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Mit Sensor zum Glück

Die langjährigen Chefs von ADZ Nagano verlassen sich nicht nur auf Glücksbringer aus Fernost. Sie vertrauen zuerst auf ihr Können, starke Partner – und ihre Söhne.

Von Michael Rothe
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Wolfgang Dürfeld und Dietmar Arndt (kl. Foto), langjährige Chefs von ADZ Nagano, behalten ihre Büros inklusive der Glücksbringer (im Bild links). Doch seit 1. Januar haben ihre Söhne beim Sensorhersteller das Sagen.
Wolfgang Dürfeld und Dietmar Arndt (kl. Foto), langjährige Chefs von ADZ Nagano, behalten ihre Büros inklusive der Glücksbringer (im Bild links). Doch seit 1. Januar haben ihre Söhne beim Sensorhersteller das Sagen. ©  Ronald Bonss / Blend3/Frank

Grün-Weiß, Schwarz-Rot-Gold, Weiß mit rotem Punkt – stolz und einträchtig stehen die sächsische, die deutsche und die japanische Flagge vor der ADZ Nagano GmbH in der steifen Winterbrise. Sie zeigen an, wer im eher unscheinbaren Zweigeschosser des Sensorherstellers in Ottendorf-Okrilla bei Dresden das Sagen hat.

„Das Glück ist dem Kühnen hold“, besagt ein Sprichwort. Wolfgang Dürfeld und Dietmar Arndt sind von diesem Kaliber. Gemeinsam mit zwei weiteren, später ausgestiegenen Partnern hatten sich die beiden studierten Elektrotechniker 1998 in das Abenteuer Unternehmertum gestürzt und die ADZ Sensortechnik GmbH in Dresden gegründet. Mit Erfolg, dem Glück der Tüchtigen und seit 2001 unter der Beteiligung einer Hydrotechnik-Firma im hessischen Limburg und des japanischen Sensorelemente-Herstellers Nagano Keiki.

Skurrile Talismänner aus Fernost

Der Mitgesellschafter und Co-Namensgeber aus Fernost schickt, nach dortiger Sitte, zu größeren Vorhaben besondere Glücksbringer in den nördlichen Dresdner Vorort, wo das Unternehmen seit 2005 seinen Sitz hat.

Daruma heißen die skurrilen Köpfe aus Pappmaché – Symbole für Ausdauer, Beharrlichkeit, Erfolg und eben Glück. Bei einem Wunsch an die buddhistische Figur malt man eines ihrer Augen aus und stellt sie gut sichtbar auf als stete Erinnerung an den Wunsch. Sobald er sich erfüllt hat, ist das zweite Auge dran – und es wird Zeit für einen neuen Daruma.

In Dürfelds Büro stehen mehrere Talismänner aus dem Land der aufgehenden Sonne. Das bislang letzte Auge blickt mit Vollendung des neuen Anbaus auf seinen Schreibtisch. In diesen Tagen ziehen Teile der Produktion aus dem beengten Altbau in die neue Halle mit rund 400 Quadratmetern zusätzlicher Produktionsfläche, einem modernen Lagersystem, zusätzlichem Pausenraum mit Küche und Büros. Auf dem Dach der 2,5 Millionen Euro teuren Investition liefert eine 55-kW-Fotovoltaikanlage umweltfreundlich Strom für Entwicklung, Produktion und Verwaltung – und davor eine Ladestation für Elektroautos.

„Wir leisten Großes im Kleinen“

ADZ Nagano entwickelt, produziert und vertreibt weltweit innovative Sensoren und Transmitter für Industriebereiche wie Pneumatik, Druckluft- und Wassertechnik, Mobilhydraulik, Motormanagement, Öldrucksysteme, aber auch für Hochtemperaturanwendungen. Seine Drucksensoren überwachen unter anderem Bremsen bei der Straßen- und Eisenbahn, etwa bei der modernisierten Moskauer Metro, oder bei kilometerlangen Güterzügen in Australien, China, Kanada und in den USA. Produkte der Ostsachsen kommen ferner in Medizin- sowie Luft- und Raumfahrttechnik zum Einsatz.

