Leben und Stil
Merken

Caravan-Salon in Düsseldorf: Camping-Branche hofft in der Krise

Am Freitag öffnet der Caravan Salon erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder regulär. Was hat sich in der Welt der Urlaubsnomaden verändert?

 5 Min.
Teilen
Folgen
Der neue Touring-Caravan von Eriba (Preis: ab 23.490 Euro) ist wegen seines niedrigen Gewichts auch für Elektroautos und kleinere Zugfahrzeuge geeignet.
Der neue Touring-Caravan von Eriba (Preis: ab 23.490 Euro) ist wegen seines niedrigen Gewichts auch für Elektroautos und kleinere Zugfahrzeuge geeignet. © Eriba/Hymer

Von Thomas Schade

Daniel Onggowinarso steht auf der Terrasse des Weingutes Castell Peralada und klagt auf hohem Niveau. Der smarte 44-Jährige ist Geschäftsführer des Industrieverbandes Caravaning Deutschland (CIVD). In der katalanischen Sonne analysiert er bei einem Glas Cava die Lage der Branche. Mit 196 Mitgliedern vereint der Verband nahezu alle wichtigen deutschen und europäischen Hersteller von Freizeitfahrzeugen, namhafte Zulieferer und Dienstleister.

Daniel Onggowinarso ist Chef des Caravan Industrie Verbands (CIVD), der seit Jahren immer neue Rekorde zu verzeichen hat.
Daniel Onggowinarso ist Chef des Caravan Industrie Verbands (CIVD), der seit Jahren immer neue Rekorde zu verzeichen hat. © CIVD

Eigentlich hat der Verbandsboss keinen Grund, Trübsal zu blasen. Kaum eine Fahrzeugbranche hat sich in den vergangenen fünf Jahren so rasant entwickelt wie die der Freizeitmobile. Zum zweiten Mal in Folge wurden im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Wohnmobile und Caravans neu zugelassen. Mittlerweile rollen Bundesbürger mit schätzungsweise rund 1,5 Millionen Reisemobilen und Caravans über unsere Straßen. Ausgelöst worden sei der Boom vor allem durch die Corona-Pandemie, sagt Onggowinarso. „Individuelles Reisen sahen viele Menschen als Alternative.“ Allein in den vergangenen vier Jahren hätten sich die Neuzulassungen in der Branche mehr als verdoppelt. Seit nunmehr elf Jahren ging es immer nur bergauf.

Doch seit einigen Monaten herrscht Flaute. Im ersten Halbjahr 2022 sei die Zahl der Neuzulassungszahlen für Reisemobile und Caravans gesunken, sagt der Verbandsmanager. Wichtigster Grund: die Verzögerungen bei der Produktion und Auslieferung von Neufahrzeugen. „Wie in vielen Bereichen sind auch bei uns Lieferketten zusammengebrochen“, sagt Onggowinarso. Es fehlte und fehlt an Halbleiterkomponenten und Rohstoffen wie Stahl, Holz, Kunststoff und Klebstoff.

Von Januar bis Juni wurden 55.202 Freizeitfahrzeuge in Deutschland neu zugelassen. Das entspricht einem Minus von reichlich zwölf Prozent im Vergleich zum Rekordjahr 2021. Dennoch stellt die Zahl das zweitbeste Ergebnis der Branchengeschichte für diesen Zeitraum dar. Insbesondere die Reisemobilsparte brach mit 40.985 Fahrzeugen ein, was einem Minus von knapp 16 Prozent entspricht, aber immer noch das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten ist.

