Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Freischalten Freischalten Wirtschaft

Sachsens Umweltverbände: Die Energiewende ist nicht gescheitert

Vor der Landtagswahl ziehen die Umweltverbände ihre Bilanz und widersprechen damit Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Von Luisa Zenker
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Energiewende - ein großes Wort, wozu es viele Meinungen gibt.
Energiewende - ein großes Wort, wozu es viele Meinungen gibt. © Marco Klinger

Es ist ein Zitat, das Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in den vergangenen Monaten häufig benutzte und mit dem er für viel Aufruhr sorgte: "Die Energiewende ist gescheitert." Im gleichen Atemzug forderte der Spitzenkandidat der CDU in Sachsen die Energiewende neu aufzusetzen. Dafür brauche es Erneuerbare Energien genauso wie Kernkraft. Wie blicken die sächsischen Umweltverbände auf diese Forderung kurz vor der Landtagswahl?

"Das Zitat ist empirisch nicht haltbar, die Energiewende geht voran", sagt Felix Ekardt, Vorsitzender vom BUND Sachsen, bei einem Pressegespräch am Dienstag. Balkonkraftwerke erleben besonders in Sachsen einen Boom, begründet er. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind nirgendwo in Deutschland so viele in Betrieb wie Freistaat. Auch generell gehe es bei den Photovoltaik (PV)-Anlagen voran: Die Anzahl der Anlagen habe sich in der Legislaturperiode verdreifacht. Dennoch fügt Felix Ekardt hinzu: "Die Energiewende geht zu langsam." Auch Maria Vlaic vom Nabu erklärt: "Das Zitat kann man so nicht unterschreiben, die Energiewende verläuft aber nicht, wie von uns gewünscht." So wurden in diesem Jahr erst drei leistungsstarke Windräder in Sachsen installiert. Der Genehmigungsstand für Windkraft in Sachsen liegt nach Einschätzung des WWF im Bundesländervergleich auf einem der letzten Plätze.

Was die Umweltverbände für Sachsens Energiepolitik fordern

Um die Energiewende voranzubringen, müsse sich Sachsen vom Bremser zum Antreiber verwandeln, so der BUND. Das bedeute, die Kohle nicht länger am Markt zu halten als notwendig. Zumal Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet, dass sich die Kohleverstromung nach 2030 wegen der teurer werdenden CO₂-Emissionsrechte nicht mehr lohnt. Sachsen hält derzeit am Kohleausstieg 2038 fest, der BUND fordert den Kohleausstieg bis 2030.

Laut dem aktuellen Emissionsbericht Sachsens machen Großfeuerungsanlagen wie zum Beispiel Kohlekraftwerke einen Großteil der Treibhausgase aus (58 Prozent). Der im Juni veröffentlichte „Fortschrittsbericht Treibhausgas-Emissionen und Klimaentwicklung in Sachsen 2024“ belegt zudem den negativen Effekt des russischen Überfalls auf die Ukraine: Ab 2022 nahm in Sachsen die Braunkohleverbrennung wieder zu.

Um die Kohle durch Wind und Solar zu ersetzen, fordert der WWF eine stärkere Flächenbereitstellung für Windräder und PV-Anlagen. Der Nabu verlangt außerdem den Ausbau im Einklang mit dem Artenschutz zu denken. „Versiegelte Flächen müssen wir zuerst für Erneuerbare Energien nutzen“, fordert Vlaic.

Unterschiedliche Meinung zu Windrädern im Wald

Dennoch gehen hier die Meinungen auseinander: Während der Nabu Windkraftanlagen im Wald aufgrund des Artenschutzes vollständig ausschließt, macht der BUND Sachsen Ausnahmen: Repowering von Windrädern, die bereits im Wald stehen, sei in Ordnung. Sie schließen dennoch Anlagen auf Naturschutzgebieten aus. 2022 hat der Freistaat den Weg für Windräder in Sachsens Wäldern freigemacht.

Bei einem sind sich Nabu und BUND dennoch einig: Sie fordern eine Solarpflicht für Neubauten. Aktuelle Zahlen zeigen, dass der Flächenverbrauch für Solaranlagen auf Freiflächen gerade in Ostsachsen zunimmt. Im Wahlprogramm-Check des Energieverbandes VEE Sachsen sprechen sich allerdings nur Grüne und Linke explizit für eine Solarpflicht auf neuen Gebäuden aus, zudem streben die beiden Parteien mehr Solardächer auf bestehenden Häusern an. 2022 hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland die Solardachpflicht eingeführt.

Die Wahlprogramme im Energiewende-Check

Das Reiner-Lemoine-Graduiertenkolleg legte zudem eine detaillierte Analyse der sächsischen Wahlprogramme zur Energiewende vor. "Der Gesamteindruck über alle Wahlprogramme ist gemischt", heißt es von den Studienleitern des Berliner Forschungsinstituts, das wissenschaftliche Fragestellungen rund um Erneuerbare Energien bearbeitet.

In Bezug auf den Ausbau einer Infrastruktur für grünen Wasserstoff zeige das
Wahlprogramm der CDU sehr gute Ideen, es fehlen jedoch ambitionierte Ausbauziele für Erneuerbare Energien und die Wärmewende. Das Programm der Linken strebe viele Maßnahmen an, um benachteiligte Bevölkerungsgruppen bei der Energiewende zu entlasten. Das Wahlprogramm der SPD beinhalte sehr gute Ideen im Bereich der Wärmewende und bei der Förderung von grünem Wasserstoff. Ein entscheidender Aspekt für eine erfolgreiche Energiewende, ein flexibles Strommarktdesign und Entgelte, würden jedoch nicht adressiert. Ähnliche Vorschläge fehlen bei den Grünen, die laut den Studienleitern jedoch die konkretesten Vorschläge hin zu einer klimaneutralen Energiewende machen. Die Studienleiter haben den drei Programmen von Linke, SPD und Grüne eine sehr gute bzw. gute Bewertung gegeben.

Die AfD trete mit ihrem Wahlprogramm dagegen aktiv gegen die Energiewende an. Erneuerbare Energien werden demnach abgelehnt, während fossile Energieträger weiterhin gefördert werden sollen. Auch FDP und BSW werden von den Studienleitern kritisch eingeordnet.

Die FDP biete keine konkreten Ausstiegsszenarien aus fossiler Energie, zumal die
Nutzung der Kernenergie fortgesetzt werden solle, heißt es von den Wissenschaftlern. "Abschließend lässt sich sagen, dass das Wahlprogramm des BSW keinen überzeugenden Plan für eine Energiewende präsentiert und zum Teil schädliche Positionen einnimmt", erklären die Studienleiter.