„Der Flugplan für die Sommerferien steht“

Herr Erler, viele Menschen möchten fliegen, aber ständig fallen Flüge aus. Wie viele Verbindungen haben Sie in Deutschland gestrichen?
Über 90 Prozent unserer Flüge finden statt. Aber wir müssen Flüge streichen, um das Gesamtsystem zu stabilisieren. Das war auch der Wunsch großer Flughäfen wie Gatwick oder Amsterdam.
Besonders ärgerlich ist es, wenn Menschen erst am Flughafen von ihrem Pech erfahren.
Glauben Sie mir, das wollen wir auch nicht! Wir versuchen, die Kunden frühzeitig zu informieren, möglichst schon zwei Monate im Voraus, damit sie noch umbuchen können. Das liegt auch in unserem Interesse. Bei kurzfristigen Absagen müssen wir ja ein Hotel zahlen, die Umbuchungen sind teurer, und oft wird auch noch eine Entschädigung fällig.
Steht der Flugplan für Juli und August oder müssen Kunden mit weiteren Absagen rechnen?
Natürlich kann es immer mal technische Probleme geben, und es können sich im Laufe eines Tages auch Verspätungen aufbauen. Aber der Flugplan für die Sommerferien steht. Es wird keine planmäßigen Flugstreichungen mehr für Juli und August geben. Wir haben am ersten Ferienwochenende alle Sonnenziele wie geplant bedienen können.
Welche Verbindungen werden gestrichen, wenn Sie nicht genug Personal haben?
Wir streichen einzelne Verbindungen zu Städten, die gut angebunden sind. Wenn ich von vier Flügen nach Palma de Mallorca oder London einen herausnehme, können die Passagiere in der Regel auf einen anderen Flug umbuchen. Aber wenn wir nur ein oder zwei Mal in der Woche eine griechische Insel anfliegen, versuchen wir natürlich, diesen Flug stattfinden zu lassen. Die Urlaubsdestinationen haben bei uns Priorität – Malaga, die Kanaren, Zypern und die griechischen Inseln. Wir möchten, dass die Menschen nach zwei Jahren Corona wieder in den Urlaub fliegen können.
Für den BER hatten Sie angekündigt, dass im Juli und August täglich zwölf Flüge gestrichen werden. Ist es dabei geblieben?
Ja, im Prinzip schon. Die Verbindungen ab und nach Berlin-Brandenburg sind das Gros unseres Deutschlandgeschäfts. Wir haben nur am BER Flugzeuge stationiert. Für Juli und August sind wir gut aufgestellt. Dass trotzdem mal ein Flug ausfällt, ist normal. Das hat es auch schon vor Corona gegeben. Auch ein Zug fällt einmal aus, oder auf der Fahrt ans Meer stehen Busse und Autos im Stau.
Wie schnell bekommen Kunden das Geld fürs Ticket zurück, wenn Sie einen Flug stornieren?
Das geht automatisiert innerhalb von wenigen Tagen. Viele Menschen möchten aber fliegen, und die buchen wir dann falls möglich auf eine andere Verbindung um.
Wer zahlt die Differenz, wenn der neue Flug teurer ist?
Wenn wir die Umbuchung vornehmen, zahlt Easyjet. Wer eine Pauschalreise gebucht hat, muss sich aber an seinen Reiseveranstalter wenden. Der kümmert sich um die Umbuchung.

Was ist mit der Entschädigung, die man zusätzlich verlangen kann, wenn Absagen kurzfristig erfolgen?
Wenn Easyjet die Stornierung zu vertreten hat, zahlen wir die Entschädigung natürlich auch. Das Geld müsste auch hier innerhalb von ein paar Tagen kommen.
Viele Kunden warten aber deutlich länger.
Dann muss vielleicht noch genauer geprüft werden, ob Easyjet den Ausfall wirklich zu vertreten hatte und es nicht etwa am Wetter oder an anderen außergewöhnlichen Umständen lag.
Weil Kunden oft lange auf ihr Geld warten, droht Verbraucherministerin Steffi Lemke, die Vorkasse abzuschaffen. Dann müssten die Passagiere erst kurz vor dem Abflug oder danach zahlen.
Das ist eine ganz schlechte Idee. Man kann doch nicht alle Airlines für die schwarzen Schafe haften lassen. Wir brauchen die Vorkasse, um Kerosin, Personalkosten und Gebühren zahlen zu können und eine verlässliche Planbarkeit der Nachfrage zu haben. Wenn die Vorkasse abgeschafft wird, wird Fliegen deutlich teurer. Wir müssten dann deutlich höhere Buchungsgebühren nehmen. Und ich vermute, es wird dann unterschiedliche Tarife geben: günstige Preise für Passagiere, die noch Vorkasse leisten, und höhere für die anderen.
