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Und ewig kostet die Kohle

Sulfat, Eisen, rutschende Kippen – mit den Folgen der Förderung des fossilen Brennstoffs hat die Lausitz noch sehr lange zu tun. Was den Betrieb noch geraume Zeit beschäftigen wird – ein Überblick.

Von Irmela Hennig
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© Matthias Wehnert

Braunkohle – wie lange sie in der Lausitz noch abgebaut wird, ist aufgrund der Entwicklungen im Energiesektor ungewiss. Doch klar ist, auch abgesehen vom Klimawandel verursacht die Förderung Folgekosten und Arbeit für lange Zeit, manche sagen, für die Ewigkeit. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) saniert seit den 1990er-Jahren die Kohle-Altlasten. Was den Betrieb noch geraume Zeit beschäftigen wird – ein Überblick.

Braune Spree säubern

„Braune Suppe bedroht Urlaubsparadies“ – so und ähnlich lauteten ab Anfang der 2010er-Jahre immer wieder Schlagzeilen. Die Braunfärbung von Spree und einigen Bächen in der Lausitz verunsicherte Touristiker, Angler, Umweltschützer und Lokalpolitiker; besonders der Spreewald war gefährdet. Erste Berichte dazu gab es in den 1990er-Jahren. Ein unerklärliches Phänomen ist dies nicht. In der Lausitz gibt es Raseneisenerz, besser Pyrit.

In Lauchhammer beispielsweise wurden Knollen aus Raseneisenstein an der Oberfläche gefunden, weiß Bernd Sablotny, Chef des Bergbausanierers LMBV. Als die Tagebaue erschlossen wurden, senkte man das Grundwasser ab. Dadurch gelangte Luft an den Pyrit im Boden. Er verwitterte, wurde wasserlöslich. Ähnliches gilt für Sulfat. Mit dem Auslaufen von Gruben steigt das Grundwasser wieder an, löst Eisen und Sulfat, spült es in Flüsse, Bäche, Seen und in die Talsperre Spremberg. Giftig sei das Eisenhydroxid selbst nicht. Es ersticke aber Fische und Pflanzen und sieht unappetitlich aus. Deswegen wird es entfernt. Allein für die Talsperre Spremberg fallen dafür derzeit jährlich rund zehn Millionen Euro Kosten an.

Eine neue Behandlungsanlage in Plessa in Südbrandenburg schlage mit 80 Millionen Euro zu Buche, so Sablotny. Hinzu kommen danach jährlich fünf Millionen Euro an Folgekosten nur für Plessa. Für wohl 100 Millionen Euro könnte am Nordufer des Speicherbeckens Lohsa II im Großraum Hoyerswerda eine unterirdische Dichtwand entstehen, um zu verhindern, dass gelöstes Eisen aus dem Kippenmassiv Lohsa in die Spree strömt. Weil das entfernte Eisenhydroxid mit Düngemitteln, Sediment, Blättern und anderem verunreinigt ist, muss es auf eine Deponie.

Gewässerqualität verbessern

Auch das erwähnte Sulfat gelangt beispielsweise in die Spree. Zu viel davon kann beim Menschen Bauchkrämpfe, Durchfall, Übelkeit verursachen. Der Grenzwert für die Sulfatkonzentration im Trinkwasser liegt bei 250 Milligramm pro Liter. Die Sulfatkonzentration in der Spree im südlichen Brandenburg betrage 400 bis 450 Milligramm pro Liter. Man könne das nicht entfernen, nur verdünnen.

Auch da ist offen, wie lange dies nötig ist. Kümmern muss sich die LMBV auch um einen geeigneten pH-Wert in den Seen. Ein Wert um sieben bedeute neutrale Verhältnisse. Im Lausitzer Kohlerevier ist Wasser oft zu sauer, der pH-Wert zu niedrig. Die LMBV steuert beispielsweise mit Kalkzufuhr dagegen an. Dafür hat sie sogar ein eigenes Schiff.

Rutschgefahr an Ufern stoppen

Wenn in ehemaligen Tagebauen Seen entstehen, ist ein Teil des Ufers oft gekippt, also neu geschaffen worden. Anders als über Jahrtausende gewachsener Boden, müssen diese Kippen stark stabilisiert werden, sonst können sie rutschen. Passiert ist das unter anderem 2010 im einstigen Tagebaufeld Spreetal bei Hoyerswerda auf zwei Kilometern Länge. 2016 kostete eine Rutschung am Concordiasee bei Nachterstedt in Sachsen-Anhalt drei Menschenleben.

Wo die Gefahr nicht auszuschließen ist, sind Flächen darum gesperrt. Das betrifft in der Lausitz derzeit 30.000 Hektar. „Wenn wir alles komplett sanieren wollen, dauert es 50 Jahre und kostet drei Milliarden Euro“, schätzt LMBV-Chef Bernd Sablotny. Also werde priorisiert und abgearbeitet. Die LMBV hat zum Bau stabiler Kippen neue Verfahren entwickelt – wie die „Schonende Sprengverdichtung“ für Innenkippen. Die Wirksamkeit sei grundsätzlich belegt.

