So geht Camping auch im Winter

Um dem Alltag zu entfliehen, müssen Uwe und Andrea Stumbitz etwa 150 Kilometer quer durch Sachsen fahren. Am schönsten sind jene Tage, an denen es im heimischen Böhlen regnet und die Quecksilbersäule des Thermometers nur knapp über den Gefrierpunkt klettert. Dann stehen die Chancen gut, dass es im Osterzgebirge Minusgrade gibt. Und mit etwas Glück sogar ein bisschen schneit.
Auf einer Waldwiese, gut 800 Meter über dem Meeresspiegel, parkt das Refugium des Ehepaars: ein weiß-blauer Wohnwagen vom Typ Hobby Prestige, 2,20 Meter breit und rund sechs Meter lang. Drinnen gibt es eine Sitzecke, zwei Betten, Dusche und WC. Auf dem Küchenblock steht eine Flasche böhmisches Bier, ein Schwibbogen ziert das Bugfenster. Im Vorzelt glimmt eine mehrfarbige Lichterkette. „Unser Wochenendgrundstück, das wenig Arbeit macht“, erklärt Stumbitz, der mit seiner Flecktarnjacke aussieht wie ein Bundeswehr-Veteran.
Familie Stumbitz gehört zum Kreis jener Camper, die ihr Gefährt im Herbst nicht einmotten, sondern weiter nutzen. Der Stellplatz am Kleinen Galgenteich in Altenberg ist fürs ganze Jahr gebucht. Seit einem Vierteljahrhundert kommen sie auch in den Wintermonaten immer wieder her. „Einmal lag der Schnee so hoch, dass wir mit den Skiern über den Wohnwagen ins Vorzelt gefahren sind“, erzählt Uwe Stumbitz. Er habe aber auch schon zu Ostern zwei Tage lang geschaufelt, um den Caravan freizubekommen. So oft es der Schichtdienst seiner Frau ermöglicht, verbringen die beiden ihre Wochenenden hier oben. Bricht abends die Dämmerung herein, setzen sie sich an ihre Feuerschale, trinken Glühwein und schauen dem Züngeln der Flammen zu. „Man muss es sich schön machen“, sagt die 57-Jährige.
Ob sich was ändert, ist offen
Wintercamping gilt in Deutschland bisher als exotische Urlaubsform. „Es gewinnt aber immer mehr an Bedeutung“, sagt Christian Günther, Geschäftsführer beim Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD). Laut Statistischem Bundesamt wurden im Februar 2020 rund anderthalbmal so viele Übernachtungen gezählt wie im Vergleichszeitraum des Jahres 2010. In der gesamten vergangenen Saison, die von November 2019 bis März 2020 dauerte, waren es 1,5 Millionen Nächtigungen – ein neuer Rekord. Allerdings profitieren die Bundesländer unterschiedlich stark von diesem Trend. Laut einer Marktanalyse des Verbands bleiben beispielsweise in Nordrhein-Westfalen vier von fünf Campingplätzen auch im Winter geöffnet. Urlaubsregionen wie Bayern und Niedersachsen kommen auf Quoten von gut 50 Prozent. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern empfängt dagegen nicht mal jeder dritte Betreiber Wintergäste.
Welche Beherbergungsbetriebe zwischen Zittau und Zwönitz tatsächlich über den 31. Oktober hinaus empfangsbereit sind, lässt sich zum Beispiel über Vermittlungsportale herausfinden, die das Filtern von Öffnungs- und Schließzeiten ermöglichen. Die Internetplattform camping.info listet momentan 37 Plätze in Sachsen, die laut Eigenauskunft Wintercamping ermöglichen. Um einen Kontrollanruf vor Ort komme man aber nicht herum, sagt Jens Bohge vom Mitteldeutschen Verband der Camping- und Wohnmobilwirtschaft. Tatsächlich sei seit Beginn der zweiten Coronawelle alles anders, bestätigt Maximilian Möhrle von camping.info. „Aktuell dürfen Campingplätze keine Übernachtungen zu touristischen Zwecken anbieten. Das heißt, bundesweit haben die meisten Plätze geschlossen. Nur für Dauercamper gelten teilweise Ausnahmen.“
Genauso sind die Regeln an den Altenberger Galgenteichen: Dauercamper dürfen bleiben, Touristen nicht. Allen Interessenten, die nur für ein paar Tage einchecken wollen, muss Pächter Marcel Gundel notgedrungen absagen. „Viele erklären mir dann am Telefon, dass sie mit der Nasszelle und dem WC in ihrem Wohnmobil doch autark wären.“ Dem 28-Jährigen bleibt dennoch nichts anderes übrig, als auf das geltende Verbot zu verweisen.
Momentan ist völlig offen, ob sich daran in der Weihnachtszeit oder zu Beginn des neuen Jahres etwas ändert. Viele Betreiber hoffen auf Lockerungen. Vor allem die Plätze in den Alpen und den Wintersportgebieten der Mittelgebirge würden enorm profitieren. Manche Betreiber machen in dieser Zeit einen Großteil ihres Jahresumsatzes. „Weihnachten und Silvester 2019 hätten wir doppelt so viele Gäste beherbergen können, wenn wir die Flächen dafür gehabt hätten“, sagt Marcel Gundel. Jammern will der Jungunternehmer dennoch nicht. Die Sommersaison in Altenberg sei schließlich „richtig gut“ gewesen, obwohl sie erst zu Pfingsten beginnen konnte.
