Fabrik für Solarfolien verschiebt Massenproduktion

Dresden. Das hört sich gut an: "Geniale Einfachheit" verspricht das Dresdner Unternehmen Heliatek. Die Solarfolien zum Aufkleben auf Außenwand oder Hallendach brauchen keine Unterkonstruktion aus Metall wie die Fotovoltaik-Module der Konkurrenz. Vor zwei Jahren durfte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit einem symbolischen Knopfdruck die erste Anlage zur Serienproduktion der Folien nahe dem Dresdner Elbepark starten.
Doch die Verarbeitung der Folien per Beschichtung im Vakuum fällt dem Unternehmen nicht so leicht. Beim Kretschmer-Besuch versprach Geschäftsführer Guido von Tartwijk, Mitte 2020 würden die ersten marktfähigen Solarfolien aus der Anlage kommen. 2021 sollte die Anlage dann ausgelastet sein und pro Jahr eine Million Quadratmeter Folie ausspucken. Das ist jetzt das Ziel für das nächste Jahr. Der Weg zur genialen Einfachheit kann lang sein.
Solarfolie muss Frost und Hitze aushalten
Dabei ist die Heliatek GmbH seit ihrer Gründung 2006 stark gewachsen. 240 Beschäftigte hat das Unternehmen bereits, und laut Pressesprecher Stephan Kube wird dringend noch Personal für die Produktion im Schichtsystem gesucht. Zwar gibt es auch einen Standort in Ulm, aber dort seien nur etwa 15 Mitarbeiter.
Die Idee der Dresdner Solarfolie fasziniert Energie-Experten: "Wirklich grüne Energie" lässt sich laut Heliatek mit den Folien erzeugen. Geringer Material-Einsatz, keine Schwermetalle, leichte Montage - und im Unterschied zu den Silizium-Solarzellen soll das beschichtete Material auch noch beim schwachen Licht der Dämmerung etwas Strom liefern. Heliatek wird nach eigenen Angaben der weltweit erste Massenproduzent von organischen Dünnschicht-Solarzellen sein.
Kompostierbar sind zwar auch die "organischen" Materialien von Heliatek nicht, räumt Co-Geschäftsführer Michael Eberspächer ein. Aber das sei auch gar nicht sein Wunsch: Die Folie soll ja möglichst 30 Jahre halten. Aufgeklebt beispielsweise auf den Turm einer Windkraftanlage oder das gebogene Dach einer Traglufthalle, muss der Kunststoff Frost und Hitze und UV-Strahlen widerstehen.

Drei Jahre Vorsprung vor Konkurrenz
Das Vakuum-Druckverfahren von Rolle zu Rolle soll die Dresdner Solartechnik außerdem billiger machen als Glas-Module. Im Geschäftsbericht spricht Heliatek vom Vorteil der "einfachen Prozesskontrolle". Doch Eberspächer, ein Elektrotechnik-Ingenieur, berichtet beim Pressebesuch nüchtern. "Das Verdampfen der Organik ist komplex", sagt er. Der Durchsatz der Anlage müsse größer werden, an mehr Effizienz werde gearbeitet. Heliatek arbeite mit neuen Materialien. "Wir haben wenig Möglichkeiten, Hilfe zu holen."
Beim Gang durch die Halle an der Dresdner Treidlerstraße ist von den Tücken der Technik wenig zu sehen. Details der Anlagen sollen trotzdem nicht fotografiert werden - drei bis fünf Jahre Vorsprung hat Heliatek nach Schätzung der Manager vor möglichen Konkurrenten. Zwar gibt es etwa das Unternehmen Armor in Frankreich und andere Firmen, die Ähnliches versuchen wie die Sachsen: Die Wettbewerber im Ausland bedrucken Flächen mit Polymertinten. Doch das Verdampfen im Vakuum auf einer Folie, die von der Rolle abgewickelt und gleich wieder aufgewickelt wird, ist eine Dresdner Spezialität.
Eberspächer erklärt in der Produktionshalle, dass die beschichteten Folien per Laser bearbeitet werden und dann sehr empfindlich gegen Feuchtigkeit sind. Deshalb wird noch eine Barrierefolie aufgebracht. Um Querverbinder aufzulöten, muss die Folie per Laser geöffnet werden. Schließlich brauchen die leichten Aufkleber auch noch Anschlüsse für Elektrokabel, was sie nicht mehr ganz so leicht macht. Was im Werbefilm einfach aussieht, Ausrollen einer Folie auf einem Flachdach, erfordert schließlich doch eine Elektro-Installation.
Kunden finden ist das kleinste Problem
Heliatek verspricht seinen Kunden nun zwei unterschiedliche Produkte, von denen das erste in diesem Jahr verfügbar sein soll: die Solarfolie Heliasol mit Rückseitenkleber. Das dünne und flexible Material soll auch auf Beton haften, der Klebstoff setzt sich wie Schaum in dessen Poren. Im Jahr 2023 soll dann das Produkt Heliafilm auf den Markt kommen: auch eine Folie, aber zum Einbau "in Kundenprodukte", etwa zwischen zwei Glasscheiben in einer Fassade.
Das Dresdner Unternehmen hält mehr als 300 Patente. Seit 2014 sind die Folienbahnen aus Sachsen in mehreren Ländern getestet worden, zunächst von einer kleineren Anlage mit schmaleren Kunststoffstreifen. Auf der Internetseite zeigt Heliatek besonnte Beispiele: senkrecht haftende Solarfolien an Silos und einer Windkraftanlage sind dabei. Rund 30 Pilotprojekte kann das Unternehmen vorzeigen, auch in Frankreich, Ägypten und China. Dresdner Bauten sind nicht vertreten, abgesehen von einigen Streifen am eigenen Betrieb an der Treidlerstraße.
Doch schon vor zwei Jahren sagte Geschäftsführer von Tartwijk, nach 30 Pilotprojekten müsse nun bald Schluss sein mit solchen Versuchen. Von Großkunden gebe es genügend Nachfrage. "Absatz und Kunden sind das kleinste Problem", sagt auch jetzt sein Kollege Eberspächer beim ersten Pressetermin seit Corona. Nach seinen Angaben warten die Investoren schon lange auf das erste Material. Das Auftragsbuch für das nächste Jahr sei gut gefüllt.

