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Der Energiespar-Fuchs aus Radebeul

Ein Ingenieur und Ex-Unternehmer hat seine private Energiewende vollzogen - und erzählt, wie sehr er seine Stromrechnung gedrückt hat.

Von Andreas Rentsch
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Das Geld lieber auf dem Dach als auf dem Konto: Getreu diesem Motto hat Roland Stolle in eine langlebige Fotovoltaikanlage investiert.
Das Geld lieber auf dem Dach als auf dem Konto: Getreu diesem Motto hat Roland Stolle in eine langlebige Fotovoltaikanlage investiert. © Matthias Rietschel

Am Anfang stand eine nüchterne Schätzung. Ungefähr 50.000 Euro, so rechnete Roland Stolle aus Radebeul eines Tages hoch, werde er bis zu seinem Tod noch für Strom ausgeben müssen. „Da ist mir die Idee gekommen, das zu optimieren. Nebenkosten senken ist ja auch eine Form von Altersvorsorge.“ Inzwischen kann der 68-Jährige von beachtlichen Erfolgen berichten. Seine private Energiewende sei weiter gediehen als einst erhofft. „Ich bewohne jetzt ein Energie-Plus-Haus. Das bedeutet, ich produziere übers Jahr gesehen mehr Strom, als ich verbrauche. Hätte nie gedacht, dass das geht.“

Besucher, die sich sein Projekt erklären lassen wollen, sollten ein bisschen Zeit einplanen. Vor dem Rundgang durchs Gebäude bittet Stolle ins Wohnzimmer. Dort hat der Ingenieur und frühere Mitgesellschafter einer Druckerei einen Bildschirm aufgebaut, um eine Power Point-Präsentation zu zeigen. Auf über 40 Folien drängen sich Balken- und Tortendiagramme, wechseln sich Zahlenkolonnen und schematische Zeichnungen ab. Ziel seines Experiments sei gewesen, energieautark zu werden, also komplett mit selbst erzeugtem Ökostrom auszukommen, sagt Stolle.

Nicht die schlechteste Idee in einem Land, dessen Strompreise zu den höchsten weltweit zählen. Laut einer aktuellen Analyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft zahlt ein Durchschnittshaushalt mit 3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch derzeit gut 93 Euro monatlich nur für Strom. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es rund 41 Euro.

Die Basis für sein Vorhaben, sagt der gebürtige Pirnaer, sei keineswegs optimal gewesen. An der 1998 errichteten, hellgelb getünchten und mit roten Dachpfannen gedeckten Doppelhaushälfte im Osten von Radebeul sei „energetisch nichts gemacht“ gewesen. Den ersten Schritt zu mehr Nachhaltigkeit habe er 2009 mit einer Wärmepumpe getan. Seitdem steckt 120 Meter tief im Boden eine Sonde, die die höhere Temperatur im Erdinneren nutzbar macht. 2017 folgte als nächste Großinvestition eine Fotovoltaikanlage. Seine verfügbare Dachfläche hat Stolle bestmöglich gefüllt. 14 Module hängen auf der östlichen Schräge, 13 zeigen gen Westen. Bei der Wahl des Anbieters habe er sich für maximalen Energieertrag entschieden und dafür auch einen höheren Anschaffungspreis im Kauf genommen, sagt Stolle. „Es hat einfach keinen Zweck, billig zu kaufen.“

Stromspeicher im Keller

Parallel dazu kam ein stationärer Stromspeicher ins Haus. Der einen Meter breite und 1,20 Meter hohe Metallkasten im Keller dient unter anderem dazu, einen Teil des erzeugten Sonnenstroms zu bunkern. Ein weiterer Energiespeicher parkt vorm Haus: ein Mitsubishi Outlander. Der Allradkombi ist ein sogenannter Plug-in-Hybrid, hat also zwei verschiedene Motoren. Unter der Fronthaube steckt ein Benziner, der durch zwei kleinere Elektromotoren ergänzt wird. Das ermöglicht emissionsfreies Fahren zumindest auf kürzeren Strecken. Im Winter reiche eine Akkuladung für etwa 40 Kilometer, ehe der Verbrenner anspringt, schätzt Stolle. Für die meisten seiner Alltagsfahrten im Großraum Dresden sei das völlig ausreichend.

