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Sächsische Erdbeeren sind spät dran

Wenn am Freitag in Coswig die Saison eröffnet wird, sind die meisten Erdbeeren noch grün. Was werden die ersten kosten und wie erkennt man Qualität?

Von Susanne Plecher
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Noch grün: Das Frühjahr war kühl, die Sonne ließ sich zu selten blicken, um die Erdbeeren schon reifen zu lassen.
Noch grün: Das Frühjahr war kühl, die Sonne ließ sich zu selten blicken, um die Erdbeeren schon reifen zu lassen. © kairospress

Daniel Folde läuft über seinen Erdbeeracker zwischen Freital und Dresden. Die Pflanzen sind üppig mit Blüten bestückt, auch grüne Früchte sind schon zu sehen. Aber rote? Fehlanzeige. Das Gut Pesterwitz, das Foldes Familienbetrieb bewirtschaftet, gehört traditionell zu den ersten in Sachsen, auf dem die Erdbeeren reif sind. „Vor dem 7. Juni wird das in diesem Jahr aber nichts“, sagt Folde. Denn das Frühjahr war langanhaltend kühl und zu wenig sonnig.

20 Kilometer weiter nordwestlich sieht es auf dem Erdbeerfeld von Michael Görnitz schon wesentlich mehr nach Erntefreuden aus. Überall blitzt es zwischen den Blättern rot hindurch. „Wir haben die Pflanzen im Freiland mit Vlies abgedeckt und damit die Ernte verfrüht“, erklärt Görnitz den Unterschied. Dadurch sind genügend reife Früchte da, wenn am Freitag auf seinem Feld die Erdbeersaison in Sachsen eröffnet wird – ganz offiziell mit Ministerpräsident, Blütenkönigin und Obstbauverband. Doch für die meisten Betriebe ist das eigentlich noch zu früh.

Daniel Folde vom Gut Pesterwitz in Freital erwartet eine reiche Erdbeerernte - aber los geht es mit der Selbstpflücke dort erst am 7. Juni.
Daniel Folde vom Gut Pesterwitz in Freital erwartet eine reiche Erdbeerernte - aber los geht es mit der Selbstpflücke dort erst am 7. Juni. © kairospress

Jeder Sachse isst 3,6 Kilo Erdbeeren

„Wir hatten ein ganz normales, gutes Frühjahr“, sagt Görnitz. „Freilanderdbeeren gab es früher immer erst Anfang Juni.“ Wenn es an April- und Maitagen aber schon sommerlich heiß wird – wie in den vergangenen Jahren mehrfach geschehen – sind auch die Erdbeeren eher reif. Udo Jentzsch sieht das ähnlich. Er ist der Geschäftsführer des Landesverbandes Sächsisches Obst und sagt: „Die normale Anbauzeit war hier immer von Anfang Juni bis Mitte Juli. Die meisten haben das nur vergessen.“ Die späteste Saisoneröffnung seit der Wende war am 15. Juni 1996.

Die süßen, saftigen und aromatischen Früchte sind die Lieblingsbeeren der Sachsen. Weil sie Mineralstoffe wie Eisen, Mangan, Kalzium und mehr Vitamin C als Zitronen enthalten, sind sie auch gesund. Pro Jahr isst jeder Sachse durchschnittlich 3,6 Kilogramm davon. Hochgerechnet werden somit in Sachsen 14,5 Millionen Tonnen Beeren verzehrt – ein riesiger Berg.

Erdbeeren sind gerade knapp

Nur 11,7 Prozent davon wachsen aber tatsächlich auf hiesigen Anbauflächen. Der große Rest stammt von anderen deutschen Feldern, aus Italien, Spanien, Holland oder Marokko. In Spanien werden für den intensiven Erdbeeranbau für Deutschland oft illegale Brunnen gebohrt, die tiefste Grundwasserschichten abzapfen und das Land ringsum trockenlegen.

Dass diese in die Kritik geratenen Anbaumethoden Kunden abschrecken könnten, denkt Udo Jentzsch nicht: „Es werden zwar zunehmend mehr, die bewusst regional und saisonal einkaufen. Aber wenn sie im Supermarkt vor den reifen Beeren stehen und der Appetit kommt, greifen die meisten trotzdem zu.“

Zumal Erdbeeren aus ausländischer Massenproduktion zu deutlich günstigeren Preisen verkauft werden können. Weil es derzeit aber angesichts der langen Trockenheit eine Verknappung gibt, sind auch sie nicht so billig wie in den Vorjahren.

Preise bleiben stabil

Aldi bietet die Schale zu 500 Gramm aktuell für 3,49 Euro an, bei Edeka kostet sie 4,49 Euro. Bei diesen Preisen können die sächsischen Beeren dann doch wieder mithalten. Denn damit die Erzeuger nach Abzug von Transport und Händlermarge davon leben können, müsste die 500-Gramm-Schale im Supermarkt etwa vier Euro und das Kilo entsprechend acht Euro kosten.

