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Milliarden-Aufträge für Lausitzer Firmen

Dafür fließt Geld im Rahmen des Strukturwandels. Zudem soll es rund 113 Millionen Euro an Firmenförderung in Sachsen geben.

Von Irmela Hennig
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Für den Strukturwandel in der Lausitz werden immense Summen aufgewendet.
Für den Strukturwandel in der Lausitz werden immense Summen aufgewendet. © imago

Im Rahmen des Lausitzer Strukturwandels können Unternehmen in den nächsten Jahren auf Aufträge im Umfang von rund 1,75 Milliarden Euro hoffen. Auf die Kreise Bautzen und Görlitz entfalle etwa eine Dreiviertelmilliarde. Diese Zahlen nannten Heiko Jahn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Lausitz in Cottbus, beziehungsweise Professor Norbert Menke, Geschäftsführer der Sächsischen Agentur für Strukturwandel. Beziehe man das Mitteldeutsche Braunkohlerevier ein, komme Sachsen ebenfalls auf eine Milliarde Euro. Norbert Menke geht davon aus, dass viel vom Auftragsvolumen durch regionale Firmen gestemmt werden kann.

Allerdings nicht alles, auch wegen fehlender Fachkräfte, so Menke am Rande des ersten „Lausitzforums 2038“. Das fand am Mittwoch im Kulturhaus der BASF Schwarzheide statt und widmete sich Themen wie Energiewende, Fachkräftesicherung und Wirtschaftsförderung. Veranstalter waren die Unternehmerverbände Sachsen und Berlin-Brandenburg mit 600 beziehungsweise 400 Mitgliedsbetrieben. Sie vertreten im Verbund aber etwa 22.000 kleine und mittelständische Firmen im Osten Deutschlands und Berlin. Dort herrsche die Meinung, dass viele gestartete Maßnahmen und Projekte zum Strukturwandel an den Interessen und dem kreativen Potenzial der regionalen Wirtschaft vorbeigehen, behaupten die Verbandsvertreter.

Vor rund 200 Forumsteilnehmern aus Wirtschaft und Politik sprach unter anderem Steffen Söll, seit 2011 Geschäftsführer des Maschinenbauers SKM Group in Boxberg im Kreis Görlitz. Er nannte seinen Betrieb den „Max Mustermann eines vom Strukturwandel kernbetroffenen Unternehmens in der Lausitz“. Er sei als „Satellit in den 1990er-Jahren im Bergbauumfeld ausgegründet worden“. Man arbeite seit Jahren daran, alternative Standbeine zu schaffen. Die Firma produziert unter anderem Anlagen für den Bausektor. Im Strukturwandelkonzept habe Söll zunächst eine Chance gesehen. „Allerdings kommt der Mittelstand da kaum vor“, kritisierte er. Und hofft nun auf Finanzen aus dem Just Transition Fund (JTF) der EU. Darüber kommen 645 Millionen Euro nach Sachsen, um beim Umbruch zu helfen. Die dürfen, anders als bisherige Fördergelder, an Unternehmen gehen.

Staatssekretärin gibt Firmen einen Tipp

Nach Angaben von Barbara Meyer, Staatssekretärin im Sächsischen Regionalentwicklungsministerium, sollen etwa 113 Millionen Euro für direkte Wirtschaftsförderung genutzt werden, man wolle aber auch Fachkräftesicherung unterstützen sowie Infrastrukturvorhaben. Wie Meyer informierte, werde für den Umgang mit dem Geld eine Richtlinie erarbeitet. Konkret könne man in Sachsen wohl im zweiten Quartal 2023 starten.

Die Empfehlung auf dem Forum an Betriebe: Sie sollten sich jetzt schon ein Kundenportal bei der Sächsischen Aufbaubank zulegen, das sei Voraussetzung, um Chance auf Geld zu haben, aber aufwendig. Laut Meyer plane der Freistaat zwei Unternehmensprogramme mit den JTF-Mitteln. Damit soll unter anderem die Errichtung und Modernisierung von Betrieben und das Erschließen von neuen Geschäftsfeldern gefördert werden. Angedacht sei auch ein Bonus für junge Unternehmen, bei denen private Kapitalgeber Geld anlegen. Der Freistaat werde dies dann subventionieren. Zudem soll es einen Darlehensfonds für Digitalisierung und die Markteinführung von Produkten geben. Auch Energieunternehmen sollen vom JTF-Programm profitieren. Mit Polen wolle sich Sachsen für eine Verlängerung der Förderzeiträume einsetzen.

Vorgestellt wurden auf dem Forum auch Strukturwandel-Projekte. So will die Leag bis 2030 mit Fotovoltaik und Windkraft ein Zentrum für erneuerbare Energien schaffen. Mit einer Leistung von zunächst sieben Gigawatt könnten rechnerisch vier Millionen Haushalte versorgt werden. Über zehn Milliarden Euro werden investiert. Weitere sieben Gigawatt könnten hinzukommen. Allerdings stehe dem das deutsche Planungsrecht entgegen. Werde das nicht geändert, stagniere das Projekt bei 3,3 Gigawatt. Das Thema sprach indirekt auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) an. Er habe sich mit Blick auf erneuerbare Energien „mehr revolutionären Geist vom Bundeswirtschaftsministerium gewünscht“. Kurzfristig forderte er die rasche Unabhängigkeit von Energie aus dem Ausland durch Nutzung aller eigener Möglichkeiten im Land. Gaskraftwerke gehörten indes raus aus dem deutschen Strommarkt. Zustimmung kam von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Er kritisierte heftig das mögliche Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030.

Präsentiert wurden in Schwarzheide zudem Vorhaben im Bereich Wasserstoff. Bis 2024 sollen in der brandenburgischen Lausitz die ersten beiden Wasserstoff-Tankstellen der Region entstehen. Auf dem Siemens-Gelände in Görlitz baut die Fraunhofer-Gesellschaft das „Hydrogen Lab“. Dort soll der gesamte Wasserstoffkreislauf von der Erzeugung über die Speicherung bis zur Nutzung in der Brennstoffzelle geschaffen werden. Und in Rothenburg bei Görlitz soll ein CO2-neutrales Gewerbegebiet mithilfe von Wasserstoff entstehen.