Wo Fledermäuse zu Kirchenmäusen werden

Pfarrer Ulrich Wollstadt von der Görlitzer Versöhnungskirchengemeinde wird ab März einige Dutzend Besucher mehr in seiner Kirche in Kunnerwitz haben. Aber nicht zwischen Altar und Orgel, sondern eine Etage darüber, im Dachgeschoss der Dorfkirche. Dann werden die Fledermäuse ihre neuen Sommerquartiere unter dem Kirchendach sicherlich in großer Zahl in Beschlag nehmen.
Neu ist das für den Pfarrer nicht. Bisher nisteten 25 Fledermäuse in dem Kirchengebälk und auch Turmfalken sind in der Kirche zu Hause. Für neue Fledermauswohnungen sorgen derzeit René Kieschnik und weitere Mitarbeiter von der Naturschutzstation "Östliche Oberlausitz" mit Sitz in Förstgen. Seit vergangenem Donnerstag sind die "Nestbauer" in der Erlöserkirche beschäftigt. Der Kirchenrat stimmte dafür, den Fledermäusen nicht nur in Kunnerwitz, sondern auch in der Dorfkirche Tauchritz und in der Bergkapelle in Jauernick feste Behausungen zu geben.
Auf der Jagd nach Insekten
Wie viele Fledermäuse sich in der Kunnerwitzer Kirche ansiedeln werden, das vermag René Kieschnick derzeit noch nicht einzuschätzen. Schließlich muss sich das unter den Fledermäusen erst einmal herumsprechen, dass es neuen Wohnraum für sie gibt. Ist der Anfang aber erst einmal gemacht, dann geht es ziemlich schnell, dass die Fledermaus zu Dutzenden sich auch unter diesem Kirchendach einfindet.
In der Oberlausitz ist es vor allem die Langohrfledermaus die hier heimisch ist. Sie sammelt vorwiegend Insekten von Blättern, darunter Raupen, kleine Käfer und Nachtfalter. Denn Fledermäuse sind nachtaktive Tiere. Ihre Art wird noch in das graue und braune Langohr unterteilt. Gemeinsam haben beide Langohren, dass sie laut Naturschutzbund als relativ ungesellig gelten. Besonders die Männchen sind Einzelgänger, aber auch die Wochenstuben der Weibchen umfassen meist nicht mehr als zehn bis 20 Muttertiere. Die beiden Geschlechter begegnen sich erst im Herbst zur Paarungszeit.
Das heißt, das Langohr braucht mehr Unterkünfte als manch andere Fledermausart. Dem trägt die Naturschutzstation in ihrem vom Landesamt für Umwelt und Geologie geförderten Projekt Rechnung. In der Kunnerwitzer Kirche sind nicht nur viele, sondern auch verschiedene Behausungen gebaut worden. Am Dachfirst sind mehrere, an graue Hohlblocksteine erinnernde Unterschlupfmöglichkeiten angeschraubt worden. Aber auch ähnlich wie Nistkästen aussehende Wochenstuben hat René Kieschnick angebracht.
Zudem ist noch das Geschick eines Tischlers gefragt beim Fertigen von Spaltenquartieren. Sie bestehen aus zusammengefügten Brettern und werden an den Dachschrägen angeschraubt. Die Fledermäuse kriechen dann zwischen das Dach und die Holzbretter. Außerdem finden die Fledermäuse eine sogenannte Wärmeglocke vor. Ein am Dach befestigter Holzverschlag, der nach unten offen ist und in dem sich die Flattertiere sammeln und sich gegenseitig wärmen können.
Tauchritz und Jauernick sind die nächsten Orte
Es wird also einiges getan, um die unter Schutz stehenden Fledermäuse in ihrer Artenvielfalt zu erhalten und zu vermehren. Die Kirche in Kunnerwitz ist nur ein Ort, wo Nistmöglichkeiten für die Flugkünstler durch die Naturschutzstation geschaffen werden. Deren Leiterin Annett Hertweck erklärt, dass nach Kunnerwitz in der Kirche Tauchritz und in der Bergkapelle Jauernick ebenfalls Fledermausquartiere montiert werden. Alle drei Kirchen gehören zur Versöhnungskirchengemeinde von Pfarrer Wollstadt.
Begleitet wird das Projekt von der Nieskyer Biologin Christiane Schmidt. Sie hat ein Monitoring zu den Fledermäusen und ihrem Bestand in den Landkreisen Bautzen und Görlitz gemacht. Zusammen mit den Eigentümern trifft sie die Auswahl der Orte, an denen sich Fledermäuse ansiedeln können. Dazu gibt es einen Plan der Umsetzung und nach diesem arbeitet die Naturschutzstation.
So ein Naturschutzprojekt bleibt nicht ohne Folgen: Fledermäuse machen viel Dreck, vor allem, wenn sie zu Hunderten unter einem Dach sind. Dieser Kot ist regelmäßig zu entsorgen. Außerdem müssen die Quartiere für die Fledermaus gut zugänglich sein. Das heißt, ein Fenster muss offen bleiben oder Löcher für den Ein- und Ausflug in der Wand oder unter dem Dach sein. Das alles muss vorher berücksichtigt werden, bevor die Monteure anrücken. Im Norden des Landkreises und darüber hinaus waren sie ebenfalls tätig. So wurden neue Fledermausbehausungen in Knappenrode und Schleife sowie an der Spree geschaffen, aber auch in Kreba-Neudorf, Förstgen und Gebelzig.
Feriencamp zur Fledermaus
Die Naturschutzstation will mit diesem Projekt nicht nur zum Erhalt der Fledermäuse beitragen, sondern damit auch Wissen über sie vermitteln. Dazu soll im August ein von Land und EU gefördertes Feriencamp stattfinden unter dem Thema: "Nicht den Kopf hängen lassen – Fledermäuse im Biosphärenreservat". Angesprochen sind Kinder zwischen zehn und 14 Jahren, die sich vom 8. bis 13. August von Förstgen aus auf die Spuren der nächtlichen Vampire begeben wollen. Eine ihrer Aufgaben wird es sein, Nistkästen für Fledermäuse zu bauen. Mit ihnen werden dann die nächsten Fledermausquartiere bestückt.
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