In der Selbstpflücke sind die Erdbeeren etwa um die Hälfte günstiger und werden voraussichtlich etwa genauso teuer sein wie 2022. Auch Daniel Folde und Michael Görnitz werden sich an den Vorjahrespreisen orientieren. In Coswig kosten die ersten Beeren 4,20 Euro pro Kilogramm in der Selbstpflücke, weil sie viel Arbeit gemacht haben. Mit Vlies bedecken, mit Hand hacken – das muss bezahlt werden.

In den nächsten Wochen, wenn auch auf den Feldern der Konkurrenz die Ernte reif wird und die Supermärkte die Preise drücken, wird es billiger.

Zwischen den Reihen mit Erdbeerpflanzen wird Stroh ausgelegt. So haben die Früchte keinen direkten Kontakt zum Boden und sind weniger anfällig für Schimmelbildung.
Zwischen den Reihen mit Erdbeerpflanzen wird Stroh ausgelegt. So haben die Früchte keinen direkten Kontakt zum Boden und sind weniger anfällig für Schimmelbildung. © kairospress

Die Pflanzen in Pesterwitz sind kräftig. Frostschäden gab es auch im Frühling so gut wie nicht. Sie haben viele Blüten angesetzt, die eine reiche Ernte versprechen. Wird das Wetter erdbeerfreundlich – tags sonnig bei maximal 25° Celsius, nachts nicht unter 15° Celsius bei sachtem Landregen – dann dürfte es eine gute Saison werden.

„Wir haben frühe, mittlere und späte Sorten in der Selbstpflücke. Dadurch gibt es bei uns bis etwa zur ersten Juliwoche frische Erdbeeren“, sagt Daniel Folde. In höheren Lagen, wo die Beeren erst später reifen, dauert deren Ernte bis Mitte Juli. Wann die einzelnen Selbstpflücken öffnen, findet sich auf den jeweiligen Internetseiten der Obstbauern.

Doch egal wann die Erdbeeren reifen, Michael Görnitz hat klare Qualitätsansprüche: „Vollkommen reif müssen sie sein, gut befruchtet, schön rot und aromatisch.“

Heimische Beeren sind aromatischer und leckerer

Heimische Beeren haben da einen klaren Vorteil gegenüber den weit gereisten. Denn die müssen fester sein, um die weiten Fahrtwege besser überstehen zu können und dabei nicht so schnell Druckstellen zu entwickeln. Meist sind sie noch etwas unreif, wenn sie gepflückt werden. Aber Erdbeeren reifen nicht nach und sind, einmal geerntet, nur kurzzeitig lagerfähig. „Je fester Erdbeeren sind, desto weniger Geschmack haben sie“, sagt Udo Jentzsch.

Die Landwirtschaftskammer NRW empfiehlt daher, nur vollends reife und unbeschädigte Erdbeeren zu kaufen. Achten sollte man auch auf frische, grüne Kelchblätter an den Beeren. Da sie schon wenige Stunden nach der Ernte Aroma einbüßen, sollte man sie lieber schnell essen und vorher abgedeckt kühl lagern.

Gewaschen werden sie kurz vorher und ganz vorsichtig – am besten in stehendem Wasser, weil der harte Wasserstrahl die zarten Früchte beschädigen könnte. Zucker sollte ebenfalls erst kurz vor dem Naschen über die Erdbeeren gestreut werden. Sonst verlieren die Früchte zu viel Saft.

„Dunkel gilt dem Handel als Zeichen dafür, dass die Beeren überreif sind“, erklärt Jentzsch. Deshalb fordern die Händler eher feste und helle Sorten. „Aber die dunklen Früchte schmecken meist am besten, sie sind aromatischer“, sagt Görnitz.

Auf seinen Selbstpflückefeldern baut er auch Sorten an, die nach Walderdbeeren schmecken. Er kultiviert seine Pflanzen drei Jahre, danach werden die Flächen gerodet. Dem Boden gönnt er acht Jahre Erdbeerruhe. Die wenigstens drei Jahre einzuhalten, empfiehlt er auch Leuten mit Erdbeerbeeten im Garten. „Die Pflanzen entziehen dem Boden Stickstoff. Daher eigenen sich Leguminosen wie Erbsen oder Buschbohnen als Folgekultur gut.“

Anbaufläche in Sachsen nimmt ab

Obwohl der Appetit auf die süßen Beeren nicht nachlässt, gibt es in Sachsen immer weniger Anbauflächen dafür. Wurden 2012 noch auf 650 Hektar Erdbeeren kultiviert, sind es nun nur noch 335 Hektar. Entsprechend hat sich auch die Erntemenge von 4.400 Tonnen auf 1.800 Tonnen reduziert.

Das liegt an der wirtschaftlichen Lage der Betriebe, sagt Jentzsch. „Sie haben mit steigenden Kosten bei unzureichenden Preisen zu kämpfen.“ Kostentreiber sind nicht nur die gestiegenen Energie- und Düngerpreise, sondern vor allem der Mindestlohn für die Erntehelfer. Für immer mehr Betriebe lohnt sich die viele Handarbeit, die der Erdbeeranbau macht, schlicht nicht mehr. Etliche haben zudem Probleme, überhaupt genug Helfer zu bekommen. (mit dpa)