Dresden. Der Schnüffelroboter blinkt mit lila Lampen, hebt zwei Greifarme und wendet auf Breitreifen. Die wichtigsten Bauteile in dem Gefährt der Technischen Universität Dresden (TU) sind aber die kleinsten: die Mikrochips und die Nanoröhrchen. Damit kann der Roboter zum Beispiel gefährliche Ammoniakdämpfe in einem Eisstadion oder einer Chemiefabrik aufspüren – selbstfahrend oder ferngelenkt mit Virtual-Reality-Brille.
Uwe Aßmann, TU-Professor für Softwaretechnologie, führte den Schnüffelroboter am Dienstag im Dresdner Flughafengebäude vor. Dort war kein Gasalarm, sondern 500 Mitglieder des Hochtechnologie-Vereins Silicon Saxony trafen sich zum ersten Mal seit der Corona-Epidemie wieder und hatten die Wahl zwischen 80 Fachvorträgen.
Sachsens Vorzeigebranche ist trotz der Krisenzeit weiter gewachsen, sagte Verbands-Chef Dirk Röhrborn. Er leitet eine Softwarefirma und vermeldete, dass dieser Zweig am schnellsten zulegt. Mehr als 73.000 Sachsen arbeiten in den Firmen um Halbleiterproduktion, Information und Telekommunikation, davon 32.550 in der Software. Bis 2030 soll die Gesamtzahl auf 100.000 steigen. Dabei haben die Chipfabriken in den vergangenen Jahren auch viele Roboter eingestellt, die den Transport der Siliziumscheiben übernehmen.
Prognose: Mangel an Mikrochips für Autos auch noch 2024
Röhrborn bestätigte, dass die Automatisierung stetig zunimmt. Doch das könne ein Vorteil der Branche im Werben um Fachkräfte sein. Die sächsischen Uni-Absolventen reichten nicht aus: Laut Professor Aßmann absolvieren pro Jahr 900 Informatiker die hiesigen Hochschulen, aber 1.500 werden benötigt. Beim Werben kann auch der Schnüffelroboter helfen – er war ein Gemeinschaftsprojekt von Informatikern, Maschinenbauern und Elektrotechnikern.
Röhrborn hofft auf Zuzug nach Sachsen und sieht die Hightech-Firmen als "Vorreiter für Weltoffenheit". Die großen Dresdner Mikrochipfabriken sind voll ausgelastet und wachsen weiter, sagte Silicon-Saxony-Vorstandsmitglied Yvonne Keil, die hauptberuflich in der Chipfabrik von Globalfoundries für den Nachschub zuständig ist.
Der Bedarf ist groß: Gerade am Dienstag meldete die Unternehmensberatung Alix, dass der Mangel an Halbleitern die Autoindustrie auch im nächsten und übernächsten Jahr noch bremsen wird. Zwar nehme die Produktion zu, doch Elektroautos benötigten zehnmal so viele Chips wie Verbrenner.
Intel in Magdeburg soll auch Sachsen nützen
Während das Silicon Saxony stolz auf seine vier Chipfabriken und damit den wichtigsten Standort in Europa ist, hat der US-Konzern Intel sich seit März auf Magdeburg als Standort festgelegt. Dass dort mindestens 3.000 Arbeitsplätze entstehen, bei Erfolg auch 12.000, ist nach Ansicht des Dresdners Röhrborn keine Bedrohung.
Vielmehr liege Magdeburg günstig und bilde künftig ein Hightech-Dreieck mit Dresden und Erfurt/Jena. Das sei "ein Gewinn für das gesamte Ökosystem". Die Region profitiere davon, weil neue Fabriken auch neue Lieferanten und Dienstleister heranholten. Das Fachkräftepotenzial könne durch die "Entzerrung" sogar steigen.
Der Verbandschef betonte, dass auch das Silicon Saxony Zuwachs bekomme: Vodafone schafft 200 Stellen im neuen Kompetenzzentrum im Dresdner Ostragehege. Die Unternehmensberatung Deloitte verspricht Görlitz rund 250 Stellen. Jenoptik wächst um 60 Arbeitsplätze in der Dresdner Fertigung von Technik für die Chipfabriken.
Mikrochip-Branche fordert Tempo von EU bei Zuschüssen
Der inzwischen bekannte Mangel an Halbleitern hilft den Betrieben, für Bewerber interessanter zu werden – diesen Vorteil hob Gastredner Ondrej Burkacky von der Unternehmensberatung McKinsey hervor. Junge Bewerber seien zwar bekannt dafür, Ansprüche an den Arbeitsplatz und die Freizeit zu stellen, aber sie seien auch realistisch und interessiert an Herausforderungen. Wenn ihnen ein Betrieb nicht mehr gefalle, gingen sie wieder – womöglich zur Autoindustrie oder anderen Branchen. Gutes Personal halten sei ebenso wichtig wie Nachwuchs finden.
Globalfoundries-Managerin Keil bestätigte, dass die Suche nach Fachkräften "das Kernthema für uns alle" sei. Auch die Nachbar-Chipfabriken setzten auf Ausbau. Allerdings mahnte Keil auch Subventionen an: Die EU-Kommission und das Bundeswirtschaftsministerium hatten angekündigt, die hiesige Mikrochip-Produktion im Konkurrenzkampf mit Asien und den USA mit Milliardensummen zu fördern. Das angekündigte EU-Chips-Gesetz sei aber noch nicht fertig.
"Mehr Geschwindigkeit" in Brüssel sei auch nötig, um die angekündigten Zuschüsse aus dem Programm Ipcei 2 zu den Firmen zu bringen – damit wolle Globalfoundries beispielsweise kleinere Chipstrukturen herstellen. Politische Unterstützung erhoffen sich die Chipfabriken auch, falls Erdgas rationiert werden muss: Keil sagte, die Reinräume benötigten Gas und müssten bevorzugt beliefert werden.