Was ist anders als bei Silizium-Solarzellen?
Die Großkunden dürften zum Teil aus dem Kreis der Miteigentümer kommen: Beteiligt an Heliatek sind unter anderem die Energiekonzerne Eon und Engie. Der BMW-Erbe Stefan Quandt hat sich über seine Geldanlagefirma Aqton an Heliatek ebenso beteiligt wie am anderen Dresdner Solartechnik-Hersteller: Solarwatt stellt gläserne Fotovoltaikmodule her und baut die Produktion derzeit mit neuen Maschinen aus.
Auch Sachsens größte Solarmodulfabrik wächst derzeit: die von Meyer-Burger in Freiberg, in den Hallen des pleite gegangenen Unternehmens Solarworld. Auch dort werden Module auf Basis von Glasplatten hergestellt, die Zellen dafür kommen aus der eigenen Fabrik in Thalheim bei Bitterfeld.
Der Vorteil dieser üblichen Technik auf Basis von Siliziumkristallen: Mehr als 24 Prozent des Lichts werden laut Meyer-Burger in elektrischen Strom umgewandelt. Das schafft die Folie von Heliatek nicht. Im Labor wurden zwar nach früheren Angaben mehr als 13 Prozent Ausbeute erreicht, doch Eberspächer spricht von tatsächlich acht Prozent Effizienz als "Ziel" für dieses Jahr. Daran fehlten noch ein bis zwei Prozent, das sei die Aufgabe für die kommenden Monate.
Allerdings sollen die Folien auch bei schwachem Licht noch etwas Strom liefern, das können die konventionellen Module nicht. Perfekt für heißes Klima seien die Folien zudem.
Breitere Folien bedeuten mehr Ausschuss
Die neue Anlage von Heliatek soll Folien mit einer Breite von bis zu 1,30 Meter und 14 Meter Länge beschichten. Eberspächer berichtet allerdings, bei dieser Breite gebe es bei Produktionsfehlern gleich "viel Ausschuss". Gut händelbar für die Produktionstechniker seien Folien mit 44 Zentimetern Breite - die seien auch gut geeignet für Stehfalzdächer. Heliatek hofft auf viele Aufträge für Leichtbauhallen, deren Dächer die konventionellen Glasmodule samt Metallunterkonstruktion nicht tragen könnten.
Das Unternehmen setzt nach eigenen Angaben auf einen wachsenden Markt mit guten mittel- und langfristigen Perspektiven auf. Im Gegensatz zu den Märkten für Freiflächeninstallationen und Installationen auf robusten Dächern sei Heliatek noch keinem Verdrängungswettbewerb mit etablierten Technologien ausgesetzt.
Wenn die Technik gut funktioniere und das Geld fließe, könnten 20 weitere Produktionslinien folgen – auch im Mittleren Osten und Südostasien für die Kunden dort. Vom möglichen Börsengang, einst für 2020 vorausgesagt, ist bei der Heliatek GmbH derzeit keine Rede. Diese Prognose sei lange her, sagt Eberspächer. Solche Entscheidungen lägen bei den Investoren. Noch sei Heliatek nicht profitabel. Der Ingenieur denkt lieber über technische Verbesserungen nach.
Zukunftspotenzial haben für den Geschäftsführer etwa unterschiedliche Farbnuancen. Erst einmal produziert Heliatek dunkelblaue, fast schwarze Solarfolien. Sie hätten die höchste Effizienz, sagt Eberspächer. Andere Tönungen kämen später. "Aber das planen wir nicht für die nächsten zwei Jahre." Erst einmal müssten die vorhandenen Folien zu Produkten werden.