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Mohn aus Wilsdruff: Dieser Landwirt wagt ein Experiment

Auf Schobers Hof in Helbigsdorf wächst auf 15 Hektar Backmohn. Ein Versuch, auf den sich auch die Landbäckerei Schmidt aus Leupoldishain einlässt.

Von Katarina Gust
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Produzent und Abnehmer: Landwirt Karl Schober (li.) aus Helbigsdorf bei Wilsdruff beliefert John und Nicole Arko von der Landbäckerei Schmidt in Leupoldishain mit regionalem Mohn.
Produzent und Abnehmer: Landwirt Karl Schober (li.) aus Helbigsdorf bei Wilsdruff beliefert John und Nicole Arko von der Landbäckerei Schmidt in Leupoldishain mit regionalem Mohn. © Egbert Kamprath

Es ist ein Blütenmeer in leuchtendem Lila: Der violette Teppich, der in Helbigsdorf bei Wilsdruff in voller Blüte steht, gehört Karl Schober. Der Landwirt baut hier das zweite Jahr in Folge Mohn an. Keinen Schlafmohn wie in Afghanistan, aus dem das Rauschgift Opium gewonnen werden kann. Sondern klassischen Backmohn, der in Stollen, Kuchen oder auf Brötchen für Geschmack sorgen soll.

Karl Schober setzt damit auf einen neuen Trend, dem immer mehr Landwirte in Deutschland und insbesondere in Sachsen folgen. Denn im Freistaat wird nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums mittlerweile auf einer Fläche von rund 300 Hektar Mohn angebaut. 2016 waren es noch etwa 100 Hektar. Im bundesweiten Vergleich ist Sachsen damit Spitzenreiter im flächenmäßigen Anbau von Mohn.

Importe meist aus der Türkei

Dass Karl Schober damit einem neuen Trend folgt, war für ihn zweitrangig. Der Landwirt, der insgesamt 300 Hektar Ackerfläche in Helbigsdorf bewirtschaftet, suchte einfach nach einer Möglichkeit, um die Fruchtfolge aufzulockern. Normalerweise baut er Weizen, Mais und Hafer an. Ab und zu muss jedoch Abwechslung rein, damit die Böden neue Nährstoffe bekommen und fruchtbar bleiben. Schober stieß bei dem Thema auf Mohn.

"Der Mohnanbau ist in Deutschland ein bisschen in Vergessenheit geraten", sagt er. Das hat eine Ursache. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Anbau in den alten Bundesländern verboten, mit dem Hinweis darauf, dass sich auf der Pflanze auch Rauschgift herstellen lässt. In der DDR gab es dagegen kaum Auflagen. Hier wurde zeitweise auf knapp 20.000 Hektar Mohn angebaut. Der Boom hielt sich im Osten jedoch nicht. Stattdessen wurde auch hier immer mehr Mohn importiert, vor allem aus der Türkei.

Dabei passt der Mohnanbau gut zum deutschen Boden, wie Karl Schober weiß. Vor allem zur Frühjahrstrockenheit. Vor zwei Jahren wagte er deshalb das erste Experiment und startete mit dem Anbau. Anfangs nur als Probe, um zu sehen, ob es funktioniert.

Bundesamt muss Mohnanbau genehmigen

Ein Schritt, den sich Schober jedoch von ganz oben absegnen lassen musste. Denn der Mohnanbau in Deutschland ist streng reglementiert. Bei der Bundesopiumstelle am Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte muss der Anbau beantragt und genehmigt werden. Nur eine Handvoll Sorten sind zugelassen. Darunter "Zeno Morphex", die auch in Helbigsdorf wächst. Diese verfügt nur über einen geringen Gehalt an Morphin und ist daher zugelassen. "Ein Glas Bier sorgt für einen stärkeren Rausch als unser Mohn", vergleicht Karl Schober. Ein kleines, aber feines Detail, auf das auch Schilder am Mohnfeld hinweisen.

Der Probelauf glückte. Landwirt Schober war mit der Ernte zufrieden und entschied, künftig mehr auf Mohn zu setzen. Insgesamt 15 Hektar hält er dieses Jahr für den Anbau vor. Bis Anfang August muss er sich noch gedulden, dann ist der Mohn bereit für die Ernte. Mit einem umgebauten Mähdrescher wird der Mohn gedroschen. Noch sind die Körner in den grünen Kapseln nahezu weiß. Erst wenn die Kapseln knistern, der Samen seine typisch graue Farbe hat, legt der Mähdrescher los.

Ganz vorsichtig und langsam, denn die Mohnkörner sind fein, windanfällig und empfindlich. Mohn hat einen hohen Ölanteil, wenn die Körner beim Dreschen oder anschließenden Trocknen platzen, droht die gesamte Ernte ranzig zu werden.