Nicht auf dem Caravan-Salon vertreten
ist die Marke Sunlight, für die bei Capron in Neustadt/Sachsen gefertigt wird. Eine Neuheit gibt es trotzdem: Das Modell Cliff 590 4x4, ein Allradler. Preis: ab ca. 70.000 Euro.
Nicht auf dem Caravan-Salon vertreten ist die Marke Sunlight, für die bei Capron in Neustadt/Sachsen gefertigt wird. Eine Neuheit gibt es trotzdem: Das Modell Cliff 590 4x4, ein Allradler. Preis: ab ca. 70.000 Euro. © Sunlight/Hymer
Der Bürstner Lyseo Gallery ist ein teilintegriertes Wohnmobil mit ungewöhnlichem Dach über dem Fahrerhaus. Der sogenannte Alkoven ist binnen 90 Sekunden ausblasbar. Die Preise für dieses Mobil starten bei rund 87.000 Euro.
Der Bürstner Lyseo Gallery ist ein teilintegriertes Wohnmobil mit ungewöhnlichem Dach über dem Fahrerhaus. Der sogenannte Alkoven ist binnen 90 Sekunden ausblasbar. Die Preise für dieses Mobil starten bei rund 87.000 Euro. © Bürstner
Der Wohnwagen Hobby Maxia 585 UL ist 2,50 Meter breit und bietet Platz für vier Personen (Innenstehhöhe: 1,95 Meter). Zum Preis von 36.440 Euro ist schon eine Menge Ausstattung inklusive.
Der Wohnwagen Hobby Maxia 585 UL ist 2,50 Meter breit und bietet Platz für vier Personen (Innenstehhöhe: 1,95 Meter). Zum Preis von 36.440 Euro ist schon eine Menge Ausstattung inklusive. © Hobby Wohnwagenwerk
Einen typischen 3,5-Tonner-Kastenwagen auf Basis eines Ford Transit stellt die LMC mit dem Innovan 590 vor. Konzipiert ist das Mobil für zwei Personen, es kostet mindestens 54.800 Euro.
Einen typischen 3,5-Tonner-Kastenwagen auf Basis eines Ford Transit stellt die LMC mit dem Innovan 590 vor. Konzipiert ist das Mobil für zwei Personen, es kostet mindestens 54.800 Euro. © LMC/Hymer
Die Firma Niesmann und Bischoff zeigt auf dem Caravan Salon ihren neuen „Flair“-Liner. Als Basis des rund neun Meter langen Luxusfahrzeug dient ein Iveco Daily 70 C18. Preis: ab 214.900 Euro.
Die Firma Niesmann und Bischoff zeigt auf dem Caravan Salon ihren neuen „Flair“-Liner. Als Basis des rund neun Meter langen Luxusfahrzeug dient ein Iveco Daily 70 C18. Preis: ab 214.900 Euro. © Niesmann + Bischoff

Die Caravanhersteller hatten im ersten Quartal 2022 noch ein Plus von 7,9 Prozent vermeldet. Doch auch die Wohnwagensparte verzeichnete zum Sommer hin immer deutlichere lieferkettenbedingte Ausfälle. So stiegen die Neuzulassungen im ersten Halbjahr auf 14.217 Stück. Das ist zwar noch ein leichtes Plus von 0,8 Prozent. „Hersteller, die beide Produkte auf den Markt bringen, sind im Frühjahr vermehrt auf die Fertigung von Caravans ausgewichen, um ihre Kapazitäten auszulasten. Doch mittlerweile macht sich auch in der Caravanproduktion fehlendes Material und Bauteile bemerkbar“, so der CIVD-Chef.

Zur Erklärung: Der Bau eines Wohnmobils erfolgt stark arbeitsteilig. Autohersteller wie Fiat, Mercedes, Citroën oder VW liefern die Chassis der Reisemobile. Firmen wie Hymer, Pössl, Malibu oder Dethleffs erledigen die Aufbauten. Dieses erfolgreiche Miteinander ist teilweise gestört, weil verschiedene Ausbaukomponenten, vor allem aber Fahrzeugchassis fehlen.

