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Steinmeier: Zeit für neues ostdeutsches Selbstbewusstsein

Der Bundespräsident widmet sich Leuchttürmen der ostdeutschen Wirtschaft. Nach VW-Werk Zwickau und Chemiepark Leuna besucht er Bosch Dresden.

Von Georg Moeritz
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (3. von links) zu Besuch im Bosch-Halbleiterwerk in Dresden. Von links dabei: Werkleiter Christian Koitzsch, Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (3. von links) zu Besuch im Bosch-Halbleiterwerk in Dresden. Von links dabei: Werkleiter Christian Koitzsch, Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach. © dpa/Robert Michael

Dresden. Zur Fabrik-Eröffnung im Juni kam die Kanzlerin nur via Bildschirm - mit großem Corona-Abstand. Am Montag hat nun der Bundespräsident die neue Mikrochipfabrik von Bosch in Dresden besucht. Frank-Walter Steinmeier sagte, das „Silicon Saxony“ sei „ein Stück weiter als viele andere Regionen in Deutschland“.

Ostdeutschland könne stolz auf innovationsgetriebene Ansiedlungen der letzten Jahre sein: „Es ist Zeit für ein neues Selbstbewusstsein“, sagte Steinmeier mehrmals. Ostdeutschland sei heute vielerorts Vorreiter neuer Technologien.

Der Bundespräsident besichtigte danach auch die Baustelle zur Erweiterung der BASF-Chemiefabrik in Schwarzheide in Brandenburg. Dort soll Material für Batteriekathoden produziert werden. Steinmeier sagte, andere „Leuchttürme“ in Ostdeutschland habe er jüngst schon besucht: das VW-Werk für Elektroautos in Zwickau und den Chemiepark Leuna, der Wasserstoff nutzt.

Platz für Erweiterungen in Dresden

Die Bosch-Fabrik mit 250 Beschäftigten hat erste Chips für Bohrmaschinen ans Bosch-Elektrogerätewerk Sebnitz geliefert. Künftig soll sie auch Schaltungen und Leistungshalbleiter für Autos liefern und auf 700 Beschäftigte wachsen. Werksleiter Christian Koitzsch sagte, der Standort im Dresdner Norden erlaube noch mehr: „Wir haben Erweiterungsflächen vorgesehen.“

Steinmeier sagte, wegen der Liefer-Engpässe bei Halbleitern seien derzeit Fabriken zur Produktion im eigenen Land weltweit gefragt. Er wollte wissen, ob China von Bosch einen Mindest-Anteil chinesischer Produktion verlange. Bosch-Geschäftsführer Harald Kröger verneinte. Doch auch China wolle die Chipproduktion hochfahren, sagte Kröger.

Technik zum Anfassen: Bosch-Werkleiter Christian Koitzsch (von links) zeigt dem Bundespräsidenten und Sachsens Ministerpräsidenten einen Siliziumkristall. Daraus werden die Scheiben geschnitten, die Grundlage für die Mikrochipproduktion sind.
Technik zum Anfassen: Bosch-Werkleiter Christian Koitzsch (von links) zeigt dem Bundespräsidenten und Sachsens Ministerpräsidenten einen Siliziumkristall. Daraus werden die Scheiben geschnitten, die Grundlage für die Mikrochipproduktion sind. © Thomas Kretschel

Auf Fragen nach der nächsten Chipfabrik in Sachsen sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), gerade öffne sich ein Zeitfenster für Investoren. Firmennamen nannte er nicht. Doch der US-Konzern Intel und der taiwanische Hersteller TSMC hatten angekündigt, Standorte in Europa zu suchen. Kretschmer sagte, die EU sei bereit zu Subventionen: „Das ist gut für Sachsen, aber auch für Europa.“

Italien und Frankreich machten gerade Angebote, sagte Kretschmer. Nachdem die EU 400 Milliarden Euro gegen Corona aufgebracht habe, könne sie auch 30 bis 40 Milliarden für Mikroelektronik aufbringen.

