Mit Lamas auf Tour: Versuch’s mal mit Gemütlichkeit

Pongratz hat sich hübsch gemacht. Ein roter Schal schmückt seinen langen Hals. „Pongratz ist unser Fotomodel“, sagt Steffi, „er wird gern zu Familienfeiern und Kindergeburtstagen gebucht.“ Auch auf Hochzeiten hat er regelmäßig seinen großen Auftritt. „Dann trägt er einen Blumenkranz.“
Heute muss er mit mir vorliebnehmen. Wir wollen eine Schnuppertour unternehmen. Der Begriff trifft es eigentlich ganz gut. Denn wir beide kennen uns noch nicht. Überhaupt bin ich noch nie einem Lama begegnet, jedenfalls nicht aus solcher Nähe. Also beschnuppern wir uns erst mal. Das Tier streckt mir ohne Scheu sein Maul entgegen. Ich schrecke zurück – so viel Entgegenkommen hatte ich bei der ersten Begegnung nun wirklich nicht erwartet. Am Ende spuckt es mir gar noch ins Gesicht?
„Keine Angst“, sagt Steffi. So etwas sei praktisch noch nie vorgekommen. Wenn Lamas spucken, dann nur auf andere Lamas. Und das auch nur, wenn sie sich zu nahekommen. Deshalb sollte man sie immer etwas auf Abstand halten. Außerdem gibt die junge Frau den Tipp, das Seil locker zu halten und auf keinen Fall ums Handgelenk zu wickeln. Falls das Lama doch mal ausbüxen will, könne das recht schmerzhaft enden. Aber auch das, fügt Steffi hinzu, sei eine reine Vorsichtsmaßnahme und noch nie passiert.
Stefanie Glantschnig, so ihr vollständiger Name, ist 36 und Tauernlama-Führerin. Das heißt, sie führt Lamas und Wanderer auf Waldwegen durchs Tauerntal. Start ist in Mallnitz, einer kleinen Gemeinde im Kärntner Teil des Nationalparks Hohe Tauern. Im größten Schutzgebiet Österreichs sind 15.000 verschiedene Tierarten heimisch, darunter auch einst ausgerottete wie der Steinbock und der Bartgeier. Und nun auch Steffis exotische Lamas.
Ideal auch für Kinder
Zu Beginn bekommt jeder Zweibeiner einen Vierbeiner an die Hand. Wobei: Was die Führungsfrage angeht, verhält sich die Sache eher umgekehrt. Denn die Tiere, so stellt sich alsbald heraus, haben ihren eigenen Kopf. Wenn Pongratz an einer Fichte knabbern will, dann knabbert er. Wenn er mal muss, dann bleibt er einfach stehen und lässt einen großen Haufen kleiner Kügelchen zur Erde niederprasseln. Ziehen und Zerren gehen schon gar nicht. Lamas mögen es gemütlich.
Gerade dieses ganz eigene Tempo ist es, was den Reiz einer Lama-Wanderung ausmacht, erklärt Steffi. „Die Leute kommen ganz schnell runter.“ Das gelte selbst für Kinder. Einmal habe sie Mädchen und Jungen aus einem SOS-Kinderdorf zu Besuch gehabt. „Es war erstaunlich, wie schnell sich die Ruhe der Tiere auf die Kinder übertragen hat.“ Vor allem Schulklassen und Familien buchen die ein- bis vierstündigen Wanderungen, manche bereits zum wiederholten Male: „Wann darf ein Stadtkind schon mal selbst so ein großes Tier führen?“

Die Idee zu den Lama-Touren kam Steffi eher zufällig. Ihr Sohn leide unter einer Tierhaarallergie, erzählt sie. Lamas machten ihm aber seltsamerweise nichts aus. Die Mutter schaute sich im Internet um und wurde fündig. Als sie mit dem Tier dann durchs Dorf spazierte, hätten die Leute gefragt, warum sie keine Touren anbiete – die seien schließlich voll im Trend. Also legte sie sich noch ein paar Tiere mehr zu und machte eine Ausbildung zur Berg- und Wanderführerin. Das war vor zwei Jahren.
Heute stehen acht Lamas im Gehege. Alle sind in Österreich zur Welt gekommen, jedes hat seinen Namen und seine Eigenheiten. Emilio sei etwas temperamentvoll, Caramello recht brav und Konrad der Frauenschwarm. Black hat, wie es der Name schon sagt, ein schwarzes Fell und einmal sogar den dritten Platz bei einem Schönheitswettbewerb gewonnen.
Pongratz ist mit 15 Jahren der Älteste in der Herrenrunde. Für den Namen kann er nichts, den haben ihm seine Vorbesitzer verpasst. Aber kommt es letztlich nicht auf die inneren Werte an? Während wir Seit’ an Seit’ durch den verharschten Schnee stapfen, gewinne ich zunehmend das Gefühl, dass ich mit Pongratz einen guten Griff gemacht habe. Er lässt sich am Hals streicheln und posiert auch gern für ein Foto – im Gegensatz etwa zu Emilio, der sich bei jedem menschlichen Annäherungsversuch sofort wegduckt.
Ein bisschen leid tut mir Pongratz dann aber doch. Nach der einstündigen Tour verrät mir Steffi nämlich, dass er es in seinen 15 Lebensjahren noch nie mit einer Stute zu tun gehabt hätte. „Und das wird auch so bleiben“, sagt die Lama-Führerin bestimmt. Und das hat seinen Grund: Wenn nämlich männliche Lamas einer Lama-Dame begegneten, „dann werden sie närrisch.“ Und wer weiß schon so genau, ob Pongratz dann noch so brav seinen Dienst als Fotomodel tun würde.
Die Recherche wurde unterstützt von Österreich Werbung und Kärnten Werbung.