Boomende Branche

  • Mit dem Bau, Vertrieb und Handel von Freizeitmobilen werden in Deutschland über 36.000 Arbeitsplätze gesichert.
  • Dazu kommen 75.000 Arbeitsplätze im Tourismus und 14 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr für die heimische Fremdenverkehrswirtschaft. Etwa 4,5 Milliarden Euro davon bleiben direkt in den Regionen. Caravaning ist ein Wirtschaftsfaktor für den Tourismusstandort Deutschland.
  • Die Branche verzeichnet einen Jahresumsatz von fast 14 Milliarden Euro. Heute gibt es deutschlandweit fast 4.700 Reisemobilstellplätze mit über 71.000 Standplätzen. Die Anzahl der Stellplätze ist im Vergleich zu 2016 zwar um 30 Prozent gestiegen, hält aber mit den Zulassungszahlen bei Reisemobilen nicht mit.
  • Den Marktforschern der GfK zufolge kann sich jeder vierte Deutsche über 18 Jahre vorstellen, in den nächsten fünf Jahren einen Caravaning-Urlaub zu machen.
  • Die Zahl der Reisemobile ist von 2016 bis 2020 um mehr als 80 Prozent auf 767.000 Fahrzeuge gestiegen. Rechnet man die Caravans hinzu, dürften derzeit bis zu 1,3 Millionen hier zugelassene Freizeitmobile unterwegs sein. (rnw)

Nun hofft die Branche auf den Caravan Salon. Die wichtigste Messe der Branche öffnet nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause vom 26. August bis 4. September auf dem Düsseldorfer Messegelände wieder ihre Tore. Hier wird auf 250.000 Quadratmetern das Neueste aus der Welt des Caravanings gezeigt. Die Zahl der Ausstellungshallen ist auf 16 angewachsen. 650 Aussteller haben sich angekündigt, sagt Messedirektor Stefan Koschke. Er wirbt für die Veranstaltung, die der schönsten Urlaubs- und Reiseform überhaupt gewidmet sei. Seine Exponate bezeichnet Koschke als „emotionale Produkte“. Kunden wollten das Fahrzeug sehen und anfassen, ehe sie kaufen, sie wollten Produkte und Marken miteinander vergleichen. Das gehe nun mal nicht online.

Die Nachfrage nach dem mobilen Ferienspaß ist ungebrochen, da sind sich die Fachleute einig. „Der Trend zum individuellen, naturnahen Urlaub hat lange vor der Pandemie eingesetzt und wird auch in Zukunft das Reiseverhalten vieler Menschen beeinflussen“, sagt Daniel Onggowinarso. Eine Studie des Allensbach-Instituts zeige, dass die Fangemeinde des Caravanings in den vergangenen beiden Jahren um zwei Millionen gewachsen sei. Demnach sind mittlerweile etwa 13,8 Millionen Deutsche mit einem eigenen oder geliehenen „Freizeitfahrzeug“ unterwegs. Insbesondere der Trend zum Kauf kompakter Fahrzeuge halte an und werde durch junge preisbewusste Kundschaft vorangetrieben, sagt Onggowinarso.

Auch wenn der CIVD-Geschäftsführer sagt, dass „verlässliche Prognosen derzeit unmöglich“ seien. Zu wechselhaft erscheinen die Rahmenbedingungen. „Wir müssen auf dem Boden bleiben, sind aber sicher, dass Caravaning auch in Zukunft viele Menschen begeistern wird.“ So bleibt es auf der Terrasse des Weingutes Castell Peralada diesmal bei einem Gläschen des katalanischen Schaumweines. Die Korken knallen erst wieder beim nächsten Rekord.

Infos für Messebesucher

  • Wann und Wo: vom 26. August („Preview Day“) bis 4. September auf dem Gelände der Messe Düsseldorf, jeweils täglich von 10 bis 18 Uhr.
  • Eintrittskarten: Tagesticket (Onlineverkauf): 16 Euro, Tageskarte Sonntag (Onlineverkauf): 18 Euro, Tageskarte Samstag und Sonntag (jeweils ermäßigt): 15 Euro, Tageskarte Preview Day: 35 Euro, Tageskarte ermäßigt (Onlineverkauf): 13 Euro, Tageskarte Samstag (Onlineverkauf): 18 Euro.
  • 2-Tages-Tickets gibt es nicht mehr.
  • Tickethotline: 0211-4560 7600.

Mehr Infos hier.