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Dieser Dresdner macht den Schiffsverkehr klimafreundlicher

Eigentlich wollte Friedrich Mewis einfach etwas Schönes erfinden. Doch dann revolutioniert er die Schifffahrt. Dafür bekommt er den wichtigsten Umweltpreis Deutschlands.

Von Luisa Zenker
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Der 79-jährige Friedrich Mewis erhält am Wochenende den Deutschen Umweltpreis.
Der 79-jährige Friedrich Mewis erhält am Wochenende den Deutschen Umweltpreis. © kairospress

Wenn der Ingenieur Friedrich Mewis sein Arbeitszimmer in Dresden betritt, ist er sofort in einer anderen Welt. Dicht an dicht stapeln sich Bücher über die Technik-Giganten der Meere. Bleistift-Skizzen von Schiffsantrieben hängen an den Wänden. Ein Segelboot gleitet mitten im Raum durch die Lüfte, gehalten wird es von einer dünnen Schnur an der Decke. Darunter schmücken Fotos von Containerschiffen die Zimmerecken. "Das sind meine Lieblinge", sagt der Schiffbauer Friedrich Mewis stolz. "Sie sind schlank und praktisch, nicht so wie Yachten, die sind nur schön."

Friedrich Mewis war bereits in seiner Kindheit von den großen Wellenreitern fasziniert. Später hat er aus dem Schiffbau ein Lebenswerk gemacht. Jetzt bekommt der 79-Jährige dafür am 30. Oktober in Magdeburg von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Deutschen Umweltpreis überreicht. Den Preis vergibt die staatliche Deutsche Bundestiftung Umwelt. Denn der in Dresden lebende Mewis hat der Schifffahrt einen gehörigen Schwung in Richtung Umweltschutz verpasst.

Mit technischem Erfindergeist zu mehr Klimaschutz

Wenn man Mewis nach seiner Erfindung fragt, zeigt er auf den hintersten Teil des Schiffes: den Antrieb. Dann holt er eine kreisrunde goldfarbene Düse sowie einen Propeller hervor. Und beginnt mit seinen Händen zu reden. Zeigt, wohin das Wasser fließt und wohin es fließen sollte.

"40 Prozent der Energie des Motors geht am Propeller eines Tankers verloren. Da habe ich gedacht: Es muss doch was zu machen sein." Und tatsächlich hat der Tüftler entdeckt, dass man jahrhundertealte Erfindungen nur kombinieren muss, um daraus eine neue Vorrichtung zu entwickeln. "Eigentlich ist schon alles erfunden, man muss es nur zusammenstecken", sagt er, der bereits zehn Patente besitzt. Das berühmteste Patent ist der Becker Mewis Duct. Eine bis zu sieben Meter hohe, 30 bis 60 Tonnen schwere, kreisrunde Düse aus Stahl mit einem sogenannten integrierten Fin-System. Also Metallflächen, die asymmetrisch innerhalb der Düse angeordnet sind, um die Strömung zu leiten. "Die Folge ist ein Drall entgegen der Propeller-Drehrichtung."

Dieser Antrieb sorgt dafür, dass die Schiffe nun klimafreundlicher durch die Meere fahren. Ein Fakt, den Mewis beim Tüfteln gar nicht von Anfang an bedacht hatte. "Ich wollte eigentlich nur etwas Schönes erfinden."

Neuer Schiffsantrieb spart Millionen Tonnen klimaschädliches Treibhausgas

Skizze zum Becker Mewis Duct. Auf dem Blatt Papier hat die Erfindung ihren Anfang genommen.
Skizze zum Becker Mewis Duct. Auf dem Blatt Papier hat die Erfindung ihren Anfang genommen. © kairospress
Becker Mewis Duct (BMD) nennt sich die Erfindung, mit der die Ingenieure Friedrich Mewis und Dirk Lehmann den Schiffbau auf Klimakurs gebracht haben: Eine Düse mit integrierten Strömungsleitflächen, die vor einem Propeller montiert wird.
Becker Mewis Duct (BMD) nennt sich die Erfindung, mit der die Ingenieure Friedrich Mewis und Dirk Lehmann den Schiffbau auf Klimakurs gebracht haben: Eine Düse mit integrierten Strömungsleitflächen, die vor einem Propeller montiert wird. © Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Durchschnittlich sechs Prozent Schweröl können mit seiner Erfindung eingespart werden. Das ist eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass ein Riesencontainerschiff täglich Öl im Wert von 250.000 Dollar verbraucht. Durch Mewis Erfindung können nun nach 50 Fahr-Tagen die Kosten wieder reingeholt werden. Positiver Nebeneffekt: Der Antrieb ist deutlich leiser. Klarer Vorteil für Wale und Robben.

