Kohlemillionen: Von wegen schnell und unkompliziert

Es hatte sich alles so toll angehört, damals im Spätsommer 2020 auf dem Rotstein bei Löbau. Als Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) den Bürgermeistern des Kreises Görlitz ankündigte: Schon im Sommer 2021 würden sie loslegen können mit ihren Investitionen in den Strukturwandel der Region. Die Mittel aus dem milliardenschweren Kohletopf würden den Kommunen schnell und unkompliziert zur Verfügung gestellt. Es sollte sehr vereinfachte Förderverfahren geben. Aber davon merkt man in den Gemeinden nichts. Im Gegenteil: Es kommen immer wieder neue Forderungen und neue Gremien, die auch noch mitreden wollen.
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"Von wegen schnell und unkompliziert", sagt Großschönaus Bürgermeister Frank Peuker (parteilos) heute - anderthalb Jahre später. Denn bis heute liegt in Großschönau noch kein Bewilligungsbescheid über die Mittel aus dem Kohletopf vor - obwohl die Gemeinde sie voriges Jahr als eine der ersten beantragt und auch gleich in der ersten Vergaberunde bestätigt bekommen hatte. Und wie es aussieht, wird das Geld auch so bald nicht kommen. Denn vor wenigen Tagen hat die Sächsische Aufbaubank (SAB), die die Anträge der Gemeinden abwickelt, den Großschönauern statt des erhofften Bescheids erst einmal eine Mitteilung geschickt, dass ihr Antrag "noch nicht abschließend bewilligungsreif sei" und noch umfangreiche Unterlagen nachgereicht werden müssten.
Dabei hatte eine zuständige Mitarbeiterin der SAB der Gemeinde noch im Dezember versichert, dass ihr Antrag sehr wohl bewilligungsreif wäre und nur noch formell durch ein Gremium des Sächsischen Ministeriums für Regionalentwicklung bestätigt werden müsse, ärgert sich der Bürgermeister.
Mit dem Geld aus dem Kohletopf - vorerst sind das 800.000 Euro - will Großschönau ein großes Projekt verwirklichen: Die alte Webschule, ein ortsprägendes und industriegeschichtlich bedeutendes Baudenkmal, soll vor dem Verfall gerettet und als ein Ort der Kultur wiederbelebt werden. "Und nicht nur als ein Ort der Kultur", fügt Frank Peuker hinzu, sondern vor allem auch als ein Ort, an dem die Oberlausitzer Textiltradition bewahrt und fortgeführt wird. Vorstellbar sei sogar, dass hier in Zukunft wieder - wie schon seit 1870 - Facharbeiter für Textiltechnik ausgebildet werden. In der ganzen Oberlausitz, allein schon in den beiden großen ortsansässigen Textilfirmen Möve-Frottana und Damino, ist der Bedarf an jungen Fachkräften groß.
Und es soll eine textile Kreativwerkstadt eingerichtet werden - mit Veranstaltungen, Seminaren und Angeboten für Touristen. Über ein anders Förderprogramm hat die Gemeinde dafür schon seit November zwei Mitarbeiterinnen eingestellt. "Wir sind ja nach allen Ankündigungen davon ausgegangen, dass wir schon längst hätten beginnen können", sagt Peuker.
Dass das Großschönauer Projekt sehr gut in die Ziele für den Strukturwandel in der Lausitz passt, hatte man der Gemeinde von Anfang an bestätigt. Die Pläne für den Umbau und die Sanierung der alten Webschule sind längst fertig. Käme die Bewilligung, könnte sofort ausgeschrieben werden - wenn sie denn endlich käme.
Bis zum 11. Februar sollen die Großschönauer die noch gewünschten Unterlagen nachreichen. Und das werden viele: Angefangen von konkreten Angaben zu den zukünftigen Nutzern der Seminarräume über eine erneute Stellungnahme des Landkreises bis hin zu einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und einem aktualisierten Bauablaufplan. "Wir werden auch das alles termingerecht schaffen", sagt der Bürgermeister.
Und er fügt hinzu, dass er unter diesen Bedingungen ganz froh sei, dass es sich bei diesem Projekt um ein verhältnismäßig kleines Vorhaben handelt, für das bereits die Baugenehmigungen vorliegen. "Man kann erahnen, wie die großen Ideen ablaufen werden", sagt Peuker und fragt sich, wie auf diese Weise der Strukturwandel überhauüt gelingen soll.
Der Großschönauer Bürgermeister ist nicht der einzige, der sich das fragt. Auch in Olbersdorf, wo man extra zwei Mitarbeiter abgestellt hat, die sich ausschließlich um die Anträge für das Geld aus dem Strukturwandeltopf kümmern, ist der Frust inzwischen groß. Die beiden Mitarbeiter sind mit den Anträgen seit einem halben Jahr restlos ausgelastet - und noch nicht einmal bis zur ersten Bewilligungsrunde beim regionalen Begleitausschuss vorgedrungen, die Großschönau im letzten Frühjahr passiert hatte.
Nach einer Information aus dem Sächsischen Ministerium für Regionalentwicklung haben bisher von allen eingereichten Projekten aus dem Landkreis Görlitz fünf einen Bewilligungsbescheid erhalten. Nur in einem Fall - für den Bau eines Servicecenters des Landratsamts am Standort Weißwasser - ist bereits Geld geflossen.