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"Ich fliege nicht ins All, um Spaß zu haben"

Matthias Maurer startet am 30. Oktober ins All. Im Gepäck hat er 350 Experimente. Ein exklusives Gespräch ins Raumfahrtzentrum der Nasa in Houston.

Von Stephan Schön
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Der Saarländer Matthias Maurer ist der erste Deutsche, der mit einer SpaceX-Raumkapsel ins All startet.
Der Saarländer Matthias Maurer ist der erste Deutsche, der mit einer SpaceX-Raumkapsel ins All startet. © dpa/Rolf Vennenbernd

Vier Jahre Ausbildung und Training. Und jetzt sind die Tage auf der Erde gezählt. Matthias Maurer ist der nächste deutsche Astronaut im All. Erstmals startet dann ein Deutscher mit SpaceX statt der Sojus ins All. Freitagabend war die letzte Chance für Interviews vor dem Start. Was bis dahin noch alles geschieht, darüber sprach SZ-Wissenschaftsredakteur Stephan Schön im Videomeeting mit Matthias Maurer.

Hallo Herr Maurer nach Houston und Grüße aus Dresden. Jetzt bleiben Ihnen nur noch drei Wochen bis zum Start. Eine schlimme Zeit sicher, nicht mehr ganz auf der Erde, aber auch noch nicht im All. Wie geht’s Ihnen?

Mir geht es wunderbar. Und ich fühle mich noch ziemlich irdisch. Aufgeregt bin ich nicht, ich glaube, das braucht noch ein paar Tage.

Was bleibt Ihnen zu tun? Gibt’s noch ein Training, eine Abschlussprüfung?

Die Abschlussprüfung war schon. Aber wir machen jetzt Simulationen und üben alles noch einmal. Die Startvorbereitungen zum Beispiel. Wir fliegen am Wochenende von Houston nach Florida und sitzen dann zum ersten Mal mit den Raumanzügen in unserer richtigen Kapsel. Wir überprüfen dann alle Schnittstellen und Verbindungen.

Ein paar Tage bleiben noch, was möchten Sie da unbedingt noch tun? Im Meer schwimmen, eine Pizza essen gehen oder den Wald riechen?

Eigentlich alles, was Sie gerade genannt haben, steht noch auf meiner Liste. Ein bisschen die Natur schnuppern, ganz sicher. Schwimmen werde ich definitiv noch. Ich habe ja dort das Meer vor der Tür und ich mag das Wasser. Das werde ich dann oben nicht mehr haben. Dort gibt es statt Wasser nur noch feuchte Tücher.

Sie dürfen also noch raus, Freunde und Familie treffen. Wann werden Sie weggesperrt in Quarantäne?

Ich habe noch acht Tage, bevor ich weggesperrt werde. Mitte des Monats geht es in die Quarantäne.

Vier Jahre Ausbildung sind vorbei mit Unterwassertraining im Raumanzug, mit extremer Belastung in der Zentrifuge, also das ganze Programm. Was war das Belastendste?

Verschiedene Abschnitte waren schon sehr intensiv. Ich denke da an das Winter-Überlebenstraining in Schweden. Da musste ich mich ohne Zelt, ohne Schlafsack, ohne Essen 48 Stunden durchschlagen. Und das Ganze in einer Schneelandschaft bei minus neun Grad, nur mit einem Messer und einer Axt ausgerüstet. Das hat mich an die körperliche Grenze geführt. Und das ging viel schneller, als ich es erwartet hatte.

Und was war hart mit Blick auf die Wissenschaft in der Ausbildung?

Das Training für den Außenbordeinsatz. Dieses Training im Raumanzug über sechs Stunden ist mental und körperlich sehr anstrengend. In diesem aufgepumpten Anzug muss man unter Wasser hart arbeiten. Das ist schon eine Herausforderung an den Körper. Und dabei steht man unter ständiger Beobachtung, dass die Sicherheitsleinen nicht falsch an der Station angelegt sind. Man darf ja nie den Kontakt zur Station verlieren, man würde wegdriften und zu Weltraumschrott werden.

Demnächst der Arbeitsplatz von Matthias Maurer, die ISS.
Demnächst der Arbeitsplatz von Matthias Maurer, die ISS. © dpa/Rolf Vennenbernd

Wie viele Experimente haben Sie in den letzten Jahren für diese Expedition trainiert und studiert?

Wir vier als Crew haben ungefähr 350 Experimente in unserem Gepäck mit dabei. Davon ist ein Zehntel etwa aus Europa. Ich selbst werde zwischen 100 und 150 Experimente dann durchführen, einige auch mehrfach. Durchaus mit bis zu zehn Wiederholungen. Das sind vor allem medizinische und psychologische Experimente, von denen einige auch schon mein Kollege Alexander Gerst 2018 durchgeführt hat.

Da kenne ich ein ganz besonderes, das ich hier selbst am Boden ausprobieren konnte. Metabolic Space von der TU Dresden haben Sie mit dabei. Mal ehrlich, ist das nicht nervig, überall Kabel am Körper und dann noch diese Atemmaske beim Training...

...Ich fliege ja nicht hoch ins Weltall, um dort Spaß zu haben. Ich fliege ja dort hoch, um Wissenschaft zu machen. Es geht um wichtige Erkenntnisse, die das Leben auf der Erde verbessern sollen. Da ist es doch klar, dass man sich dafür auch ein bisschen quälen muss. Aber die paar Kabel und Sensoren am Körper, das finde ich jetzt nicht so schlimm. Es gibt andere Sachen, die sind invasiver. Wenn man zum Beispiel eine Muskelbiopsie gemacht bekommt. Wenn einem ein kleines Stückchen Muskel herausgerissen wird mit einer spitzen Nadel, dann ist das schon eine andere Liga.

Einige Versuche, auch das Dresdner Experiment, haben Sie ja schon am Boden durchgeführt.

Korrekt. Die meisten Messungen werden ein- bis zweimal vor dem Flug durchgeführt. Dreimal dann beim Flug und nach dem Flug dann auch noch zweimal. Damit wird erkannt, wie sich der Körper während des Fluges verändert.

Stichwort Flug: Sie sind die dritte Besatzung, die im neuen SpaceX-Raumschiff Dragon zur ISS fliegt. Wären Sie lieber mit dem altbewährten russischen Raumschiff Sojus unterwegs?

Ich wäre gerne sowohl mit der Sojus geflogen wie auch der Dragon. Die Sojuskapsel ist sehr bewährt. Und die russischen Kollegen haben eine Menge Kultur um das Thema herum aufgebaut. Zum Start und der Landung in Kasachstan. Das hätte ich gern erlebt. Jetzt fliege ich mit der ganz neuen Kapsel, der Dragon. Die hat vielleicht noch ein paar Kinderkrankheiten, die jetzt von Flug zu Flug ausgemerzt werden. Aber es ist eine sehr, sehr robuste und solide entwickelte Kapsel. Also: Ich freue mich darauf.

Na dann, guten Flug, und kommen Sie gesund zurück.

Interview: Stephan Schön