Die Entscheidung für den Wagen sei eine pragmatische gewesen, sagt er. „Ich fahre im Jahr vielleicht 15.000 Kilometer. Außerdem machen meine Frau und ich öfter Campingurlaub. Ich habe schlicht kein passendes Elektroauto gefunden, das meinen Ansprüchen genügt hätte.“ Im Hinblick auf seine Autarkie-Bestrebungen wäre tatsächlich ein echter Stromer vom Schlage eines Tesla Model 3 oder VW ID.3 besser gewesen. Das hat damit zu tun, dass deren Akkus viel größer sind. Selbst wenn man die Kapazität seines Kellerspeichers und die des Plug-in-Hybrids addiert, kommt man nur auf knapp 24 Kilowattstunden. Der größte Akkustapel im VW ID.3 fasst mehr als das Dreifache.

Aus Sicht vieler Fachleute braucht es möglichst viele Zwischenspeicher, um den wachsenden Anteil regenerativer Energien in Deutschland händeln zu können. Das gilt nicht nur im großen Stil, sondern auch für Eigenheimbesitzer. Je mehr selbst erzeugter Strom im eigenen Haushalt verbraucht wird, desto besser. Allerdings stehen viele Besitzer von Fotovoltaikanlagen vor demselben Dilemma: In den Sommermonaten produzieren sie zu viel Strom, im Winter zu wenig.

Komplexe Materie

Wie komplex das Thema irgendwann wird, zeigt auch der Blick auf die Flussdiagramme in Roland Stolles Präsentation. Dicke blaue Pfeile symbolisieren das Hin und Her der Energie. Vom Solarpanel zum Hausspeicher, von dort weiter zum Autoakku oder den Haushaltsgeräten und der Wärmepumpe. Das Piktogramm eines Hochspannungsmastes zeigt die Anbindung ans öffentliche Netz. Der Pfeil dorthin steht fürs Einspeisen selbst erzeugter Solarenergie, der andere in Gegenrichtung für den Bezug von Fremdstrom. 2019 habe er nur von Neujahr bis Mitte März und von Ende September bis Silvester Strom zukaufen müssen, sagt Stolle. „Die restliche Zeit bin ich nahezu autark gewesen.“ Selbstverständlich sind die Kosten für den Zukauf auch in der Präsentation aufgeführt. 2019 waren es 555 Euro, im vergangenen Jahr rund 750 Euro. Kein übler Wert, wenn man bedenkt, dass in dieser Summe auch schon Heizkosten und das Betanken des Auto-Akkus enthalten sind.

Vor knapp einem Jahr hat der Autodidakt seinem Energiesparpuzzle das vorerst letzte große Teil hinzugefügt. „Ich habe mir ein Smart Meter zugelegt. Das ist ein Gerät, das eingehende und ausgehende Strommengen digital misst und per Internet überträgt.“ Einer der Vorteile von Smart Metern liegt darin, dass sie Stromtarife mit flexiblen Preisen ermöglichen. Solche Konditionen werden beispielsweise von dem österreichischen Start-up Awattar angeboten. Kunden, die deren „Hourly“-Tarif gebucht haben, können die sich stündlich ändernden Börsenstrompreise online kontrollieren und dann zuschlagen, wenn ihnen die Kilowattstunde günstig genug erscheint. Voraussetzung dafür ist allerdings ein intelligentes Messsystem des deutschen Dienstleisters Discovergy, mit dem Awattar kooperiert.

Ihm sei dieser Zähler am 5. März 2020 eingebaut worden, sagt Roland Stolle. An den Tag kann er sich deswegen so gut erinnern, weil danach Probleme auftauchten, die ihn über Monate beschäftigten. Das System war zwar korrekt installiert und per Lan-Kabel ans Internet angeschlossen worden, verweigerte aber den kontinuierlichen Datentransfer. Endloses Testen und Probieren blieb erfolglos. Sein Sohn, ein Informatiker, habe das Problem schließlich gelöst, sagt Stolle. „Ohne ihn und die Unterstützung des Discovergy-Kundendiensts wäre ich aufgeschmissen gewesen.“ In der Zwischenzeit blieb ihm nichts anderes übrig, als einen regulären Tarif mit festem Arbeitspreis zu nutzen. Mit der Abrechnung des ersten Börsenstrom-Jahres ist der passionierte Tüftler trotzdem zufrieden. „Gegenüber dem Niveau von 2019 habe ich zwölf Prozent Preissenkung realisiert.“

