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Kreis Görlitz: Lidl versieht Lebensmittel jetzt mit Diebstahlschutz

Selbst Artikel des täglichen Bedarfs werden in Lidl-Märkten im Kreis Görlitz jetzt mit einem speziellen Diebstahlschutz versehen. Der Trend kommt aus Polen. Verschärft die Inflation das Problem?

Von Markus van Appeldorn & Petra Laurin
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In den Lidl-Filialen im Kreis scheint nicht mal Rinderhack sicher vor Dieben zu sein.
In den Lidl-Filialen im Kreis scheint nicht mal Rinderhack sicher vor Dieben zu sein. © privat

Auch im Landkreis Görlitz ächzen die Verbraucher unter der Inflation. Der Gang in den Supermarkt wird gefühlt täglich teurer. Nach dem soeben vom Statistischen Landesamt für den August vorgelegten Verbraucherpreisindex sind die Nahrungsmittelpreise gegenüber dem Juli nochmal um 1,7 Prozent gestiegen - manche Artikel wie etwa Vollmilch aber viel stärker. Im Vergleich zum August 2021 ist beispielsweise der Preis für Speiseöle um beinahe 90 Prozent gestiegen.

Vielleicht deswegen fürchten Handelsketten, dass auch solche Artikel des täglichen Bedarfs nun vermehrt gestohlen werden. Kunden von Lidl-Märkten im Kreis müssen sich seit einigen Tagen jedenfalls an einen neuen Anblick gewöhnen: An immer mehr Artikeln machen sich gelbe Diebstahlschutzetiketten breit.

So klein sie sind, so auffällig sind sie auch in ihrem leuchtenden Gelb. "Gesicherter Artikel" steht darauf und der etwas rätselhafte Hinweis: "Etikett vor dem Erhitzen entfernen". Die Diebstahlsicherung funktioniert mit der sogenannten Radiofrequenztechnik (RF).

Diebstahl bei Lidl: Mehr geklaute Ware durch Inflation?

Die Etiketten enthalten einen Mikro-Kondensator samt Antenne. Das löst beim Passieren einer RF-Schleuse am Ladenausgang einen Alarm aus. Wird die Ware indes ordnungsgemäß an der Kasse bezahlt, werden die Etiketten dabei automatisch unbrauchbar gemacht.

Ganz günstig ist diese Diebstahlsicherung nicht, kostet sie doch bis zu 20 Cent pro Etikett. Es stellt sich also die Frage, warum sich Lidl diesen Aufwand leistet für den Schutz von Artikeln, die nur wenige Euro kosten.

Zuerst trugen etwa im Lidl-Markt in Löbau Artikel solche Etiketten, die für ihre Packungsgröße relativ teuer sind - also eher hochpreisige Marken. So etwa der Dallmayr-Kaffee als teuerste Sorte im Kaffee-Sortiment des Discounters. Ebenso waren Etiketten auf Nutella-Gläsern angebracht oder einigen Spirituosen.

Bislang waren noch recht teure Waren bei Discountern extra gesichert

Gerade teure alkoholische Getränke sind bei etlichen Discountern schon lange mit Flaschenhals-Sicherungen aus Kunststoff gegen Diebstahl geschützt. Diese lassen sich von Dieben nicht entfernen, ohne dass die Flasche dabei zerstört wird. Nun sind einige solcher Spirituosen gar doppelt gesichert. In manchen Märkten prangten die Etiketten sogar auf der relativ teuren irischen Butter. In der Löbauer Filiale ist aktuell das beinahe gesamte Sortiment der Fleischtheke mit solchen Etiketten versehen. Teure Steaks genauso wie Dorade oder Lachs, sogar das abgepackte Hackfleisch - da ergibt der Hinweis "Etikett vor dem Erhitzen entfernen" möglicherweise Sinn.

Seit einigen Tagen aber nun sind in den Lidl-Märkten etwa in Görlitz oder Löbau auch Artikel mit diesen Etiketten versehen, die man nicht einfach in einer Tasche oder unter der Kleidung verbergen kann. So etwa viele Artikel aus dem Nicht-Lebensmittel-Sortiment wie Spaten, Gartenscheren oder gar die äußerst sperrige Verpackung eines Autokindersitzes. Selbst ein Stahl-Fahrradschloss, das ja seinerseits Diebstahl verhindern soll, trägt ein solches Etikett.

