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Ein Dresdner gehört zu den weltbesten Mechatronikern

Diese Woche schrauben die besten Kfz-Mechatroniker der Welt in Dresden um den Meistertitel. Wo steht Deutschland im Vergleich zum Ausland? Und wie geht es dem Beruf in Zeiten von Klimawandel und Energiekrise?

Von Luisa Zenker
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Der 23-jährige Stefan Mißbach aus Dresden tritt für Deutschland bei der Weltmeisterschaft der Kfz-Mechatroniker an.
Der 23-jährige Stefan Mißbach aus Dresden tritt für Deutschland bei der Weltmeisterschaft der Kfz-Mechatroniker an. © kairospress

Dresden. Konzentriert starrt der Kfz-Mechatroniker Stefan Mißbach in die Motorhaube eines weißen E-Autos. Rennt zu einem Computer und tippt auf die Tastatur ein. Blickt wieder zu dem weißen VW, nimmt mit ruhigen Händen ein rotes Messgerät in die Hand. Verfolgt wird er dabei von zwei Augenpaaren, die streng auf ihn gerichtet sind.

Drei Stunden lang beobachtet eine Expertenkommission den 23-jährigen Kfz-Mechatroniker, während er versucht, Weltmeisteraufgaben zu lösen. In schwarzer Arbeitskleidung mit einer deutschen Flagge als Aufnäher tritt der Dresdner Stefan Mißbach gegen Konkurrenten aus 23 Nationen an. Denn diese Woche findet in der sächsischen Landeshauptstadt die Weltmeisterschaft der Kfz-Technologie statt. Maximal 23 Jahre dürfen die Teilnehmer alt sein.

Am Ende gibt es gleich vier Goldmedaillien: Für Schweiz, Frankreich, Taiwan - und für Deutschland. Damit steht auch Dresdner Mißbach ganz oben auf dem Podium. Silber und Bronze gab es demnach nicht.

Ursprünglich sollte die World Skills in einem Stadion in Schanghai abgehalten werden, doch wegen der Pandemie musste der Wettbewerb, als Spezialedition in 15 Länder verlegt werden. 1.000 junge Menschen treten nun im Herbst in verschiedenen Ausbildungs-Disziplinen an: Fleischer, Zimmerer, Steinmetze, Programmierer, Gärtner. Im Dresdner Haus des Kfz-Gewerbes sind es die Automechatroniker, die Ende Oktober um die Wette schrauben.

Unter Hochspannung arbeiten die besten Kfz-Mechatroniker aus 24 Nationen an den Elektroautos. Wer schraubt sich innerhalb von drei Tagen zum Weltmeister?
Unter Hochspannung arbeiten die besten Kfz-Mechatroniker aus 24 Nationen an den Elektroautos. Wer schraubt sich innerhalb von drei Tagen zum Weltmeister? © kairospress

Mathias Gutsche, Leiter der Berufsschule, hat im Juli erfahren, dass die WM nun in seinen Gemäuern stattfinden wird. „Es war gar nicht so leicht, vier Autos der gleichen Marke und Qualität zu bekommen.“ Denn die Teilnehmer erhalten alle dieselben Aufgaben. Sie müssen etwa Motoren aufschrauben, Radachsen vermessen, Bremsen austauschen. Drei Tage, sechs Stationen und viele knifflige Aufgaben. „Es geht nicht darum, besonders schnell zu sein, sondern genau zu arbeiten und so viele Fehler, wie möglich zu finden“, erklärt Schulleiter Gutsche, der weiß wie wichtig es ist, gerade bei Elektro-Autos auf die Sicherheit zu achten: Die Spannung dort liegt bei mehr als 400 Volt.

Während der Kfz-Mechatroniker Stefan Mißbach versucht, die Fehler im E-Auto zu diagnostizieren, kniet eine Halle weiter die Chilenin María Almonacid unter einem aufgebockten Auto und fixiert die Bremsen. „Hier läuft die Bremsflüssigkeit aus und dort ist die Bremsscheibe zu dünn“, erklärt Schulleiter Gutsche flüsternd. Die Chilenin greift derweil zum Schraubendreher. Während sie sich schwarzes Öl von der Wange wischt, blickt sie zu einem Experten, fragt ihn etwas. Er aber schaut nur stumm zurück, darf keine Tipps geben.

Chilenin Maria ist die einzige Frau unter den Teilnehmern.

