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Inflation schwächt sich im Juni etwas ab - keine Trendwende

Mit Tankrabatt und 9-Euro-Ticket will die Regierung die Menschen entlasten. Im Juni schwächt sich die Inflation etwas ab. Ein Ende hoher Teuerung ist aber nicht in Sicht.

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ARCHIV - 14.04.2021, Berlin: Ein Einkauf liegt in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt. (zu dpa " Inflation verliert etwas an Dynamik - Behörde gibt Details bekannt") Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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ARCHIV - 14.04.2021, Berlin: Ein Einkauf liegt in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt. (zu dpa " Inflation verliert etwas an Dynamik - Behörde gibt Details bekannt") Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa © dpa

Wiesbaden. Die Inflation in Deutschland verharrt trotz Tankrabatt und 9-Euro-Ticket auf rekordverdächtigem Niveau. Die zu Monatsbeginn eingeführten Entlastungen dämpften den Preisauftrieb im Juni allerdings etwas. Die Verbraucherpreise legten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,6 Prozent zu. Die Behörde bestätigte am Mittwoch damit eine erste Schätzung. Im Mai hatte die Jahresinflationsrate noch bei 7,9 Prozent gelegen. Es war der höchste Stand seit fast 50 Jahren.

Vor allem Preissprünge bei Energie und inzwischen auch bei Lebensmitteln heizen die Inflation in Europas größter Volkswirtschaft an. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sich diese für einen Euro weniger leisten können. Das birgt sozialen Sprengstoff. Die Rufe nach weiteren Entlastungen werden lauter.

Die Diakonie Deutschland und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlugen trotz der bisherigen Entlastungspakete der Koalition Alarm. Die Inflation treffe einkommensschwache Haushalte überproportional. In vielen Fällen führe sie zu existenzbedrohenden Krisen. Dem DIW zufolge geben die einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushalte mehr als 62 Prozent ihrer Konsumausgaben für Nahrungsmittel, Wohnen und Haushaltsenergie aus. Bei den einkommensstärksten 20 Prozent sind es demnach nur 44,1 Prozent.

Die Diakonie schlug vor, Bedürftige sollten einen Krisenzuschlag auf ihre staatliche Leistung von mindestens 100 Euro pro Monat erhalten. Der Zuschlag solle für eine Dauer von sechs Monaten bezahlt werden und an Haushalte gehen, die Wohngeld, Kinderzuschlag, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Sozialgeld nach dem Sozialgesetzbuch II oder Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit erhalten.

Kommende Monate werden noch schwieriger

DIW-Präsident Marcel Fratzscher nannte den Vorschlag präzise, umsetzbar und pragmatisch. "Wir haben schon für viele Menschen heute eine Notsituation. Nicht, weil es eine Knappheit gibt - sondern weil die Preise explodiert sind", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". "Die Menschen, die brauchen jetzt dringend Geld in die Tasche, denn die Situation wird nicht besser, sondern eher in den kommenden Monaten nochmal deutlich schlechter."

Auch der Außenhandelsverbandes BGA forderte Entlastungen. "Eine Debatte über den zu hohen Steueranteil an den Energiekosten ist überfällig", sagte Verbandspräsident Dirk Jandura. "Er ist nicht nur für die Bürger, sondern für die Wettbewerbsfähigkeit aller Unternehmen in Deutschland eine echte Belastung."

Leichtes Heizöl kostete im Juni mehr als doppelt so viel als ein Jahr zuvor (plus 108,5 Prozent). Auch Erdgas (plus 60,7 Prozent) und Strom (plus 22,0 Prozent) verteuerten sich deutlich. Der Preisauftrieb bei Sprit schwächte sich ab. Kraftstoffe kosteten 33,2 Prozent mehr, im Mai waren es noch 41,0 Prozent.

Die Bundesregierung versucht, die Menschen unter anderem mit dem auf drei Monate befristeten Tankrabatt und dem 9-Euro-Ticket zu entlasten.

Nahrungsmittel werden immer teurer

Die Auswirkungen des Tankrabatts lassen sich dem Bundesamt zufolge wegen der schwankenden Rohölpreise allerdings nicht exakt beziffern. Rein rechnerisch hätte sich der Verbraucherpreisindex im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent erhöht, wenn die Preise für Sprit und den öffentlichen Personenverkehr ohne Entlastungsmaßnahmen im Juni unverändert gegenüber Mai geblieben wären, erläuterte die Behörde.

Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln beschleunigte sich im Juni auf 12,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Im Mai waren die Preise noch um 11,1 Prozent und im April um 8,6 Prozent gestiegen. Besonders deutlich verteuerten sich Speisefette und Speiseöle (plus 43,1 Prozent). Zweistellige Teuerungsraten gab es auch bei Fleisch und Fleischwaren (plus 18,9 Prozent), Molkereiprodukten und Eiern (+15,3 Prozent) sowie Brot und Getreideerzeugnisse (plus 12,5 Prozent). Ohne Berücksichtigung von Energie und Nahrungsmitteln hätte die Jahresinflationsrate im Juni bei insgesamt 3,2 Prozent gelegen.

Gegenüber Mai legten die Verbraucherpreise im Juni insgesamt um 0,1 Prozent zu. Auch hier bestätigte die Behörde eine erste Schätzung.

Ein Ende hoher Teuerungsraten ist vorerst nicht in Sicht. Das zeigt auch ein Blick auf die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte. Diese sanken im Mai gegenüber dem Vormonat zwar leicht, im Vergleich zu Mai 2021 stiegen sie aber um 36 Prozent. In der Regel werden Steigerungen zeitversetzt an die Verbraucher weitergegeben.

Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern gab es ähnlich hohe Werte im Winter 1973/1974. Damals stiegen die Ölpreise infolge der ersten Ölkrise stark.