Dresden. Schneeweiß gepudert liegt das brotförmige Hefegebäck auf dem Holzbrett, rotbraune Sultaninen kleben in dem honiggelben Teig. Fruchtig, zitronig, nussig, vanillig. Genossen werden möchte der Rosinen-Stollen neben einer brennenden Kerze. Eine Tasse Kaffee und Weihnachtsgedudel eignen sich als Beilage.
Der Dresdner Christstollen gehört für viele wie der Kirchgang zu Weihnachten einfach dazu. Dabei muss sich das saftig-süße Gebäck jedes Jahr von Neuem seinen Namen verdienen. Hält er sich an Rezeptur, Geschmack und Form, darf er sich das Siegel „Dresdner Christstollen“ auf die Verpackung kleben lassen. Nach Europäischen Angaben streng geschützt, gilt er als regionale Dresdner Spezialität, dessen Namen niemand anderes verwenden darf, der nicht zwischen Freital und Radeberg den Teig geknetet hat. Doch ist das Traditions-Gebäck wirklich so regional?
Rosinen, Butter, süße und bittere Mandeln, Orangeat, Zitronat, Weizenmehl, Milch, Hefe, Zucker und Stollengewürz – ein Blick auf die Zutatenliste zeigt: Knapp 40 Prozent des Stollens kommen nicht aus Deutschland. Vieles nicht einmal aus der EU. Ehe der Stollen zum Dresdner Produkt wird, muss er viele Reisen zurücklegen.
Den Zutaten des Stollens auf der Spur
Eine davon beginnt im Herbst als Samen in der Lommatzscher Pflege, der Kornkammer Sachsens. Grüne Halme wachsen aus der schwarzbraunen Erde. Bis Schnee und Eis das hauchdünne Pflänzchen in Winterstarre versetzen. Erst wenn die Vögel wieder zurückgekehrt sind, schießt der Keimling bis zum späten Sommer in die Höhe. Gepflegt und behütet von Landwirt Jens Klobuch.
Jährlich produziert er 9.000 Tonnen Getreide. Zum Vergleich: Jeder Deutsche verbraucht etwa 80 Kilogramm Getreide im Jahr. Etwa ein Drittel davon gedeiht als Elite-Weizen auf Klobuchs kilometerweiten Feldern. „Eine proteinreiche Getreide-Sorte, extra für das Stollenmehl konzipiert“, erklärt der Landwirt. Durch den hohen Glutenanteil hält es den schweren fettigen Stollenteig im Ofen zusammen.
Schon im Herbst muss Klobuch ein Pflanzenschutzmittel spritzen. Ein Kampf gegen die nicht erwünschten Kräuter. In den feuchten Sommern folgt dann ein Mittel gegen Pilze: Giftiges Ährenfusarium könnte sonst im Mehl landen. „Aber ich nehme nur so viel Pflanzenschutzmittel wie nötig“, erläutert er. „Das ist ja auch teuer. Würde ich auf all das verzichten, bekäme ich nur die halbe Menge an Getreide.“ Weniger Ertrag, weniger Einnahmen für den Landwirt, der Pacht und Lohn für seine Mitarbeiter bezahlen muss. „Lieber würde ich auf alle Subventionen verzichten und einen gerechten Preis für mein Getreide erhalten.“