Die Chilenin María Almonacid ist die einzige Frau unter den weltbesten Kfz-Mechatronikern.
Die Chilenin María Almonacid ist die einzige Frau unter den weltbesten Kfz-Mechatronikern. © kairospress
Hier muss sie den Motor auseinander und wieder zusammenbauen.
Hier muss sie den Motor auseinander und wieder zusammenbauen. © kairospress

In Chile hat sie bereits alle Männer abgehängt und die Nationalmeisterschaften gewonnen. Neben ihrem Ingenieurstudium musste sie sich nun ein Jahr auf die Meisterschaft vorbereiten. Ihr Vater habe sie unterstützt, „Ich mag Autos, vor allem die ganze Mechanik hinter den Bremsen und Achsen“, sagt die 20-Jährige, ein Funkeln in den Augen. Als Frau fällt sie hier auf. In Deutschland liegt der Anteil der Frauen, die eine Ausbildung in der Kfz-Mechatronik beginnen, bei etwa fünf Prozent. Die Chilenin macht sich daraus nichts, sie glaubt zwar kaum, dass sie gewinnen wird, aber sie ist begeistert von den technischen Möglichkeiten in Deutschland. „Es gibt viel mehr Hightech.“ Die Realitäten im Kfz-Alltag scheinen zwischen den Nationen weit auseinander zu liegen.

„Unser Teilnehmer aus Namibia hat gestern gesagt: Ich kann euch dreißig Jahre alte Autos reparieren, aber so ein Messgerät habe ich noch nie gesehen“, erzählt Schuldirektor Gutsche. Doch der WM gehe es darum, genau dort anzusetzen und den Austausch zwischen den Ländern zu fördern. „Auch ich lerne von den anderen Nationen“, sagt Mißbach, der sich am Abend mit seinen Mitstreitern auf Englisch über die Kfz-Probleme austauscht.

Stefan Mißbach aus Dresden sagt zur WM: „Man lernt hier fürs Leben.“
Stefan Mißbach aus Dresden sagt zur WM: „Man lernt hier fürs Leben.“ © Archiv/kairospress (Symbolfoto)

Deutschlands Handwerker im internationalen Vergleich

Wettbewerbssituationen kennt der Meisterschüler bereits gut. Zuletzt hat er beim Eurocup den zweiten Platz geholt. In Luxemburg, Saudi-Arabien und hier in Dresden wurde er auf die WM vorbereitet. Alles neben Beruf und Meisterschule. Förderung für die Trainings gibt es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2019, davor war es reine Freizeitsache. In anderen Ländern kriegen die Besten drei Jahre für das Training – ohne arbeiten gehen zu müssen. „Dort wird mehr Geld in die Spitze gesteckt.“ Das spiegelt sich auch an den Ergebnissen wider, denn die Autonation Deutschland lag in den vergangenen Jahren im hinteren Feld. Handwerker aus China, Japan, Taiwan haben sie abgehängt.

Vielleicht auch, weil ihre Ausbildung innovativer ist, vermutet Stephanie Werth, Sprecherin der World Skills. Zwar würden viele Länder das deutsche System mit Berufsschule und Praxispartner übernehmen, aber sie seien flexibler, würden sich besser an die neuen Herausforderungen der Zukunft anpassen.

Denn die auch Kfz-Branche befindet sich mitten im Wandel. Autonomes Fahren und neue Antriebe - Kfz-Meister heißt heutzutage Mechaniker, Elektriker und IT-Spezialist in einer Person zu sein. Die Aufgaben haben gewandelt, das zeigt allein, dass die Teilnehmer der Meisterschaft erstmalig ein E-Auto reparieren müssen.

Mathias Gutsche, Leiter Berufsbildung im Haus des Kfz-Gewerbes Dresden, hat die WM in der sächsischen Landeshauptstadt mit organisiert.
Mathias Gutsche, Leiter Berufsbildung im Haus des Kfz-Gewerbes Dresden, hat die WM in der sächsischen Landeshauptstadt mit organisiert. © kairospress

Digitalere und komplexere Autos, aber weniger Fachkräfte:

Zwar gehört der Kfz-Mechaniker zu den beliebtesten Ausbildungsberufen unter Männern. Aber auch hier bewerben sich weniger junge Menschen, weiß der Schulleiter Mathias Gutsche. Die Abbruchquote steige im Ausbildungszentrum. Er macht das an zwei Punkten fest. Erstens gebe es zu wenig Praktika in der Schule, zweitens seien die Arbeitsbedingungen für Lehrlinge teilweise hart. Holz hacken für den Chef, Wohnung renovieren für die Tochter des Unternehmers - Realitäten, von denen seine Lehrlinge ab und zu berichten.

Der WM-Sieger Stefan Mißbach aber ist begeistert von seinem Handwerk. Bereits als kleiner Junge schaute er dem Vater über die Schulter, der eine Bosch-Werkstatt in Dresden betreibt. „Drehende Rädern und laute Motoren - das war toll als Kind“, sagt Mißbach, der irgendwann die Werkstatt von seinem Vater übernehmen wird. Das Handwerk gelernt hat er zum großen Teil im Dresdner VW Zentrum und „ein bisschen“ vom Vater. „Ich möchte mit meinen Händen anderen Menschen weiterhelfen. Und ihnen ihr Auto reparieren.“