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Ihre Rechte bei gestrichenen oder verpassten Flügen

Mit dem Beginn der Ferienzeit gibt es Chaos an Flughäfen. Reisende haben Anspruch auf Umbuchung oder Entschädigung – aber nicht in jedem Fall.

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Flug gestrichen. Und jetzt?
Flug gestrichen. Und jetzt? © Ennio Leanza/KEYSTONE/dpa

Tausende gestrichene Flüge und lange Warteschlangen an Check-in und Sicherheitskontrollen: Die Zustände an den Flughäfen zeigen: Mehr Menschen wollen wieder reisen, doch die Luftfahrtbranche kann dieser sprunghaft gestiegenen Nachfrage kaum gerecht werden. Es fehlen Mitarbeiter, die sich in der Pandemie andere Jobs gesucht haben oder suchen mussten. Hinzu kommen Krankmeldungen und Streiks. Der Chef der Flugsicherungsgewerkschaft warnte vor einem nie da gewesenen Chaos in diesem Sommer an deutschen Flughäfen.

Was kommt da auf Urlauber in den Sommerferien zu?

„Wir rechnen damit, dass diese Situation den gesamten Sommer bis in den Herbst anhalten wird, da es schwierig bis unmöglich ist, in allen betroffenen Bereichen kurzfristig das benötige Personal aufzubauen“, sagt Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland.

Was können Reisende vor dem Abflug tun?

Informiert bleiben, wie es um den Flugstatus bestellt ist. Und rechtzeitig am Airport sein. „Generell sollten sich Reisende aktuell noch früher am Flughafen einfinden als sonst – mindestens zweieinhalb bis drei Stunden vor Abflug“, empfiehlt die Leiterin für Sicherheits- und Krisenmanagement beim Reiseveranstalter DER Touristik, Melanie Gerhardt. Wenn möglich, checkt man sich vorab online ein. Wer kann, verzichtet bei Kurzreisen auf Aufgabegepäck.

Wer in der Nähe des Flughafens wohnt, kann vielleicht einen Vorabend-Check-in machen und dabei auch schon seine Koffer aufgeben. Das bieten einige Airlines an, so Gerhardt, und es spart Urlaubern die Schlange am Check-in. Empfehlenswert ist, sofort zur Sicherheitskontrolle zu gehen, sobald man eingecheckt ist. Wer den Check-in im Vorfeld schon erledigt hat, geht direkt nach Ankunft am Airport dorthin. All diese Ratschläge gelten insbesondere für die stark gebuchten Ferienzeiten.

Wann und wie kann meine Airline meinen Flug stornieren?

Grundsätzlich kann sie das immer tun. Je nach Zeitpunkt haben Reisende dann aber Anspruch auf Erstattungen und gegebenenfalls Schadenersatz. Dafür gibt es die EU-Fluggastrechteverordnung. Sie ist für alle Flüge anwendbar, die innerhalb der Europäischen Union starten. Für Flüge, die in der EU landen, gilt sie nur dann, wenn die Airline ihren Sitz in einem der EU-Mitgliedsstaaten hat.

Ist die gebuchte Pauschalreise für den Sommerurlaub in Gefahr?

Der Deutsche Reiseverband (DRV) gibt zumindest etwas Entwarnung. Dass gut gebuchte Strecken zu den Pauschalreise-Zielen rund ums Mittelmeer oder zu ferneren Zielen in größerem Umfang gestrichen werden, sei eher unwahrscheinlich. Das gilt insbesondere für Flüge, die von den Reiseveranstaltern lange im Vorfeld eingekauft worden sind. Veranstalter und Reisebüros seien in engem Austausch mit den Fluggesellschaften, um die Auswirkungen von möglichen Flugstreichungen so gering wie möglich zu halten. Laut DRV hätten noch nicht alle Airlines mitgeteilt, welche konkreten Flüge gestrichen würden. Häufig seien innerdeutsche Flüge betroffen.

Kann ich jetzt überhaupt noch kurzfristig buchen?

