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Wandel in den Kohleregionen muss schneller werden

Während Politiker ein neues Expertengremium zur Projektentwicklung in Aussicht stellen, fordern DGB und Kommunen vor allem schnell frisches Geld.

Von Nora Miethke
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Blick auf die Kraftwerksanlagen und Abgas- Türme des Heizkraftwerkes der LEAG Lausitz Energie Kraftwerke AG in Lippendorf. Foto: euroluftbild.de/Gerhard Launer
Blick auf die Kraftwerksanlagen und Abgas- Türme des Heizkraftwerkes der LEAG Lausitz Energie Kraftwerke AG in Lippendorf. Foto: euroluftbild.de/Gerhard Launer © euroluftbild.de/Gerhard Launer

In den vergangenen Monaten hagelte es massive Kritik, wie die Milliarden Euro für den Strukturwandel in den sächsischen Kohleregionen verwendet werden, insbesondere in der Lausitz. „Unsere Zwischenbilanz der Strukturförderung in den sächsischen Revieren fällt negativ aus“, betont zum Beispiel Markus Schlimbach, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Das Verfahren der Mittelvergabe nach dem Windhundprinzip, die geringe Fokussierung auf Vorhaben, die vor Ort in den Revieren gut bezahlte tarifgebundene Arbeitsplätze sichern und schaffen sowie die ungenügende Einbeziehung der Sozialpartner in die Entscheidungen seien nur einige der Kritikpunkte, so der Gewerkschafter.

Die betroffenen Gemeinden wiederum fühlen sich durch das Land bevormundet und bei der Projektauswahl nicht richtig beteiligt. Und dann gibt es noch den Streit darüber, wohin die Gelder konkret fließen. Zu wenig in die Gemeinden in den Kernrevieren, zu viel in die Görlitzer Region, so der Eindruck.

Die Landesregierung will nun nachbessern und den Prozess der Auswahl kommunaler Projekte transparenter gestalten. „Die Projekte sollen künftig schon deutlich früher öffentlich vorgestellt und diskutiert werden, bevor sie in den Regionalen Begleitausschüssen entschieden werden“, kündigte Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt am Montag nach einer Konferenz mit Landräten, Bürgermeistern, Kammervertretern und Gewerkschaften an. Bei diesem „Dialog“ sollte es auch um die strategische Ausrichtung des Strukturwandelprozesses gehen.

Schwerpunktthemen für jedes Revier festlegen

Diese Diskussion soll auf sogenannten Fachnetzwerktreffen stattfinden, mit Akteuren aus Kommunen, Wirtschaft, Verbänden und Gewerkschaften und der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung. Für beide Reviere werden Schwerpunktthemen identifiziert, von denen eine hohe Wirksamkeit für den Strukturwandel erwartet wird. Dazu zählen die Kreislaufwirtschaft, Energieregion, Gesundheitsregion, Mobilität und Informationstechnologie sowie Tourismus. Ziel ist es, künftig bevorzugt solche Projektideen zu entwickeln, die zu diesen Themen passen.

Der DGB begrüßt die Einrichtung von Expertengremien. „Damit kann auch eine strategische Entwicklung von Schwerpunktthemen in den Strukturwandel-Regionen erreicht werden“, betont Schlimbach. Angesichts der bereits ausgeschöpften Fördermittel müsse es nun darum gehen, schnellstmöglich frische Mittel zur Verfügung zu stellen.

Mittel aus dem STARK-Programm werden aufgestockt

Das fordert auch Henry Graichen, Landrat des Landkreises Leipzig. Denn jetzt komme es darauf an, zum Beispiel klimaneutrale Gewerbegebiete zu entwickeln. Aber nicht nur Geld wird gebraucht, sondern auch Unterstützung bei der Planung solcher innovativer Projekte, die zukunftsfähige Arbeitsplätze versprechen. Den Gemeindeverwaltungen fehlen personelle Kapazitäten für komplexe Entwicklungsarbeiten. Gefördert werden können Projektentwickler aus dem Bundesprogramm STARK, für das jedoch ein Antragsstau besteht.

