Wirtschaft
Merken

Kommentar zum bundesweiten Warnstreik: Die Bahn ist jetzt am Zug

Am Montag ging in Deutschland fast nichts: auf der Schiene, per Bus, in der Luft. Jetzt muss ein tragfähiges Angebot der Bahn her, meint Michael Rothe. Ein Kommentar.

Von Michael Rothe
 3 Min.
Teilen
Folgen
SZ-Wirtschaftsredakteur Michael Rothe kommentiert den bundesweiten Streik im Verkehrssektor.
SZ-Wirtschaftsredakteur Michael Rothe kommentiert den bundesweiten Streik im Verkehrssektor. © Hendrik Schmidt/dpa

Die Bahngewerkschaft EVG hat ihre Drohung von Mitte Januar wahr gemacht. Beim Jahrestreff in Dresden versprach sie Deutschland im Frühjahr „einen zusätzlichen Feiertag, weil keine Mobilität stattfindet“. Am Montag war der Tag – ohne Grund zum Feiern. Auf der Schiene ging nichts, und durch den mit Verdi koordinierten Warnstreik kam auch der Verkehr per Bus und Flugzeug nahezu zum Erliegen.

In der Politik und im Arbeitgeberlager unkt manche/r schon von „französischen Verhältnissen“. Doch davon ist Deutschland weit entfernt. Der lediglich eintägige Ausstand war zeitig genug bekannt, der befürchtete Verkehrskollaps blieb aus.

Doch erneut tobt ein Streit über Verhältnismäßigkeit – schon reflexartig, nachdem 2007 GDL-Lokführer die Republik lahmgelegt hatten. Das Streikrecht ist ein wertvolles Gut, das für alle gilt, unabhängig von der Branche. Dass Reisende und andere Unbeteiligte leiden, liegt in der Natur der Sache. Streiks müssen wehtun, sonst wirken sie nicht. Die EVG-Aktion ist legitim, ebenso die Absprache mit Verdi und auch die verlangten zwölf Prozent mehr Lohn – wenngleich Forderungen nie auch das Ergebnis sind.

So berichteten wir bei Sächsische.de lokal über den Streik:

Unverhältnismäßig ist vielmehr das Gehaltsgefüge im Konzern. Bahnchef Richard Lutz verdient fast eine Million Euro pro Jahr, das Zigfache eines mittleren DB-Lohns. Fahrzeugreiniger müssen mit 2.100 Euro brutto auskommen, Busfahrer mit wenig mehr. Auch sie hatten in der Pandemie noch Verzicht geübt und den Konzern so mit durch die Krise geschleppt. Wie selbstverständlich wurde indes Lutz‘ Grundgehalt um zehn Prozent erhöht. Dafür, dass die Bahn unpünktlicher ist denn je? Für ein marodes Schienennetz, das nun im Hauruck-Verfahren mit vielen Einschränkungen saniert wird?

Am Donnerstag legt die Bahn ihre Bilanz 2022 vor. Gut möglich, dass sie die Stimmung noch anheizt, denn Güter- und Personenverkehr boomen. Schon zum Halbjahr hatte die DB ihr operatives Ergebnis gegenüber 2021 um 1,9 Milliarden Euro verbessert. Die Bahn ist am Zug, ein ordentliches Angebot muss her.

Dabei ist die GDL um Chef Claus Weselsky jetzt noch nicht einmal beteiligt. Ihre Tarifrunde beginnt im Herbst. Und die Lokführer legen ja gerne noch eine Schippe drauf.

E-Mail an Michael Rothe