Aus der Traum vom Eigenheim in Sachsen?

Dresden. "Träume sind ganz wichtig", betont Tobias Richter. "Vor allem der Traum vom eigenen Haus ist immer noch ein urtiefer Wunsch in jedem von uns, ein Stückchen Idealbild", erklärt der Vertriebsleiter der Immobilienvermittlung Hornig GmbH in Bautzen. "Die Familie gründen, das Haus bauen, den ersten eigenen Baum pflanzen."
Doch der Traum vom Wohnen im Grünen oder im selbst errichteten Haus lebt nicht überall gleichermaßen. In Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg und Bayern wünschen sich durchschnittlich drei von vier Personen eine Wohnstätte, in der sie ihr eigener Herr sind. In Sachsen dagegen nur jeder zweite.
Der Freistaat ist damit das Schlusslicht in einem Bundesländer-Ranking, für das das Finanzberatungsunternehmen Swiss Life Select - ehemals AWD - rund 3.000 Erwerbstätige und Studenten befragt hat. In anderen Ostländern wie Sachsen-Anhalt (57 Prozent) und Brandenburg (59 Prozent) kommt das Eigenheim ebenfalls auf vergleichsweise niedrige Zustimmungswerte.
Sachsen sind zufrieden mit Mietwohnungen
"Der Traum vom Eigenheim lebt aber auf jeden Fall auch in Sachsen", meint Immobilienmakler Ronny Hauke aus Dresden. "Über einen Mangel an Interessenten können wir uns wirklich nicht beschweren. Die Leute zieht es hinaus ins Grüne, in den Speckgürtel um Dresden. Nach Freital, Freiberg, in die Sächsische Schweiz oder ins Chemnitzer Land."
"Der letzte Platz im Ranking muss auch nichts Schlechtes sein, ganz im Gegenteil", kommentiert Beate Berez, Pressesprecherin von Swiss Life Select. Drei Viertel jener, die noch nie vom Eigenheim geträumt haben, gaben an, sich mit ihrer derzeitigen Wohnsituation arrangiert zu haben. "Die Sachsen sind wohl eher die pragmatischen Realisten statt die träumerischen Optimisten."
Dem widerspricht der Makler Tobias Richter aus Bautzen: "Dass es an der Mentalität der Sachsen liegt, halte ich für Quatsch." Natürlich sei die Verbundenheit mit dem Thema in den alten Bundesländern höher. Dort hatten es auch frühere Generationen schon einfacher, ein Eigenheim zu bekommen. "Heutzutage gibt es jedoch andere Bundesländer als Sachsen, in denen es schwierig ist, ein Eigenheim zu erwerben."
Eigenheim in Sachsen: Vielen fehlt das Geld
Dennoch gibt es auch pragmatische Gründe, warum das Eigenheim in Sachsen nicht die gleiche Anziehungskraft besitzt wie in anderen Bundesländern. 42 Prozent der befragten Sachsen fehlt das Geld, um sich eine eigene Immobilie zu leisten - und das über alle Altersschichten hinweg. In Sachen sind die Immobilienpreise höher als in anderen Ostländern wie Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern. So haben in Sachsen auch nur 13 Prozent die konkrete Absicht, ein Haus zu kaufen - in Sachsen-Anhalt dagegen doppelt so viele. Wo weniger Leute über fehlende finanzielle Mittel klagen, planen auch mehr den Kauf einer Immobilie, etwa in den Bundesländern Bremen, Hamburg und im Saarland.
"Die Zeit der Schnäppchen ist vorbei", sagt Makler Tobias Richter. Auch in dörflicher Lage und in den Grenzregionen zu Polen und Tschechien gebe es mittlerweile für fast jede Immobilie einen Abnehmer. Dazu kommt, dass die Preise für Baustoffe steigen und ein Neubau dadurch unattraktiver wird. In den Fokus rücken dadurch wieder mehr die Gebrauchtimmobilien. "Die Leute suchen möglichst bezugsfähige Objekte, bei denen keine Komplettsanierung mehr nötig ist", sagt Richter.