Doch Mewis war nicht immer stolz auf sein Werk. Zwischendurch hatte er auch Furcht. Vor dem Küstentratsch. "Bevor die ersten hundert Antriebe produziert wurden, hatte ich Angst, dass sie einfach mitten im Meer abfallen." Doch jetzt fahren schon über 1.500 Container-Schiffe mit den Düsen durch die Weltmeere, Tendenz steigend. Denn die Richtlinien werden schärfer. Der Weltreederverband ICS will bis 2050 klimaneutral werden. Derzeit liegt der Anteil der internationalen Schifffahrt am globalen Treibhausgas-Ausstoß bei fast drei Prozent. Das sind mehr als 1,1 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid. Zum Vergleich: Deutschlands Emissionen liegen laut Umweltbundesamt pro Jahr bei 762 Millionen Tonnen.

Mewis' Lebensweg verläuft entlang des Wassers

Bis die Schifffahrt emissionsfrei wird ist, tüftelt Mewis weiter an seinem Schreibtisch, zeichnet Skizzen, rechnet, kombiniert. Weit entfernt von richtigen Schiffen. Selbst ein kleines Boot hat der Schiffsexperte nie besessen. "Das macht zu viel Arbeit." Das Wasser hat er dennoch nie verlassen. An der Elbe bei Lutherstadt Wittenberg aufgewachsen, zog es ihn später zum Studium nach Rostock an die Ostsee. Als Ingenieur arbeitete er dann zuerst 28 Jahre in Potsdam und später in Hamburg für mehrere Schiffsversuchsanstalten. Mewis zog der Liebe wegen nach Dresden, blieb mit dem Kopf aber weiter an den Tankern im Hamburger Hafen. Dort testete er die Grenzen des technisch Möglichen. Während der Wendezeit erlebte er mit, wie sich die Schifffahrt rapide veränderte; größer, billiger, internationaler wurde.

Mewis sammelte alle Erfahrungen im Kopf, bis ihn 2007 der Unternehmer Dirk Lehmann bat, eine Vorrichtung zu entwickeln, die Schweröl sparte.

Mewis kannte sich da bereits aus, schon während der Ölkrise in den 1970er-Jahren entwickelte er eine Schiffs-Vorrichtung, die für die DDR Öl sparen sollte. Der Geschäftsmann Dirk Lehmann ließ nicht locker, vertraute Mewis und baute seine Skizzen schließlich in groß nach. Lehmann ist Geschäftsführer des Unternehmens Becker Marine Systems, was auch Namensgeber für die Düse "Becker Mewis Duct" war. Gemeinsam erhalten sie nun den Deutschen Umweltpreis, der mit 500.000 Euro dotiert ist. "Als ich im Juli den Anruf von der Stiftung bekam, dachte ich, man will mich veräppeln", erinnert sich Mewis. Jetzt aber hat er schon Pläne mit dem Preisgeld. "Ich will die Straße, an der wir wohnen, hier in Dresden wieder aufforsten und mit dem Geld neue Bäume pflanzen." Außerdem möchte er an mehrere Organisationen spenden.

Der Becker Mewis Duct wurde von Dirk Lehmann und Friedrich Mewis entwickelt.
Der Becker Mewis Duct wurde von Dirk Lehmann und Friedrich Mewis entwickelt. © Deutsche Bundesstiftung Umwelt

Den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt teilt sich das Ingenieur-Duo mit dem Biologen Christof Schenck, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt. Er wird für sein Engagement in den tropischen Regenwäldern Amazoniens, des Kongobeckens und Südostaiens gewürdigt. Zudem wird zur 30. Vergabe des Deutschen Umweltpreises ein Ehrenpreis an eine junge Landwirtin und eine junge Umweltschützerin vergeben: Myriam Rapior vom Umweltverband BUND und Kathrin Muus, frühere Bundesvorsitzende der Landjugend. Beide haben sich dafür eingesetzt, Grabenkämpfe zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft zu überwinden.