualitätsanruf – so wie das Ehepaar Schneider. „Der Kunde kann hier den Auftrag auch direkt stornieren“, sagt Halle. Die Mitarbeiter, die die Anrufe tätigen, seien in der Gesprächsführung mit älteren Menschen geschult.

Die Verbraucherzentrale rät, Angebote von Haustürvertretern für Glasfaser grundsätzlich genau zu prüfen. Oft würden sie teure Verträge mit überdimensionierter Bandbreite verkaufen, die normale Internetnutzer gar nicht benötigen.

Wer nur ab und zu surft und mal einen Film streamt, so wie die Schneiders, braucht nicht mehr als 50 Megabit pro Sekunde. Bei mehreren Personen im Haushalt, bei denen verschiedene Geräte gleichzeitig online sind, sollte dagegen eine Bandbreite von bis zu 200 Mbit/s gewählt werden.

Freie Wahl des Anbieters

Außerdem sollte man beachten: Der Hausanschluss durch die Telekom ist nicht an den Abschluss eines Tarifs bei dem Unternehmen gebunden. Die Schneiders hätten also auch einen anderen Telekommunikationsanbieter wählen können. Laut Verbraucherzentrale ist es jedoch meist so, dass Anbieter, die die Glasfaserkabel legen und ausbauen, das Netz in den ersten Jahren nur selbst vermarkten – und es erst später auch anderen Anbietern zur Verfügung stellen.

Die Schneiders sind im Rückblick zufrieden mit ihrer Entscheidung. Nur eins fehlt noch bis jetzt: Knapp zwei Monate nach dem Vertragsabschluss hat der Glasfaser-Ausbau in ihrer Straße noch immer nicht begonnen.

* Name auf Wunsch geändert