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Wie Leag jetzt noch Lehrlinge findet

Wer wagt während des Kohle-Ausstiegs noch eine Ausbildung beim Braunkohlekonzern? Wie Energieversorger in der Lausitz Nachwuchs akquirieren.

Von Georg Moeritz
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Zentrale für 7.300 Beschäftigte: Die Leag mit Sitz in Cottbus stellt zwar nicht mehr 200 Auszubildende pro Jahr ein, aber viel Nachwuchs braucht sie weiterhin. Womit kann sie werben?
Zentrale für 7.300 Beschäftigte: Die Leag mit Sitz in Cottbus stellt zwar nicht mehr 200 Auszubildende pro Jahr ein, aber viel Nachwuchs braucht sie weiterhin. Womit kann sie werben? ©  Wolfgang Wittchen

Dresden/Cottbus. Ein sicherer Arbeitsplatz, eine Lebensstellung. Diesen Ruf hatten früher die Energie-Unternehmen. Doch der Braunkohleverstromer Leag in der Lausitz hat die ersten Kraftwerksteile abgeschaltet und muss bis 2038 ganz aus der Kohle aussteigen. 700 von 8.000 Arbeitsplätzen sind schon weg.

Dennoch hat die Leag 600 Lehrlinge und will in diesem Jahr 142 einstellen. Früher waren es 200 pro Jahr. „Die Bewerberzahlen sinken“, berichtete Arbeitsdirektor Jörg Waniek am Freitag in Cottbus bei einem Online-Pressegespräch. Damit Schulabgänger und ihre Eltern das schrumpfende Unternehmen nicht scheuen, verbündet sich die Leag nun mit großen Ausbildern aus der Nachbarschaft.

Waniek nennt das Ziel, „für die vom Kohleausstieg betroffenen Mitarbeiter eine Anschlussbeschäftigung“ zu schaffen – im eigenen Unternehmen oder bei den Partnern. Erst einmal wird eine gemeinsame Ausbildungsklasse für Mechatroniker mit den Energieunternehmen Envia-M und Edis aus dem Eon-Konzern eingerichtet. Später wollen die Firmen auch in der Weiterbildung und Umschulung zusammenarbeiten. Die langfristige Personalplanung wollen sie ebenfalls gemeinsam organisieren.

Statt körperlicher Arbeit immer mehr digital

Die „gemischte Klasse“ in Jänschwalde wird nun auch vier angehende Mechatroniker der Deutschen Bahn aufnehmen. Die Bahn leistet zum Strukturwandel in der Lausitz einen großen Beitrag: Sie hat bereits angekündigt, in Cottbus bis 2026 ein Instandhaltungswerk mit 1.200 neuen Arbeitsplätzen einzurichten. Geld dafür kommt vom Staat aus dem Paket für den Kohleausstieg.

Der Leag-Personalchef verspricht Kooperation statt Konkurrenz mit den Nachbarfirmen. Ihr Ausbildungsbündnis sei offen für mehr Partner. BASF und Sachsen-Energie beteiligen sich aber trotz erster Gespräche nicht am Bündnis – die Ausbildung sei doch „sehr regional“, sagte der scheidende Envia-M-Personalchef Ralf Hiltenkamp. Die Schulabgänger seien heutzutage „sehr viel heimatverbundener“ als früher und „leider auch zunehmend immobil“.

Doch sie interessieren sich für digitale Anwendungen. Die gibt es in der Energiewirtschaft, verspricht die künftige Envia-M-Arbeitsdirektorin Sigrid Nagl. Video-Podcasts und Lernspiele gehören laut Nagl zur Ausbildung. Teilweise am Bildschirm ließen sich auch Schweißen, Kabelmontage und Schalthandlungen lernen.

Chefs wollen Angst vor Veränderungen nehmen

Leag-Arbeitsdirektor Waniek wirbt für sein Unternehmen mit dem Hinweis auf neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Erneuerbaren Energien, digitaler Steuerung und Service. Immer wieder berichtet die Leag über ihre Investitionen in Windkraft, Energiespeicher oder Landwirtschaft. Sie will weiterhin Arbeitsplätze bieten. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) nannte die Kooperation der Firmen ein „Super-Signal gerade in Corona-Zeiten“. Er hat gerade neue Zahlen zu abgebrochenen Ausbildungen bekommen - es gebe mehr Abbrüche als vor Corona.

Leag-Personalchef Waniek stellt das in seinem Unternehmen auch fest: Während die Bewerberzahlen sinken, ist es zudem schwieriger geworden, "die jungen Menschen erfolgreich durch die Ausbildung zu bringen." Die Leag beschäftige eigens einen Sozialpädagogen, um Auszubildende "an die Hand zu nehmen, wenn es kriselt".

Laut Envia-M-Arbeitsdirektorin Nagl wird es künftig nicht mehr üblich sein, das ganze Arbeitsleben im gleichen Unternehmen zu verbringen. Änderungen gebe es immer: Aus dem "klassischen Elektriker des vorigen Jahrhunderts" sei der Elektroniker für Betriebstechnik geworden. Die Ausbilder hätten auch die Aufgabe, jungen Menschen die Angst vor Veränderungen zu nehmen - schon zu Beginn des Berufslebens. Veränderungen böten schließlich auch Chancen.

Ausbildungsstätten in Brandenburg verteilt

Leag, Envia-M und Edis beschäftigen zusammen 13.000 Menschen, davon fast 1.100 Auszubildende. In vielen Berufen haben sie noch Lehrstellen frei. Laut Leag-Sprecher Thoralf Schirmer hat eine Ausbildungsklasse am Ausbildungsstandort Jänschwalde zwölf Azubis. Das ist vergleichsweise luxuriös: In Sachsen werden gerade die Berufsschulen neu zugeordnet, dabei müssen mindestens 16 Lehrlinge eine Klasse bilden.

Die duale Ausbildung bei der Leag startet am 16. August 2021. Die Leag will für das kommende Ausbildungsjahr in Jänschwalde drei Mechatronikerklassen und eine für Elektroniker bilden. Sechs Azubis von Envia-M und zwei von Edis kommen in die gemischte Klasse, dazu einer von den Stadtwerken Cottbus. Die Leag hat auch eine Ausbildungsstätte in Schwarze Pumpe, Envia-M lehrt in Falkenberg/Elster und Edis in Brandenburg an der Havel. Bei Envia-M läuft eine virtuelle Ausbildungsmesse noch bis zum 2. Mai.