Auch auf Nutella-Gläsern klebten die Etiketten vereinzelt.
Auch auf Nutella-Gläsern klebten die Etiketten vereinzelt. © privat
Fahrradschloss vor Diebstahl gesichert.
Fahrradschloss vor Diebstahl gesichert. © undefined
In einem Görlitzer Lidl: Gesicherte Spaten.
In einem Görlitzer Lidl: Gesicherte Spaten. © undefined
Manche Spirituosen sind gleich doppelt gesichert.
Manche Spirituosen sind gleich doppelt gesichert. © undefined
Diebstahlsichere Ast-Scheren.
Diebstahlsichere Ast-Scheren. © undefined
Auch diesen Kindersitz klaut hoffentlich niemand.
Auch diesen Kindersitz klaut hoffentlich niemand. © undefined
Steaks sind nicht nur bei solventen Menschen beliebt.
Steaks sind nicht nur bei solventen Menschen beliebt. © undefined
Besser als Fischstäbchen - und deshalb auch besser gesichert.
Besser als Fischstäbchen - und deshalb auch besser gesichert. © undefined
Lachs galt ja lange als Inbegriff des Wohlstands.
Lachs galt ja lange als Inbegriff des Wohlstands. © undefined
Auch der relativ teure Dallmayr-Kaffee wird besonders gesichert.
Auch der relativ teure Dallmayr-Kaffee wird besonders gesichert. © undefined

Welche Lebensmittel gehören zum "täglichen Bedarf"?

Zu den Gründen dieser neuen Sicherungsmaßnahmen gibt sich die Discounterkette Lidl wortkarg. "Im Zuge der Diebstahlsicherung werden vereinzelt Artikel in den Filialen individuell gesichert. Dies ist eine gängige, deutschlandweite Praxis im Einzelhandel", heißt es dazu auf SZ-Anfrage. Und: "Produkte des täglichen Bedarfs gehören generell jedoch nicht dazu" - eine Antwort, die darauf schließen lässt, dass Lidl Kaffee, Hackfleisch und Butter nicht zu den Produkten des täglichen Bedarfs zählt. "Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir darüber hinaus keine Angaben zu Kundenverhalten sowie zu internen Prozessen machen", heißt es weiter.

Die Etiketten stoßen bei der Kundschaft ganz offenbar auf Interesse. So erklärte die Mitarbeiterin eines Lidl-Marktes einer Kundin auf Anfrage, dass "bestimmte Werte geklebt würden" ohne nähere Angaben, welche "Werte" das seien. Weiter ließ die Mitarbeiterin die Kundin wissen, dass es viele Diebstähle gebe, die Polizei ganze Transporter mit geklauter Lidl-Ware aufgreife und das Personal zu beschäftigt sei, auf Diebe zu achten.

In Polen wird Butter schon länger elektronisch geschützt

Obwohl diese neuen Diebstahlsicherungen im Lebensmittelhandel bundesweit im Trend liegen, scheint im Kreis Görlitz Lidl Vorreiter zu sein. In den Märkten anderer Ketten, seien es Aldi, Netto, Norma oder das in Löbau, Ebersbach, Zittau und Görlitz mit großen Häusern niedergelassene Kaufland, konnte SZ keine neuen Vorkehrungen beobachten. Kaufland, das wie Lidl zur Neckarsulmer Schwarz-Gruppe zählt, teilt auf SZ-Anfrage mit: "Ladendiebstahlfeststellungen machen weit weniger als ein Promille unserer Kundenkontakte aus, der weitaus größte Teil unserer Kunden ist ehrlich." Weitere Angaben zum Kundenverhalten wolle man nicht machen. "Um uns vor Ladendiebstahl zu schützen, setzen wir Detektive ein. Ebenso haben wir, wie branchenüblich, Kameras installiert", heißt es noch.

Gewissermaßen herübergeschwappt ist der aufkommende Trend hier im Kreis möglicherweise aus Polen. Im Nachbarland sind die Verbraucher nämlich von einer noch wesentlich höheren Inflation betroffen. So meldete der MDR jüngst, dass Kaufland-Filialen in Polen selbst Butter mit solchen Etiketten versehen würden - angesichts des Preises von umgerechnet nur 1,47 Euro teuren Stücks Butter ein finanziell enorm aufwändiger Diebstahlschutz. Im Nachbarland würden auch die wegen des Personalmangels immer mehr eingerichteten Selbstbedienungskassen den Diebstahl begünstigen.

Auch in Tschechien scheint das Problem akut. Laut dem Server idnes.cz beobachtete die Polizei in fast allen Regionen eine zunehmende Zahl von Ladendiebstahl. Vermutete Ursache auch hier: die Inflation. Die häufigsten Ziele für Diebe seien demnach Waren des täglichen Bedarfs – Lebensmittel, Süßwaren und Drogeriewaren, oft im Wert nur von rund hundert Kronen (vier Euro).

Häufige Diebstahlart sei, Ware direkt im Laden ohne zu bezahlen zu konsumieren. Oft würden Leute bei der Nutzung von Selbstbedienungswaagen schummeln, indem sie entweder ein günstigeres Produkt drücken, oder nach dem Wiegen weitere Stücke in die Beutel füllen. Sicherheitsetiketten versuche man wirkungslos zu machen, indem man die Ware in eine Tasche legt, die mit Alufolie ausgelegt ist.