Energiebunker im Keller: Der Lithium-Ionen-Speicher von E3/DC hat eine Kapazität von reichlich zehn Kilowattstunden.
Energiebunker im Keller: Der Lithium-Ionen-Speicher von E3/DC hat eine Kapazität von reichlich zehn Kilowattstunden. © Matthias Rietschel
Die Digitalanzeige an der Vorderseite des schwarzen Kastens zeigt in Echtzeit, woher die Energie kommt und wohin sie fließt.
Die Digitalanzeige an der Vorderseite des schwarzen Kastens zeigt in Echtzeit, woher die Energie kommt und wohin sie fließt. © Matthias Rietschel
Das Laden seines Hybridautos kann der 68-Jährige per iPad oder Smartphone wird steuern. Den Strom liefert eine Wallbox der österreichischen Firma Go-e.
Das Laden seines Hybridautos kann der 68-Jährige per iPad oder Smartphone wird steuern. Den Strom liefert eine Wallbox der österreichischen Firma Go-e. © by Matthias Rietschel

Bei der Frage nach seinem generellen Fazit gibt sich Roland Stolle durchaus kritisch. Vor allem, was den möglichen Missbrauch von sensiblen Daten betrifft. „Ich lege ja mein Verbrauchsprofil komplett offen und erkläre nach außen, wann ich im Winter die Waschmaschine anschalte oder über die Wallbox mein Auto lade. Das ist Mist.“ Andererseits sieht er seine Rolle als Energie produzierender und konsumierender „Prosumer“ positiv. „Denn ich verhalte mich netzdienlich. Ich nehme genau dann Strom ab, wenn er im Überfluss vorhanden und deshalb günstig ist.“ Seine kürzlich in Betrieb genommene Wallbox checkt permanent, wie die Preise gerade sind, und startet automatisch den Ladevorgang. Auch den Zeitpunkt, wann der Akku voll sein soll, kann Stolle vorgeben.

Dass sich die Investitionen in seine private Energiewende allenfalls mittelfristig rentieren, stört ihn nicht sonderlich. „Es ist ja irgendwie auch ein Hobby.“ Außerdem packe er sein Erspartes immer noch lieber aufs Dach als aufs Bankkonto. Alles in allem habe sich der Aufwand gelohnt, sagt er. „Ich würde es wieder so machen.“

Interessenten, die bei vergleichbaren Projekten von Roland Stolles Know-how profitieren wollen, können sich per E-Mail bei ihm melden.

So viel kostet die private Energiewende

Zentrale Bestandteile des Projekts von Roland Stolle sind eine Fotovoltaikanlage auf dem Hausdach und der stationäre Lithium-Ionen-Speicher von E3/DC im Keller. Die Anschaffungskosten beziffert der Hausbesitzer auf insgesamt reichlich 28.000 Euro.

Sein Hauskraftwerk vom Typ S10 hat eine Kapazität von zehn Kilowattstunden (kWh). Laut Hersteller gibt es auch größere, kleinere oder modular erweiterbare Anlagen. Wichtig ist, dass die Leistung der Fotovoltaik zum Speicher passt. Die Module auf Stolles Haus schaffen 8,4 Kilowatt-Peak (kWp).

Ein Touchscreen auf der Vorderseite des Speichers zeigt die Energieflüsse: Wie viel Energie die Solaranlage gerade liefert, ob etwas aus dem öffentlichen Netz entnommen wird, was die Haushaltsgeräte an Strom ziehen oder ob der Speicher angezapft wird. Der grüne Balken in der Mitte zeigt an, welchen Grad an Autarkie das System momentan schafft.

Eine wichtige Erkenntnis seines Projekts sei, dass sich der Strompreis enorm senken lasse, wenn man den Verbrauch auf günstige Zeiträume verlege, sagt Stolle. Batterien sind dabei sehr nützlich, Hochpreisphasen zu überbrücken. Seit er über seinen Versorger Börsenstrom bezieht, dessen Konditionen sich stündlich ändern, hat er Preisschwankungen von bis zu 17 Cent pro Kilowattstunde beobachtet.

Den Kauf von Komponenten fördert der Staat mal durch steuerliche Abschreibungen, mal durch Zuschüsse. Momentan bezuschusst die Förderbank KfW Wallboxen für Elektro- und Hybridautos. Stolle hat die 900 Euro für den Kauf und die Installation eines smarten Laders der Firma Go-e genutzt. Vor wenigen Tagen hieß es, der Fördertopf sei nahezu leer, womöglich verlängert der Bund das erfolgreiche Programm aber noch einmal. (rnw/are)

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