Pro Hektar Fläche bekommt Karl Schober bis zu 1,5 Tonnen Backmohn. Je nach Wetter und Ertrag. "Im vergangenen Jahr war es nicht einmal eine Tonne", sagt er. Der späte Regen im Sommer hätte der Pflanze nicht gut getan. Ein Risiko, auf das sich Schobers Hof aber einlässt.

Zehn Tonnen Mohn für die Landbäckerei Schmidt

Genauso wie die Landbäckerei Schmidt aus Leupoldishain bei Königstein. Die Großbäckerei, die sachsenweit mehr als 40 Filialen betreibt, ist ins regionale Mohngeschäft mit eingestiegen. "Bisher haben wir unseren Mohn immer im Ausland eingekauft", erklärt Geschäftsführer John Arko. Einkaufen müssen, denn im Inland gab es schlichtweg kein Angebot. Bis jetzt. Im vergangenen Jahr nahm Arko mit Landwirt Schober Kontakt auf. Nach dem ersten Anbau bekam der Firmenchef eine Probe zum Verbacken zugeschickt. "Die Qualität war top, deshalb beziehen wir unseren Mohn jetzt aus Wilsdruff", sagt John Arko.

Auf insgesamt 15 Hektar wird in Helbigsdorf bei Wilsdruff Mohn angebaut. Im Juni stehen die Pflanzen in voller Blüte, im August startet die Ernte.
Auf insgesamt 15 Hektar wird in Helbigsdorf bei Wilsdruff Mohn angebaut. Im Juni stehen die Pflanzen in voller Blüte, im August startet die Ernte. © Egbert Kamprath
Die Körner in den grünen Kapseln sind noch nahezu weiß. Erst wenn die Kapseln knistern und der Samen seine typisch graue Farbe hat, wird der Mohn gedroschen.
Die Körner in den grünen Kapseln sind noch nahezu weiß. Erst wenn die Kapseln knistern und der Samen seine typisch graue Farbe hat, wird der Mohn gedroschen. © Egbert Kamprath
Etwa zehn Tonnen Mohn verbraucht die Landbäckerei Schmidt jedes Jahr, unter anderem für diese Mohnzöpfe.
Etwa zehn Tonnen Mohn verbraucht die Landbäckerei Schmidt jedes Jahr, unter anderem für diese Mohnzöpfe. © Egbert Kamprath
Seit 2014 produziert die Landbäckerei Schmidt in der Produktionsstätte in Leupoldishain bei Königstein, zu der ein Café gehört.
Seit 2014 produziert die Landbäckerei Schmidt in der Produktionsstätte in Leupoldishain bei Königstein, zu der ein Café gehört. © Archivfoto: Daniel Schäfer

Insgesamt zehn Tonnen verbraucht die Landbäckerei Schmidt, die etwa 370 Mitarbeiter beschäftigt, jedes Jahr. Mohnstollen, Mohnbrötchen und -zöpfe, Mohnkuchen, Mohnschecke und Mohnstreusel - das alles wird in der Produktionsstätte in Leupoldishain, unweit der Festung Königstein, gebacken. Auch wenn hier aufgrund der Menge große Maschinen zum Einsatz kommen: "Bei uns ist alles noch Handarbeit", sagt John Arko. Der Teig für Brot und Brötchen wird selbst gemacht. Fertigmischungen oder fertig gekaufte Rohlinge gibt es bei ihm nicht, ebenso keine Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker.

Auch bei den Zutaten geht die Landbäckerei Schmidt einen anderen Weg, als andere Großbäckereien. Sie setzt auf Regionalität - wo es eben geht. Das Mehl liefert die Dresdner Mühle. Das Getreide wächst teilweise um den Firmensitz der Bäckerei. 90 Prozent der Eier sind frische Eier und werden in Struppen gelegt, dem Nachbarort von Leupoldishain. "Unsere Mitarbeiter trennen sie per Hand", erklärt John Arko.

Kurz nach der Wende hat er die Landbäckerei gekauft. Damals gehörten gerade einmal sieben Mitarbeiter zum Team. Der Stammsitz befand sich zu der Zeit noch in Cunnersdorf bei Königstein. Als diese Räume zu klein waren, wurde expandiert und 2014 die neue Produktionsstätte samt Café in Leupoldishain eröffnet.

"Wir selbst leben von der Region und beziehen deshalb auch immer mehr regionale Zulieferer ein", sagt John Arko. Nicht immer gelinge das. Für Firmenchef Arko ist es jedoch die Zukunft. Die lokale Wirtschaft müsse sich lokal unterstützen. Gerade in der heutigen Zeit, wenn durch den Krieg in der Ukraine plötzlich Rohstoffe knapp werden und sich Lieferengpässe auftun.