Wirtschaft
Merken

Martin Dulig in London: Was die Briten von Sachsen wollen

Wirtschaftsminister Martin Dulig wirbt in Großbritannien für den Freistaat, sucht aber auch neue Partner für gemeinsame Projekte in Sachsen.

Von Nora Miethke
 4 Min.
Teilen
Folgen
Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) steht vor "Big Ben" in London.
Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) steht vor "Big Ben" in London. © SMWA/Kristin Schmidt

Blauer Himmel über London. Wirtschaftsminister Martin Dulig und seine Delegation nutzen die Chance für einen Fotostopp vor Westminster. Das Wetter in der britischen Hauptstadt ist viel besser als erwartet. Das soll auch für die sächsisch-britischen Wirtschaftsbeziehungen gelten. Über die Folgen des Brexit – langfristig kostet der Ausstieg aus der Europäischen Union die Briten vier Prozent Wirtschaftswachstum, die Exporte sind um über 40 Prozent eingebrochen – will man nicht mehr sprechen, sondern nach vorn schauen, wie sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien wieder auf eine solide Basis stellen lassen.

Das spürt auch der sächsische Wirtschaftsminister bei seinen politischen Gesprächen in London. Für ihn selbst überraschend war das Treffen mit Lord Grimstone, Investitionsminister in der Regierung von Boris Johnson, "mehr als nur ein Höflichkeitstermin". "Er war sehr gut vorbereitet, kannte die sächsische Wirtschaftsstruktur und kam selbst immer wieder auf den Punkt, was konkrete gemeinsame Projekte sein könnten", berichtet Dulig nach dem 30-minutigen Gespräch hinter verschlossenen Türen.

Großes Interesse zeigte Grimstone am Transformationsprozess in der Automobilindustrie in Sachsen. Die Elektromobilität wird auch auf der Insel vorangetrieben. Ab 2030 soll der Verkauf von Pkws mit Verbrennungsmotor gestoppt werden. Und die Hoffnung besteht, dass die britischen Zulieferer wieder für deutsche Autobauer interessant werden könnten. Wegen der gestörten Lieferketten in Asien infolge der Pandemie entwickeln große Hersteller Strategien, Produktionen nach Europa zurück zu verlagern.

Ein weiteres Thema war die Energiepolitik. Eine beschleunigte Abkehr von fossilen Energieträgern steht seit Beginn des Ukraine-Krieges im Königreich genauso auf der Tagesordnung wie im Freistaat. Die Briten würden gern im großen Stil Ökostrom aus Offshore-Windanlagen nach Deutschland verkaufen und sind daher an Energietechnik zur Realisierung dieser Pläne interessiert.

Fünftgrößter Exportmarkt für Sachsen

Konkrete Beschlüsse gab es bei dem Treffen nicht, das den Auftakt der fünftägigen Reise bildete. Lord Grimstone hat die Sachsen aufgefordert, erst einmal die weiteren Stationen in Birmingham und Edinburgh zu absolvieren und sich dann zu melden, wo sie konkrete Unterstützung bei der Vertiefung von Kontakten benötigen. "Wir sind mit der Verabredung auseinandergegangen, uns ein zweites Mal zu treffen", so Dulig. Der Investitionsminister mit Adelstitel will nach Deutschland kommen und dabei auch Sachsen besuchen.

"Neue Kooperationen schließen, die uns bei der Transformation unserer Wirtschaft helfen können", ist nach eigenem Bekunden des Wirtschaftsministers ein Ziel der Reise, die wegen der Corona-Pandemie wiederholt verschoben werden musste. Das zweite ist Standortwerbung für den Freistaat machen. Sachsen ist nach Niedersachsen und Thüringen, das dritte deutsche Bundesland, das in den letzten Wochen seine Aufwartung macht. Das werde als ein positives Signal gewertet, dass man auch nach dem Brexit ein wirkliches Interesse an guten Beziehungen habe, berichtet Dulig.

Der Vereinigte Königreich ist der drittgrößte Exportmarkt für die Sachsen und wird ein großer Markt bleiben. Trotz aller derzeitigen Hürden – der Brexit hat die Kosten für die Unternehmen um durchschnittlich rund zehn Prozent erhöht wegen Zöllen und dem Wegfall einheitlicher EU-Standards – sollte man nicht den Fehler machen, sich zurück zu ziehen, so die Botschaft des Treffens mit Vertretern der ausländischen Handelskammer und deutschen Standortmarketinggesellschaft GTAI.

In der Wissenschaft werden bestehende Kooperationen sogar vertieft. Ein Beispiel ist der TransCampus zwischen dem Londoner Kings College und der Technischen Universität (TU) Dresden, den auch die britische Botschafterin in Deutschland, Jill Gallard, als Role Model für bilaterale Beziehungen würdigte. Ursprünglich im Bereich Medizin vom Diabetes-Experten Professor Stefan R. Bornstein initiiert und vorangetrieben, beteiligen sich jetzt auch weitere Fakultäten etwa für Materialforschung oder Kommunikationsnetze an den gemeinsamen Forschungsprojekten und Doktoranden-Programmen.

Ziel ist es, die Hochschulstandorte in Dresden und London attraktiver zu machen für junge Wissenschaftstalente, aber auch schneller Lösungen zu finden für Herausforderungen unserer Zeit wie Therapien gegen Long Covid, Diabetes oder Krebs. Die Dekane des Transcampus hoffen laut Dulig auf politische Unterstützung bei der Bildung eines Wirtschaftsbeirates, um die Verwertung der Forschungsergebnisse durch Ausgründungen zu beschleunigen. Denn Ziel sei es auch, Arbeitsplätze zu schaffen und zum besseren Wohlbefinden der Menschen beizutragen, betonte Professor Bornstein bei der Präsentation in London.