Entscheidend für die meisten Käufer sei die Lage des Hauses. Vor allem für junge Familien seien ein kurzer oder angenehmer Arbeitsweg und die Möglichkeit einer Kinderbetreuung in der Nachbarschaft ausschlaggebend. Älteren Menschen seien dagegen der Zugang zu kulturellen Einrichtungen und die ärztliche Versorgung wichtiger.
Steigende Mieten drängen zur eigenen Immobilie
Es sind vor allem junge Familien, die zukünftig am liebsten im eigenen Haus wohnen wollen. Bundesweit haben ganze 87 Prozent der 18- bis 29-Jährigen diesen Wunsch. "Viele denken: 'Ich spar mir die Miete' oder wollen ein Haus als Absicherung fürs Alter, bedenken dann aber nicht, dass man auch laufende Kosten hat", sagt Makler Ronny Hauke - Kosten, die in einer Wohnung im Regelfall bereits in der Warmmiete enthalten sind.
Für 30 Prozent der Sachsen sind die steigenden Wohnungsmieten Hauptgrund, in ein Eigenheim zu investieren. Mehr als jeder fünfte Sachse gab in der Umfrage an, derzeit mehr als die Hälfte seines Haushaltsnettoeinkommens für die Miete auszugeben. Anhaltend niedrige Zinsen begünstigen die Entscheidung zusätzlich - sind allerdings laut der Studie nicht der entscheidende Kaufgrund.
In der Pandemie spielt das Eigenheim seine Vorteile aus
Auch der Gedanke, im eigenen Haus mehr Platz für sich und die Familie zu haben, spielt eine Rolle - wenn auch nur eine untergeordnete. Anstelle der 80 Quadratmeter, die dem durchschnittlichen Sachsen derzeit an Wohnraum zur Verfügung stehen, werden 110 Quadratmeter angestrebt - alle Deutschen zusammengenommen wünschen sich sogar nochmal 15 Quadratmeter mehr. Auch ein Garten und ein Balkon sind für drei Viertel der Sachsen ein wichtiger Motivator.
"Im Lockdown hat es einen riesigen Unterschied gemacht, ob die Leute mit ihren Kindern in den eigenen Garten gehen konnten oder als Mieter zu Hause bleiben mussten, weil die öffentlichen Spielplätze geschlossen waren", erklärt Richter. Die Eigentumsbewohner hätten in der Corona-Krise somit einen klaren Vorteil gehabt. Einen Trend hin zum Eigentum habe er durch Corona aber nicht erkennen können. Genauso wenig wie durch das Baukindergeld, mit dem das Bundesinnenministerium bis März diesen Jahres Familien zum Kauf oder Bau eines Hauses bewegen wollte. "Das haben viele dankend erhalten, aber ein Trend ist dadurch nicht entstanden."
Mehr zum Thema Immobilien in Sachsen
- Wo bleibt die prophezeite Stadtflucht? Der Chef des Hauseigentümerverbandes erklärt, warum wegen Corona kaum jemand umgezogen ist und nennt einen günstigen Tipp im Landkreis Meißen.
- Noch Grundstücke im neuen Wohngebiet in Bautzen frei: In Oberkaina ist Platz für elf neue Eigenheime. Was Bauherren dort beachten müssen - und was das Bauland kostet.
- Neues Wohngebiet bei Pirna: Auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei in Bonnewitz entsteht Platz für Einfamilienhäuser. Bei dem Projekt ist nachhaltiges Bauen angesagt.
- Spettmann bezahlt Häuser in Görlitz: Kurz vor Ablauf der Frist ist das Geld für die Bismarckstraße 18 eingegangen. Und noch ein zweiter Betrag ist jetzt da. Lösen sich die Spekulationen in Luft auf?