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Schreibt die Lausitz die Zukunft neu?

Warum sich die TU Dresden um ein Großforschungszentrum für Digitalisierung in der Lausitz bewirbt – und was das der Region bringen könnte.

Von Annett Kschieschan
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Das Kraftwerk Boxberg steht noch für die „alte Lausitz“. So sehr im Fokus wie jetzt war die Region selten. Hier könnte künftig ein Großforschungszentrum entstehen.
Das Kraftwerk Boxberg steht noch für die „alte Lausitz“. So sehr im Fokus wie jetzt war die Region selten. Hier könnte künftig ein Großforschungszentrum entstehen. © Steffen Unger

Wandern im Zittauer Gebirge, Paddeln im Seenland rund um Hoyerswerda, Kultur entdecken in der Lessingstadt Kamenz, der Filmstadt Görlitz oder in Bautzen, dem Zentrum der sorbischen Lebensart - so unterschiedlich sich die Lausitz präsentiert, so vielfältig ist die Region im Osten Sachsens auch. Immer mehr Unternehmen erkennen das Potenzial der Lausitz für sich. Es ist eine Region im Aufbruch, die durch den Strukturwandel in den ehemaligen Tagebaugebieten einzigartige Möglichkeiten bietet. Mit einem eigenen Investorenportal, einer Hochschule, die zu regionalen Innovationen forscht, einem großen Pool gut ausgebildeter Fachkräfte und der optimalen Anbindung an die Lebensader A4 und die Nachbarländer Polen und Tschechien ist die Lausitz der perfekte Ort für die Wirtschaft der Zukunft.

Und weil das so ist, entdecken immer mehr Unternehmen die Region in Ostsachsen und Südbrandenburg für sich. Und die Forschung zieht nach. Sei es an der Hochschule Zittau-Görlitz (HSZG), die gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) und verschiedenen Unternehmen neue Potenziale des Leichtbaus und der Energietechnik in der Lausitz erschließen will oder nun auch an der TU Dresden, die in der Lausitz Großes vorhat. Sie bewirbt sich mit dem „Saxonian Institute of Technology“ um ein Großforschungszentrum für Digitalisierung in der Lausitz. Man wolle sich den Herausforderungen rund um Digitalisierung und Strukturwandel stellen und gleichzeitig die besonderen Möglichkeiten der Tagebau-Regionen nutzen, heißt es aus der TU. Spitzenforscher aus Bereichen wie Materialforschung, Nachrichtentechnik, Robotik, Künstliche Intelligenz, Psychologie, Nachhaltigkeitsforschung und Gesellschaftswissenschaften haben sich dafür in einem nach TU-Angaben einzigartigen Konsortium mit außeruniversitären Partnern zusammengeschlossen.

In ihrem Antrag für ein „Saxonian Institute of Technology“ (SIT) haben sie Ideen gesammelt, die aufzeigen, wie die Lausitz zu einer Hightech-Modellregion der digitalen Transformation und damit beispielgebend für ganz Deutschland werden könnte. Dabei soll ganz klar die Zusammenarbeit mit den Menschen im Fokus stehen. Das SIT verbinde Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, so die Rektorin der TU Dresden, Prof. Ursula M. Staudinger.

Handwerker mit im Boot

Das SIT baue dabei auf den vielfältigen Aktivitäten zur Informationstechnik in Sachsen auf. In der Lausitz selbst sollen die Hochschule Zittau-Görlitz, das Internationale Hochschulinstitut (IHI) Zittau der TU Dresden, das Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) oder das Internationale Zentrum für Stadtentwicklung (IZS) in Görlitz eingebunden werden. Sprecher des Projekts ist der renommierte Physik-Professor Karl Leo. Er sieht der Umsetzung mit Spannung entgegen. „Am SIT wollen wir digitale Innovationen für die Zukunft gestalten, für die Gesundheitsversorgung, die Ernährung, die Mobilität und die Energie. Vertrauenswürdig, nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich“, sagt er.

Dafür brauche man Spitzenforscher aus aller Welt. Wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist deshalb ein umfassendes Ausbildungsprogramm, das von der Berufsausbildung bis zum Promotionsstudium reicht. „Der Transfer in Ausgründungen und kooperierende Unternehmen kann nur erfolgreich sein, wenn geeignete ausgebildete Fachkräfte bereitstehen“, so Karl Leo. In Zusammenarbeit mit den regionalen Handwerkskammern soll es regelmäßige Informationsveranstaltungen, aber auch Labor- und Werkstattbesuche geben. So sollen auch die Betriebe vor Ort zeitnah erfahren, an welchen Projekten die Forscher arbeiten und zu welchen Schlüssen sie bereits gekommen sind.

Geplant ist außerdem ein Test- und Entwicklungsraum für Unternehmen, insbesondere kleine Betriebe und Mittelständler, innerhalb des Instituts. Das ermögliche die Entwicklung „betriebs- und marktnaher Projekte für Handwerksbetriebe, die durch Innovationsformate wie sogenannte „Hackathons“ oder „Bedarfspitches“ initiiert werden. So werden Betriebe in Forschungsaktivitäten eingebunden und die gegenseitige Zusammenarbeit forciert, so die TU. Zu den Partnern des Großprojektes gehören das Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik, das Leibniz-Institut für Polymerforschung, die Dresden International University, die Deutsche Telekom sowie unter anderem die Unternehmen Infineon, Globalfoundries und Bosch.

In den kommenden Wochen wird eine hochkarätige Perspektivkommission im Auftrag des Bundesministerium für Bildung und Forschung die für die Großforschungszentren eingereichten Anträge sichten. Jeweils drei Projekte für die Lausitz und das mitteldeutsche Revier sollen voraussichtlich im Juli ausgewählt und mit einer halbjährigen Konzeptionsphase beauftragt werden. Im zweiten Quartal 2022 fällt die endgültige Entscheidung, welche Großforschungszentren aufgebaut werden. Mittelfristig stellen die Fördergeber eine Finanzierung von bis zu 170 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht. Die Lausitz im Aufwind? Die Chancen stehen gut.