„Wir leisten Großes im Kleinen“, verspricht das Unternehmen selbstbewusst auf der Website. Rund 800.000 solch bedeutender Winzlinge haben 2020 das Werk verlassen. ADZ Nagano kooperiert mit der Fraunhofer Gesellschaft, der Technischen Universität Dresden und dem Kompetenzzentrum für Luft- und Raumfahrttechnik. „Im Heer der vielen Sensorhersteller setzen wir uns nicht über den Preis, sondern durch anspruchsvolle Lösungen ab“, sagt Dürfeld, der aus Elsterwerda stammt.

Umsatz seit 2005 mehr als verdoppelt

Dietmar Arndt, seinen Mitstreiter aus Wittenberge, hatte er einst im Umfeld des Dresdner Chipherstellers ZMD gefunden. „Flugzeugbauer haben derzeit keinen großen Bedarf“, sagt Dürfeld. Aufträge würden zwar nicht storniert, aber gestreckt. Zum Glück hänge das Unternehmen nicht am Wohl und Wehe der Autoindustrie, nur für Bagger, Busse und schwere Laster werde produziert.

Zum Start in Ottendorf 2005 lag der Umsatz bei acht Millionen Euro. 2019 erwirtschafteten die nunmehr 115 Beschäftigten, jede/r vierte ist Entwickler/in, fast 20 Millionen – und im abgelaufenen Corona-Jahr nur etwas weniger. Man sei mit einem blauen Auge davongekommen, sagt Dürfeld. Seit November gebe es keine Kurzarbeit mehr, für 2021 seien die Auftragsbücher voll. Für alle Mitarbeiter habe es 1.500 Euro Corona-Bonus gegeben.

Die Diplomingenieure Dürfeld und Arndt engagieren sich auch sozial. So vergibt ihr Unternehmen Aufträge an Behinderten-Werkstätten. Karitative Einrichtungen wie Sonnenstrahl e.V. unterstützt das Unternehmen ebenso wie Kindergärten, Grundschulen, regionale Künstler, Vereine oder die Kicker von Dynamo Dresden. Die im Sponsoring enthaltenen vier VIP-Tickets für Heimspiele der Schwarz-Gelben dienen wiederum der Mitarbeitermotivation.

An der langen Leine der Japaner

Die japanischen Miteigentümer, einer der Weltmarktführer in der Druckmesstechnik, lassen die Sachsen an der langen Leine. „Weil wir stetig wachsen, gibt es auch keinen Anlass, sich in unser operatives Geschäft einzumischen“, sagt Dürfeld. Das Verhältnis sei „sehr freundschaftlich“. Wenn nicht gerade eine Pandemie wüte, komme der Präsident von Nagano Keiki ein, zwei Mal im Jahr vorbei.

Beim nächsten Besuch wird er neue Gesichter im Chefsessel begrüßen. Zum Jahreswechsel haben die Seniorchefs, jeweils zwei- bzw. dreifache Familienväter, die Geschäfte an ihre Söhne übergeben. Mario Dürfeld (37) und Hannes Georgi (41), beide bereits seit zwei Jahren Prokuristen, sehen sich für die Herausforderung vorbereitet. Es sei „gut gewesen, mit Corona gleich mal eine Krise durchzumachen“, sagen sie unisono.

Der nächste Daruma kommt bestimmt

Wolfgang Dürfeld spricht von „logischer Fortführung“ der Firma. „Ich leide nicht unter Selbstüberschätzung“, so der 65-Jährige. Er sei sich „aber nicht sicher, ob ich mich nicht mehr reinhänge“.Sicher ist aber eins: Der nächste Daruma aus Japan kommt ganz bestimmt nach Ottendorf-Okrilla: als Glücksbringer für die neuen Geschäftsführer von ADZ Nagano. Und womöglich für ihre Väter im Wettbewerb „Sachsens Unternehmer des Jahres“.

Der Wirtschaftspreis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse, Leipziger Volkszeitung und MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG, der LBBW und der Gesundheitskasse AOK Plus.

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