Für die endgültige Anerkennung brauche die LMBV noch einen quantitativen Nachweis, so eine Unternehmenssprecherin. Um zu versichern, dass keine Gefahr mehr bestehe für einen Geländeeinbruch. Für den Nachweis werde in einem Pilotprojekt Boden der Innenkippe Seese-Ost bei Lübbenau vereist und eine Gefrierprobe entnommen. Das koste 1,5 Millionen Euro.

Nicht alle Seen werden wohl voll

Die meisten Seen in Besitz der LMBV sind geflutet. Für vier von 44 sei ungewiss, ob der geplante Endwasserstand wirklich so kommt. Es gehe um den Klinger See bei Jänschwalde in Brandenburg, den Spreetaler See bei Hoyerswerda, Golpa-Nord in Sachsen-Anhalt und den Haselbacher See im Altenburger Land.

Das habe zum Teil hydrologische Gründe. So fülle sich der Klinger See nur durch Grundwasser. Das, was inzwischen drin ist, erzeuge Gegendruck, sodass weniger einströme. Einen Zufluss von außen durch einen Bach zum Beispiel gebe es nicht. Durch das frühere Ende des Kohleabbaus fehle teilweise auch Sümpfungswasser. Das wird aus aktiv genutzten Gruben abgeleitet, damit die nicht absaufen. Durch den Klimawandel ist zudem generell weniger Wasser da; die Verdunstung aus Seen ist überdies nicht zu unterschätzen.

Sie sei bei Seen um ein Drittel höher als bei Wald, weiß Bernd Sablotny. Wird ein anvisierter Wasserstand für einen Tagebausee nicht gehalten, müssen Uferbereiche möglicherweise wieder bearbeitet werden. Denn sie sind auf bestimmte Stauhöhen und den damit verbundenen Druck ausgelegt. Gibt es da Änderungen, besteht Rutschungsgefahr.

Pumpen halten Hoyerswerda trocken

Mit dem Rückgang der Kohleförderung steigt seit Jahren das Grundwasser unter Hoyerswerda wieder an. Darum laufen dort Horizontalfilterbrunnen-Pumpen. Sie sorgen dafür, dass unterirdische Ver- und Entsorgungsleitungen nicht unterspült und Gebäude nicht angehoben werden. „Wenn wir sie abstellen, bekommen die Menschen in Hoyerswerda nasse Füße“, sagt Bernd Sablotny. Die Pumpen müssen bleiben.

Planungszeit verkürzen

Nicht ewig, aber lange dauern die vielen Planfeststellungsverfahren für die Tagebausanierung. Dabei wird geprüft, ob raumgreifende Vorhaben und Infrastrukturmaßnahmen zulässig sind. Im Schnitt laufe so ein Verfahren im Bereich Tagebau 14 Jahre. Innerhalb von 27 Jahren habe man 25 Verfahren weitgehend geschafft, 77 stehen noch aus.

Ein weiteres Verwaltungsthema ist die Bergaufsicht. Der unterliegen Tagebaue zunächst, auch wenn sie stillgelegt sind. Es gelten dort besondere Gesetze. 2021 sind 57 Hektar LMBV-Gebiet aus der Aufsicht entlassen worden – für 75.000 Hektar gilt sie aber noch. Bei dem Tempo dauere es noch 1.500 Jahre bis alles da raus sei, rechnet Bernd Sablotny vor. Er geht aber davon aus, dass man künftig schneller vorankomme. Bislang konzentrierte sich die LMBV auf die Sanierung. Nun gehe es da vor allem um Restarbeiten. Eine feste Mannschaft soll die konzentriert erledigen und große Flächen fertigstellen.

Kosten im Griff behalten

Angst vor großen Zahlen – die dürfe man hier nicht haben, wie Bernd Sablotny sagt. Rund 270 bis 300 Millionen Euro verantworte er jährlich. Allein in die LMBV-Sanierung der Braunkohlereviere in Mitteldeutschland und Lausitz sind bislang über 11,8 Milliarden Euro geflossen; die LMBV ist zudem für stillgelegte Kali-, Spat- und Erzbergwerke im Osten Deutschlands zuständig. Das Geld kommt zum kleinen Teil von der LMBV selbst. Im Wesentlichen sind es aber Steuermittel, bereitgestellt von Bund und Ländern.

Geld zu sparen, sei schwierig. Allein der Bereich Braunkohle verursache jährlich rund 80 Millionen Euro an unvermeidbaren Kosten, zum Beispiel für die Gewährleistung einer bestimmten Gewässerqualität und zur Überwachung der Seen. Auch um das Eisenhydroxid kann man sich nicht „später“ kümmern. Die Entsorgung des erwähnten roten Schlamms koste 60 bis 120 Euro pro Kubikmeter. Nur in der Wasserbehandlungsanlage Plessa fallen etwa 25.000 bis 30.000 Kubikmeter jährlich an.

Das Ende der Arbeiten nicht festgelegt

Konkret plant die LMBV derzeit bis 2049. Doch weil sich das riesige Rekultivierungsprojekt schwer vorhersagen lässt, weil es immer wieder Unerwartetes gibt, wie Rutschungen, ist ein Ende nicht abzusehen.