Dass sich der Personalengpass bei Airlines und Airports auf das Angebot von Last-minute-Reisen auswirkt, damit rechnet der DRV nicht. „Es gibt weiter eine große Zahl an buchbaren Reisen für den Sommer.“

Und wenn ich jetzt noch Flüge suche – wird es dann nicht teuer?

Laut einer in dieser Woche veröffentlichten Auswertung der Flugsuchmaschine Skyscanner können Reisende mit Flexibilität Geld sparen. So seien Flugreisen in die Türkei in der letzten Augustwoche im Schnitt etwa 36 Prozent günstiger als Mitte Juli. Die Ersparnis für eine vierköpfige Familie liege hier im Schnitt bei 428 Euro.

Auch mit den Abflugtagen kann man Geld sparen. So sei es laut Skyscanner oft ratsam, innerhalb der Woche zu fliegen. Die Flugsuchmaschine und ihre Mitbewerber wie Kayak, Momondo oder Google Flights haben eine Kalenderübersicht, wo man die Flugpreise für bestimmte Strecken im Wochen- oder Monatsverlauf vergleichen und die günstigsten Flugtage für die gesuchte Verbindung herausfinden kann.

Muss mich eine Airline im Fall einer Stornierung auf jeden Fall umbuchen?

Laut Fluggastrechteverordnung haben Reisende in so einem Fall ein Wahlrecht zwischen der vollständigen Erstattung des Ticketpreises und einer Umbuchung durch die Airline. „Nur in der Praxis klappt das nicht immer“, so Wojtal. Kommt die Flugstreichung mit einigen Tagen Vorlauf, sollten Urlauber prüfen, was für sie günstiger ist. Womöglich können sie noch günstigere Flüge buchen, weil die Preise manchmal kurz vor Abflug noch mal sinken. In der Regel buche die Airline den Fluggast um, so Wojtal. Ansonsten sollte man sich das Einverständnis für die eigenständige Alternativbuchung von der Airline holen, damit es bei der Erstattung keine Probleme gibt.

Was ist mit meinem selbst gebuchten Hotel, wenn der Flug storniert wurde?

Das muss man trotzdem bezahlen. Nur wenn die Geschäftsbedingungen (AGB) des Ferienhaus- oder Hotelbetreibers eine Stornierung vorsehen, kann man sein Geld zurückverlangen, erklärt Wojtal. Sonst bleibt nur das Hoffen auf Kulanz.

Was gilt bei Pauschalreisen im Fall einer Flugstornierung?

Hier ist der Veranstalter zuständig. Er muss für eine Ersatzbeförderung sorgen. Und der Reisepreis dürfe sich durch die neue Flugverbindung nicht erhöhen, auch wenn der Veranstalter aufgrund der Streichung kurzfristig teurere Flüge einkaufen müsse.

Wer seine Handynummer bei der Buchung angegeben habe, werde bei Flugzeitenänderungen oder -streichungen umgehend von unserem Sicherheitsmanagement informiert, erklärt Melanie Gerhardt von DER Touristik. „Sollte ein Gast wirklich einmal seinen Flug verpassen, kümmern wir uns rund um die Uhr um Umbuchung.“

Bei einem annullierten Flug im Rahmen einer Pauschalreise kommen laut Verbraucherschützerin Wojtal Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter in Betracht – auf Minderung des Reisepreises oder sogar Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Steht mir als Individualreisender bei Stornierung Ausgleichszahlung zu?

Womöglich ja. Entscheidend ist der Zeitpunkt. Erfolgt die Storno-Info von der Airline weniger als 14 Tage vor Abflug, hat man neben dem beschriebenen Wahlrecht zwischen Erstattung und Umbuchung gegebenenfalls noch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von bis zu 600 Euro – abhängig vom konkreten Einzelfall.

