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Die Klimafreundlich-Versprechen und was im Laden wirklich dran ist

Zwei Drittel der Kunden würden gern klimafreundlich einkaufen. Im Marktcheck überprüften Verbraucherschützer nun, was von Aussagen wie „klimapositiv“ und „CO2-neutral“zu halten ist.

Von Sylvia Miskowiec
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Tu ich der Umwelt mit diesem Produkt etwas Gutes? Selbst das Kleingedruckte hilft beim Überprüfen der Klimawerbung nicht weiter.
Tu ich der Umwelt mit diesem Produkt etwas Gutes? Selbst das Kleingedruckte hilft beim Überprüfen der Klimawerbung nicht weiter. © dpa-tmn

Ob Käse, Wurst oder Gemüse: Was wir essen, wie es produziert wird und was wir davon wegwerfen, hat Auswirkungen auf die Umwelt. Was die Deutschen zu sich nehmen, erzeugt laut Bundesumweltministerium umgerechnet rund 1,75 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2), also rund 15 Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen der Republik. Immer mehr Produkte werden nun als besonders klimaschonend angepriesen. Auf Verpackungen prangen Siegel, die etwa eine „klimaneutrale“ Produktion versprechen, andere werden als „CO2-positiv“ und „bienenfreundlich“ verkauft. Viele dieser Aussagen sind allerdings irreführend und falsche Werbeversprechen der Hersteller, sagen jetzt die deutschen Verbraucherzentralen.

Die Verbraucherschützer haben sich für ihren aktuellen Marktcheck 87 Produkte näher angeschaut, die auf ihre Umweltfreundlichkeit verweisen. Überprüft wurden die verwendeten Formulierungen, nähere Erläuterungen sowie Hinweise auf externe Dienstleister und weitere Informationen im Internet.

Am häufigsten trugen pflanzliche Ersatzprodukte, Getränke, Speziallebensmittel und Convenience-Produkte klimabezogene Werbung. In der Produktgruppe Fleisch und Fleischerzeugnisse waren es lediglich zwei Produkte. Unterm Strich wurden 53 der 87 getesteten Lebensmittel als „klimaneutral“ beworben, weitere als „klima- oder CO2-positiv“. „Bei Käufern können solche Aussagen zu falschen Vorstellungen führen“, sagt Jutta Saumweber, Referatsleiterin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern. Neu ist diese Sorge nicht: Bereits vor drei Jahren hatte die Europäische Kommission über die Hälfte der umweltbezogenen Werbeaussagen auf dem europäischen Binnenmarkt als potenziell irreführend eingeschätzt. Geändert hat sich seither aber nicht viel, wie der Marktcheck zeigt.

Keine einheitlichen Angaben

„Häufig findet man auf Lebensmitteln Versprechen wie ‚24 Prozent CO2-Reduzierung‘. Doch unklar bleibt, auf was sich diese Angabe bezieht – ob auf die Verpackung, die Herstellung oder das gesamte Produkt“, sagt Saumweber. Ebenso fehlten bei einem weiteren Drittel der untersuchten Produkte ergänzende Erklärungen zur besseren Einordnung von Klima- und CO2-Aussagen. „Vielmehr verweisen Unternehmen stattdessen einfach auf weiterführende Informationen im Internet“, so die Verbraucherschützerin.

Auch eine Einheitlichkeit sucht man vergebens. „Wir haben eine Vielzahl verschiedener Siegel und Werbeaussagen gefunden“, sagt Saumweber. „Doch selbst Siegel eines Zeichengebers unterschieden sich in ihrer Ausgestaltung zwischen den Produkten, und auch auf Erzeugnissen einer Marke waren zum Teil unterschiedliche Kennzeichnungen zu finden.“ Der Verwirrung noch nicht genug: Hinter vielen Angaben stecken aus Sicht der Verbraucherzentrale gar keine echte umweltfreundliche Herstellung, sondern Ausgleichszahlungen in Kompensationsprojekte. Diese sollen entweder mindestens die errechnete Menge an entstandenen Treibhausgasen in sogenannten CO2-Senken binden, beispielsweise in Wäldern oder Mooren. Oder sie sollen dazu beitragen, die Treibhausgasmenge an anderer Stelle einzusparen. Das finde jedoch meist in Entwicklungs- und Schwellenländern statt, wo die Wirksamkeit der Kompensationen und der geförderten Projekte häufig nicht ausreichend überprüft werden könnten, kritisieren die Verbraucherschützer.

Was eine Aussage nun wert ist, können Käufer im Supermarkt schwer beurteilen. Dabei ist der Umweltschutz bei der Lebensmittelproduktion laut einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands für zwei Drittel der Befragten wichtig – und für viele ein Kaufargument. „Dass die beworbene Klimaneutralität jedoch meist auf Kompensationsprojekten statt emissionsarmer Herstellung basiert, ist den meisten nicht bewusst“, so Saumweber.

Keine gesetzlichen Vorschriften

Das Problem: Es fehlt ein gesetzliches, standardisiertes Regelwerk für die Werbung mit Klima- und Umweltaussagen. Es sei irrelevant, wie viele Informationen auf der Verpackung stünden, wenn diese nicht transparent, nachvollziehbar und vergleichbar seien, heißt es im Marktcheck. Nachweise oder Prüfungen für ihre Siegel und Aussagen müssen Unternehmen bisher nicht vorweisen. Es gilt zwar das allgemeine Irreführungsverbot, aber aktuell bewerten Gerichte in Deutschland Aussagen zu Klimaneutralität oder CO2-Reduktion sehr unterschiedlich.

Immerhin hat die EU-Kommission im Frühjahr dieses Jahres einen Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie gemacht. Doch wann diese Realität wird, ist derzeit nicht absehbar. (mit dpa)