Das Bosch-Werk kostete rund eine Milliarde Euro und hat im Juni die Produktion aufgenommen. Aus dem EU-Förderprogramm Ipcei für wichtige Projekte von gemeinsamem Interesse wurden dafür 140 Millionen Euro bewilligt. Bosch produziert nun in Dresden Chips auf Scheiben mit 300 Millimetern Durchmesser, während seine Fabrik in Reutlingen bei Stuttgart noch die ältere 200-Millimeter-Technologie nutzt. Aus Reutlingen kommen vor allem Sensoren und große Leistungshalbleiter, sagte der Bosch-Chef.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) lässt sich von Bosch-Werkleiter Christian Koitzsch am Modell den Aufbau des neuen Halbleiterwerks von Bosch erklären. Details folgten mit bewegten Großfotos an der Wand.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) lässt sich von Bosch-Werkleiter Christian Koitzsch am Modell den Aufbau des neuen Halbleiterwerks von Bosch erklären. Details folgten mit bewegten Großfotos an der Wand. © dpa-Zentralbild

Kretschmer: "Muss darum gehen, weiter zu investieren"

Es sei wichtig und richtig, dass Bosch in Dresden investiert habe in einer Zeit, in der Knappheitsbedingungen auf den internationalen Märkten herrschen, sagte Steinmeier. Europa sei von digitaler Souveränität noch weit entfernt. Dabei seien Halbleiter die Schlüsseltechnologie für alle anderen Produktionen.

Kretschmer räumte ein, dass weder Deutschland noch die EU im Bereich der Mikroelektronik Exportweltmeister seien. "Deswegen muss es darum gehen, weiter zu investieren." Sachsen sei bereit.

Steinmeiers Besuch fand unter Corona-Bedingungen statt. Der Bundespräsident trug zeitweise eine Maske. Selbst geimpfte Journalisten mussten sich zunächst in Räumen der Bosch-Betriebsmedizin testen lassen und FFP2-Masken tragen. Im Konferenzraum waren Sitzplätze mit Abstand vorgesehen, die Werksführung fand ausschließlich am Bildschirm statt. Werksleiter Koitzsch zeigte dazu schwenkbare Großfotos an der Wand. Das diente allerdings auch dem Schutz der Maschinen: Ein Besuch im Reinraum hätte Schutzkleidung erfordert, weil kein Staubkorn die Mikrochips verunreinigen darf.

Dienstwagen bei Bosch: Die Standarte des Bundespräsidenten gehört zu einem schwarzen Audi mit dem kurzen Autokennzeichen "0 - 1".
Dienstwagen bei Bosch: Die Standarte des Bundespräsidenten gehört zu einem schwarzen Audi mit dem kurzen Autokennzeichen "0 - 1". © Thomas Kretschel

Silvia Leupold, als Gruppenleiterin Informationstechnologie eine der ersten Angestellten der neuen Fabrik, berichtete Steinmeier, dass im Werk sicherheitshalber alles doppelt vorhanden sei - es gebe auch zwei Serverräume. Rund 40 Beschäftigte seien für Software zuständig. Der Senior-Prozessingenieur Tobias Heyne sagte, Defekte auf den Siliziumscheiben würden vollautomatisch erkannt. Bei manchen Defekttypen werde eine Anlage auch automatisch gestoppt, bei komplizierteren Fällen schauten sich die Experten die Daten an.

Werksführung vom Konferenzraum aus: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (hinten Mitte) erfährt von Bosch-Experten, wie sich die Chipproduktion wandelt.
Werksführung vom Konferenzraum aus: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (hinten Mitte) erfährt von Bosch-Experten, wie sich die Chipproduktion wandelt. ©  Thomas Kretschel

Bosch bezeichnet das Werk Dresden als seine erste AIoT-Fabrik - das steht für die Kombination von Künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge. Bosch-Chef Harald Kröger sagte: "Menschen, Maschine und Daten arbeiten hier wie ein Uhrwerk zusammen." Dresden sei ein idealer Standort wegen ausgezeichneter Infrastruktur, guter Verkehrsanbindung und dem Netzwerk von Forschung und Wirtschaft. "Deutschland kann Hightech", sagte Kröger. Immer mehr Chips für Autos würden benötigt, "Autos werden immer sicherer." (mit dpa)