Erfolgte die Benachrichtigung über die Streichung sieben Tage bis zwei Wochen vor Abflug und wurden Alternativflüge angeboten, die maximal zwei Stunden früher starten und maximal vier Stunden später landen als die ursprünglichen Flüge, besteht kein Recht auf Ausgleichszahlung. Ist man weniger als sieben Tage vorher informiert worden, gilt das nur noch für Alternativflüge, die maximal eine Stunde früher starten und maximal zwei Stunden später landen. Andersfalls stehen einem in der Regel Ausgleichszahlungen zu. Bei Flugstrecken bis 1.500 Kilometer sind es zum Beispiel 250 Euro.

Muss man aufgrund einer kurzfristigen Stornierung am Flughafen auf seinen Alternativflug warten, besteht Anspruch auf Betreuungsleistungen. Je nach Länge der Wartezeit sind das Wojtal zufolge etwa Verpflegung oder auch Hotelunterbringung.

Was gilt, wenn ich wegen Personalmangel bei der Sicherheitskontrolle den Flug verpasse?

„Hier kommt es auf den Einzelfall an, dies regelt die Verordnung nicht“, sagt Karolina Wojtal. Ein Anspruch gegen die Airline, den Reiseveranstalter oder den Flughafenbetreiber bestehe nur, wenn sich der Fluggast rechtzeitig vor dem Abflug am Flughafen eingefunden hat. Voraussetzung für eine Verantwortlichkeit von Airline oder Betreiber sei darüber hinaus ein organisatorischer Fehler im Vorfeld des Check-ins oder der Kontrolle, zum Beispiel der Einsatz von zu wenig Personal, die Öffnung von zu wenig Schaltern oder Schleusen oder eine insgesamt schlechte Organisation der Abläufe.

Wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zeigt, hat man bei überlangen Wartezeiten an von der Bundespolizei organisierten Sicherheitskontrollen unter Umständen auch Anspruch auf Schadenersatz durch die Bundesrepublik, wenn man sich mit dem zeitlichen Vorlauf am Airport eingefunden hat, den Flughafenbetreiber oder Airline empfohlen haben.

Ist man rechtzeitig am Flughafen und droht, wegen langer Warteschlangen dennoch den Flug zu verpassen, sei es wichtig, den Zeitablauf zu dokumentieren, sagt Reiserechtler Paul Degott. So sollte man Fotos von einigen Situationen machen, etwa von der rechtzeitigen Ankunft am Flughafen, der Schlange im Terminal, der Zahl der geöffneten Schalter. Verbraucherschützerin Wojtal rät außerdem, darum zu bitten, bei der Kontrolle vorgezogen zu werden. „Sonst kann dem Fluggast ein Mitverschulden an dem Verpassen des Fluges angelastet werden.“

Wer hilft einem bei verpassten Flügen, sein Recht einzufordern?

Sich selbst durch die Fluggastrechteverordnung wühlen und dann mit den Airlines in Kontakt treten, vor diesem Aufwand scheuen viele zurück. Hilfreich kann die kostenlose Flugärger-App der Verbraucherzentrale NRW sein, mit der Reisende ihre Ansprüche prüfen und eine Mail an die Airline formulieren können. Das Europäische Verbraucherzentrum bietet ein browserbasiertes Selbsthilfe-Tool bei Flugproblemen.

Einen Entschädigungsrechner gibt es auch beim ADAC. Damit könne man seine Rechte kostenfrei prüfen und dann entscheiden, ob und wie man tätig werden wolle, so der Autofahrer-Club. So könnten Nutzer im Anschluss einen Musterbrief erstellen, die Schlichtungsstelle für öffentlichen Personenverkehr (SÖP) einschalten oder Vertragsanwälte oder das Fluggastrechte-Portal Myflightright beauftragen, mit dem der ADAC zusammenarbeitet.

Solche Fluggastrechte-Portale gibt es reichlich, weitere Anbieter sind etwa EUclaim, Fairplane oder Airhelp. Ihre Dienstleistung kostet im Erfolgsfall Provision, abhängig von der Höhe der Erstattung. (dpa)