Seit November buchen die Menschen wieder. Haben Sie Tickets verkauft, obwohl Sie hätten wissen müssen, dass Ihnen Personal für die Flüge fehlt?
Im vergangenen November haben noch nicht viele Menschen gebucht. Damals begann die Omikron-Welle, Weihnachtsmärkte wurden abgesagt. Unsere Kunden buchen viel kurzfristiger als in der Vor-Corona-Zeit. Und anders als etwa beim Bodenpersonal an den Flughäfen hatten und haben wir eigentlich genug Personal für unsere Flüge. Das Problem ist aber, dass der Krankenstand im Moment sehr hoch ist. Das liegt zum einen an Corona. Wir stellen allerdings auch fest, dass der Krankenstand am Standort BER deutlich höher ist als gedacht. Wir mussten deshalb Flüge aus dem Angebot nehmen, um den Druck von den Beschäftigten zu nehmen und Reserven zu schaffen.
Haben Sie in der Corona-Zeit zu viel Personal abgebaut?
Nein. Wir haben während der Pandemie 2020 und 2021 versucht, die Mitarbeitenden zu halten, und wir haben das Kurzarbeitergeld als erste Airline auf 80 bis 90 Prozent aufgestockt. Wir haben nicht aktiv Personal abgebaut, aber wir haben unsere Flotte verkleinert, und das hat zu einem Personalabbau geführt. Unsere Personalplanung richtet sich nach der Zahl der Flugzeuge. Man hätte hier aber vielleicht größere Reserven einbauen können. Es hat jedoch in der ganzen Branche wegen der Corona-Unsicherheit kaum Neueinstellungen gegeben, das ist jetzt ein Problem.
Wie viele Mitarbeiter bräuchten Sie zusätzlich, um Stabilität ins System zu bekommen?
Für 2022 stellen wir nicht neu ein, für 2023 beginnen die Personalplanungen jetzt.
Easyjet hat einst das Erbe von Air Berlin angetreten und war der Hauptstadtcarrier. 2019 hatten Sie 34 Maschinen am BER. Jetzt 18. Am Jahresende sind es noch elf. Ist der Konzernleitung in England der Standort Berlin zu teuer?
Die Kosten am Standort Berlin-Brandenburg sind sehr hoch. Da kommt vieles zusammen: Personalkosten, Steuern, die Kosten fürs Bodenpersonal und die Flugsicherung. Aber auch die Gebühren, die der Flughafen nimmt, sind hoch. Verglichen mit Tegel und Schönefeld zahlen wir jetzt rund 30 Prozent mehr. Gleichzeitig ist auch noch die Luftverkehrsabgabe während der größten Branchenkrise aller Zeiten von sieben auf rund 13 Euro, beziehungsweise für längere Strecken von 23 auf rund 32 Euro gestiegen. Was die Einnahmen betrifft, stehen alle Airlines stark unter Druck. 2017 und 2018 sah das noch anders aus. Jetzt fragt man sich, ob die Maschinen nicht woanders mehr Gewinn erwirtschaften können. Elf Flugzeuge am BER reichen, um Städte- und Urlaubsverbindungen abzudecken. Und diese Flotte wäre profitabel.
Aber dass Verbindungen verloren gehen, ist unvermeidlich?
Ja. Wenn sieben Flugzeuge weggehen, sinken die Kapazitäten. Wir arbeiten jetzt am Sommerflugplan 2023. Und da stellen wir uns zum Beispiel die Frage, ob bei einer Destination nicht ein Früh- und ein Abendflug reichen und man die Mittagsverbindung streichen kann.
Hat es Sie überrascht, dass der BER den Ferienstart vergleichsweise gut überstanden hat?
Ich glaube, wir alle haben aus den Pannen des letzten Herbstes gelernt. Viele Abläufe sind automatisiert worden, vom Check-in bis zur Gepäckaufgabe am Automaten. Seit dem 1. Juli bieten wir einen Vorabend-Check-in für alle Flüge bis 9.30 Uhr am Folgetag an. Dann kann man entspannter am nächsten Morgen zum Flieger. Wir haben am BER ja nicht nur Gäste aus Berlin, sondern auch aus Polen und Tschechien.
Das Gespräch führte Heike Jahberg.