Bei 23 Grad wird es gemütlich
Fragt man Uwe Stumbitz nach Corona, verzieht der genervt das Gesicht. „Das Thema geht mir auf den Zünder.“ Seine Pläne für das Jahr 2020 seien ganz andere gewesen. „Normalerweise bauen wir zu Ostern ab, um im Sommer woanders hinzufahren.“ Diesmal hätten er und seine Frau beschlossen, den Wohnanhänger aufgebockt zu lassen. Nach dem Motto: Lieber Sommerurlaub in der Heimat als eine stornierte Auslandsreise.
Immerhin hat sich so die Jahresgebühr für den Stellplatz bezahlt gemacht. Knapp eintausend Euro sind es für zwölf Monate und zwei Personen. Alles in allem ein fairer Preis, findet der 64-Jährige. „Für einen Stellplatz an der Ostsee mit Meerblick bezahlen Sie gut und gern das Doppelte.“ So günstig, wie mancher Laie annimmt, ist Camping also doch nicht.
Vor allem die Anschaffung der mobilen Unterkunft geht ins Geld. Mehr als 12.000 Euro hat sich der Ruheständler seinen gebrauchten Einachser kosten lassen. Dazu kommen rund 150 Euro jährlich für die Versicherung und Steuern. Außerdem verlangt die Stadt Altenberg Kurtaxe, und es muss regelmäßig Propangas gekauft werden, das zum Heizen und Kochen benötigt wird. „Eine Elf-Kilo-Flasche reicht bei uns normalerweise fünf Tage“, schätzt Stumbitz. Kurz vor dem Zubettgehen schaltet er die Heizung aus und öffnet das Seitenfenster einen Spalt breit. Dass es nachts kalt wird an der Nasenspitze, stört ihn nicht.
Bei Bedarf lässt sich das Innere des gut gedämmten Caravans auch auf muckelige 23 Grad erwärmen. „In einem Jahr haben wir mal bei minus 16 Grad Außentemperatur im Vorzelt Silvester gefeiert“, erzählt Stumbitz vergnügt. Grundsätzlich sei alles eine Frage der richtigen Kleidung und des passenden Schuhwerks. Gegen die Fußkälte schwören er und seine Frau auf Moonboots – übergroße, dick gefütterte Schneestiefel, die besser wärmen als sie aussehen.
Ja, es gibt Caravans mit Fußbodenheizung
Die Frostmotten unter den Dauercampern können ihr Geld natürlich auch gleich in einen neuen Caravan investieren. Moderne Modelle verfügen sogar über eine Fußbodenheizung. Wie zahlungskräftig die Klientel der Caravan- und Wohnmobilurlauber ist, zeigen Statistiken des Branchenverbands CIVD. Demnach geben Caravan-Käufer durchschnittlich 22.000 Euro für ein mobiles Domizil aus. Für erstzugelassene Wohnmobile werden im Schnitt Preise von 75.000 Euro bezahlt.
Als „Königsklasse“ gelten sogenannte Vollintegrierte. Dieser Fahrzeugtyp bietet nicht nur extra viel Komfort, sondern ist auch bestmöglich isoliert. Bei teilintegrierten Modellen hingegen wird die Fahrerkabine oft zur Kältebrücke, die sich mit Isoliermatten oder Thermoüberzügen nur provisorisch schließen lässt.
Vor dem Kauf eines klassischen Reisemobils sollten Ganzjahrescamper besonders auf den Unterschied zwischen „winterfest“ und „wintertauglich“ achten, rät Outdoor-Spezialist und Fachbuchautor Michael Hennemann. Winterfest heißt, dass sich der Innenraum bei minus 15 Grad Außentemperatur binnen vier Stunden auf plus 20 Grad erwärmen lassen muss. Nach einer Stunde wird zudem die Wasseranlage befüllt und muss anschließend tadellos funktionieren. Für wintertaugliche Fahrzeuge sind die Vorgaben weniger streng.

Die Grenzen des Wintercampings
Auch einige touristische Tipps für Wintercamper hat der 47-Jährige parat: Der Camping Ferienpark Brilon im Sauerland und die Wohnmobilstellplätze an den Badegärten Eibenstock seien ganzjährig lohnende Ziele. Skifahrer und Snowboarder mit einem Faible für die Alpen seien dagegen in der Fünf-Sterne-Anlage Camping Resort Zugspitze oder auf dem preiswerteren Partnerplatz Camping Erlebnis Zugspitze gut aufgehoben.
Andrea und Uwe Stumbitz haben vor vielen Jahren mal am Ochsenkopf im Fichtelgebirge campiert. Der Platz dort sei aber nicht so schön gewesen, erinnert sich Andrea Stumbitz. Etwas Gutes hatte der Ausflug in die Fremde dennoch: „Wir haben ein älteres Ehepaar aus der Nähe von Geithain kennengelernt, das nun regelmäßig auch nach Altenberg kommt.“
Seine Wintergäste seien ein bunt gemischtes Häufchen, sagt Campingplatz-Betreiber Marcel Gundel. „Wir haben Rentner jenseits der 80, aber auch junge Familien.“ Als verbindendes Element zwischen den Generationen sieht der Vater von drei Kindern die Lust aufs Leben im Freien. Auch er hat seine Freude daran. Bis März vorigen Jahres hat der gelernte Elektroanlagenmonteur in Zentralnorwegen gelebt und im Dovrefjell-Nationalpark als Tourguide gearbeitet. Dort herrschten in der kalten Jahreszeit auch mal Tiefsttemperaturen von minus 30 Grad, sagt Gundel. „Da kommt Wintercamping dann wirklich an seine Grenzen.“
Buchtipps: Michael Hennemann: Das große Wohnmobil-Handbuch. Stiftung Warentest, 272 S., 29,90 Euro; BVCD Service GmbH (Hrsg.): Campingplätze & Wohnmobilstellplätze in Deutschland 2021, 416 S., 9,95 Euro.