Thomas Schmidt, Staatsminister für Regionalentwicklung des Landes Sachsen, will für mehr Tempo im Strukturwandelprozess sorgen.
Thomas Schmidt, Staatsminister für Regionalentwicklung des Landes Sachsen, will für mehr Tempo im Strukturwandelprozess sorgen. © Archiv/Jürgen Lösel

Laut Schmidt setzten sich die Kohleländer beim Bund durch, dass STARK-Mittel der Folgejahre vorgezogen werden können. Für 2023 steht also mehr Geld zur Verfügung. Graichen erhofft sich dadurch vor allem „eine Stärkung und Unterstützung kleiner Kommunen bei der Projektentwicklung“. Nach einer Analyse der Linksfraktion im Sächsischen Landtag vom Februar dieses Jahres profitierten bislang vorrangig Hochschulen und Forschungsinstitute von STARK-Mitteln.

„Es muss mehr Luft ins System, wenigstens in den beiden ersten Förderperioden“, so das Fazit des Ministers. Es gehe um mehr Durchlässigkeit bei den Finanzhilfen, um einem Mittelverfall vorzubeugen, wenn Projekte nicht bis zum Ende der Förderperiode realisiert werden können. Wegen der erheblichen Vorlaufzeiten von Großprojekten im Bereich Verkehr oder Forschung müssten Umsetzung und auch das Controlling forciert werden. "Bisher haben wir über die Auswahl von Projekten diskutiert, jetzt müssen wir über die Umsetzung diskutieren", so Schmidt

94 Projekte für die Lausitz ausgewählt

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) sei viel erreicht worden, hieß es. In Sachsen wurden insgesamt 134 Projekte ausgewählt, mit einem Förderbedarf von 1,5 Milliarden Euro. Mit 1,09 Milliarden Euro für 94 Projekte entfällt der Großteil auf das Lausitzer Revier, 40 Projekte mit einem Bedarf von 393 Millionen Euro befinden sich im Mitteldeutschen Revier. Investiert werden soll vor allem in die Forschungsinfrastruktur, im Mitteldeutschen Revier auch in die Verkehrs- sowie Sozialstruktur und im Lausitzer Revier in den Städtebau.

Für das Lausitzer Revier stehen bis 2026 in der ersten Periode 946 Millionen Euro bereit, für das Mitteldeutsche Revier 426 Millionen Euro. Laut Schmidt hat der Bund noch "kein einziges Projekt" abgelehnt. Tatsächlich sind nach Ministeriumsangaben zehn Projekte im Mitteldeutschen Revier mit einem Förderbedarf von 52,7 Millionen Euro bewilligt und in der Umsetzung sowie 22 Projekte mit einem Fördervolumen von 74 Millionen Euro. Insgesamt wurden bisher 4,1 Millionen Euro ausgezahlt.

Linke fordern Schwerpunkt Schienenfahrzeugbau

Angesichts des Schwerpunktthemas Mobilität und IT wird nun vielleicht auch der Schienenfahrzeugbau in der Lausitz z mehr Augenmerk bekommen. "Bis heute können wir als Linksfraktion nicht nachvollziehen, warum so ein zukunftsträchtiges Wirtschaftscluster wie die Schienenfahrzeugindustrie nicht zu einem konkreten Entwicklungsschwerpunkt in der Lausitz wird", kritisiert Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching. Nicht nur, weil die Zukunft der nachhaltigen Mobilität auf der Schiene liege, sondern weil die Lausitz dazu verschiedene Industriestandorte (Görlitz, Bautzen, Niesky) und Entwicklungspotentiale wie den Schienentestring TETIS aufweise, so Mertsching.

Es werde Zeit, dass der Strukturwandel in Sachsen endlich eine Strategie bekommt, betont die Abgeordnete und erinnert an die Entwicklungsstrategie Lausitz 2050. Für die Erstellung und einen breiten Beteiligungsprozess seien knapp acht Millionen Euro ausgegeben worden.